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Tschüss 2021

Es kann nur besser werden

Tschüss 2021: Es kann nur besser werden
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2021, das zweite Pandemie-Jahr. Da muss man erstmal überlegen, was eigentlich passiert ist. Pandemie-LeugnerInnen haben sich radikalisiert, Julian Reichelt ist weg von der "Bild"-Fläche, und aus "Merkel muss weg" wurde "Scholz muss weg". Und dann gibt es da noch etwas, das wir im kommenden Jahr mit Ihnen feiern wollen.

Das Hirn des Menschen merkt sich den Lauf der Zeit anhand von realen Ereignissen und Erlebnissen, haben wir kürzlich irgendwo gelesen. Erlebnisse sind wie kleine Anker, die in den Windungen unseres Denkorgans kleine Land- und Zeitkarten entstehen lassen. Aber wenn wir jetzt so zurückdenken, was denn passiert ist 2021, dann erscheint vor unserem geistigen Auge eine irgendwie graue Masse. Denn wirkliche Erlebnisse zum Anfassen und Reinfühlen waren auch in diesem zweiten Pandemie-Jahr eher knapp bemessen. Was war denn eigentlich?

Friedrich Merz wird aller Voraussicht nach CDU-Vorsitzender. Prost Mahlzeit. Und "Bild"-Despot Julian Reichelt ist weg. Das ist gut. Bundestagswahl war. Die Ära Merkel ist zu Ende gegangen, und kaum war die Kanzlerin abgetreten, wurde auf deutschen Straßen schon, sehr kreativ, "Scholz muss weg" skandiert. Jetzt ist also Ampel-Zeit. Eine Koalition, die, wenn sie sich nicht ganz blöd anstellt, Gutes bewirken könnte, was über die Legalisierung von Gras hinausgeht. Aber so gesehen: Wenn alle bekifft sind, merkt man nicht so, wie die Welt gegen die Wand fährt. Dass journalistische Projekte wie Kontext als gemeinnützig anerkannt werden können, steht zumindest schon im Koalitionsvertrag. Warum das noch Zukunftsmusik ist, haben wir in dieser Ausgabe aufgeschrieben. Und ja, nicht nur im Bund, auch in Baden-Württemberg wurde gewählt. Beides bescherte der CDU einen erheblichen Dämpfer, so sehr, dass die KlimaaktivistInnen aus den Baumhäusern bei Ravensburg schon frohlocken: Mit weniger CDU sei möglicherweise zumindest eine Schadensbegrenzung bei der Klimakatastrophe möglich.

Schadensbegrenzung, ein gutes Stichwort für 2021. Etwa für die immer neuen Versuche der Politik, die Corona-Pandemie irgendwie in den Griff zu bekommen. Vor allem die Menschen, die sich mittlerweile komplett von der Politik abgewandt haben und ihre Telegram-Gruppe anbeten. Die Querdenkenden, aus der Taufe gehoben in Baden-Württemberg, und ihre verbündeten Ableger haben sich massiv und schrill radikalisiert und werden das im kommenden Jahr weiter tun. Unter den Rechtsradikalen haben sich die "Freien Sachsen" prominent herausgeschält, eine Parteineugründung, bei der auch das Zentrum Automobil mitmischt, die Pseudo-Gewerkschaft aus dem Untertürkheimer Daimler-Werk.

Wir haben gelernt: Es ändert sich nichts

Auch die AfD, die lange abgetaucht war, was Corona betraf, hat nun ihren Weg wiedergefunden und agitiert gegen Impfpflicht und Co. Vorne mit dabei: Christina Baum, radikale Ex-AfD-Landtagsabgeordnete aus Baden-Württemberg, und in diesem Jahr ernsthaft in den Bundestag gewählt, sitzt maskenlos und ungeimpft auf der Tribüne im Berliner Parlamentsgebäude, weil Komplett-Verweigerung unten im Saal nicht geduldet ist.

Bei alledem hatte die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung Ende dieses Jahres ein echtes Aha-Erlebnis. ForscherInnen aus der Schweiz hatten in deren Auftrag eruiert, dass Querdenkende in Baden-Württemberg teils aus den eigenen grünen Reihen kommen.

In einer sehr persönlichen Textsammlung dazu, was uns in der Redaktion an Corona besonders ankotzt, schrieb der Kollege Freudenreich kürzlich: "In den Zeitungen war einst zu lesen, dass Corona das Wir-Gefühl stärken könnte [...] Diverse Feuilletons schrieben bereits vom Ende des Neoliberalismus, weil sich der Glaubenssatz, der Staat sei das Problem und der Markt die Rettung, umgedreht hätte. Heute wissen wir, dass das voreilig war. Die Ausbeutung geht weiter, die Reichen werden reicher, der Rest schnallt den Gürtel enger." Das trifft es auf den Punkt. Gelernt haben wir aus fast zwei Jahren Pandemie, dass sich, egal wie krass es kommt, kaum etwas ändert am Lauf der Welt. Wir in den reichen Ländern vernachlässigen die arme Welt weiterhin, obwohl es doch alle besser wissen. Seit beinahe zwei Jahren diskutiert das Land über schlecht bezahlte Pflegekräfte, eine Menge davon sind schon davon gelaufen, und die Kliniken sind voller Covid-PatienInnen, getan hat sich: nichts. Dafür hat Stuttgart von Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) ein Riesenrad bekommen. Immerhin.

Bretter vor der Haustür

Aber, sind wir ehrlich, der Lauf der Welt ist auch ein Brett, das etwas dick ist für eine kleine Zeitung aus Baden-Württemberg. Also bohren wir lieber hier, bei uns vor der Haustür, holzwurmartig unermüdlich beispielsweise der Frage nach, warum jetzt nochmal der Musikdirektor des Stuttgarter Balletts gekündigt wurde? Und warum redet da eigentlich keiner offen drüber? Oder über die Sigmaringer PolizistInnen, die eine junge Frau übel behandelt haben, weil ihnen ihre Lebensweise suspekt war? Wir bohren nach, was los ist bei der Firma auf der Ostalb, die plötzlich chinesische ArbeiterInnen einfliegt. Oder warum im Hochschwarzwald, rund um den Feldberg, das Wohnen für die Normalbevölkerung immer teurer, teurer und teurer wird: Steinreiche haben sich in der Region eingekauft, lassen ihre hübschen Häuschen leer stehen, während noch Reichere Luxusresorts planen.

Wir haben über Geld geschrieben, das bei genauerem Hinsehen eigentlich eine blöde Erfindung ist, über die Frage sinniert, ob körperliche Gewalt gegen Nazis gerechtfertigt sein kann. Wir haben über ein Geheimtreffen von Windkraftgegnern berichtet, bei dem auch Tunnelbohrer Martin Herrenknecht anwesend war, über Maskendeals, Asserbaidschan-Connections und den Hype um Wasserstoff. Wir haben mit einer Afghanin gesprochen, die es gerade noch aus ihrem Land heraus geschafft hat und in Stuttgart angekommen ist. Wir haben über den Bahnhof in Stuttgart geschrieben, der in diesem Jahr ein Stück Fassade verloren hat (rausgebrochen), und der neben der Umwandlung zur Tiefhaltestelle S21 nun auch laut grün-schwarzem Koalitionsvertrag noch einen unterirdischen Ergänzungsbahnhof bekommen soll, aber dafür kein Denkmal von Peter Lenk. Zumindest kein dauerhaftes in der Landeshauptstadt, die Großskulptur des Künstlers aus Bodman wurde wegen mangelnden Entgegenkommens der Stadtverwaltung im Juni wieder zu Lenks Domizil am Bodensee zurückgebracht.

Mittel gegen Trübsinn? Haben wir auch

Und wir haben der Nacktschnecke, diesem herrlich schleimigen Geschöpf, das sich auch durch Schneckenkorn und Bier nicht unterkriegen lässt, eine ganze Fotostrecke gewidmet. "Die Nacktschnecke ist das Yin im Yang und ruft uns in Erinnerung, dass Lust und Leid, Freude und Schmerz, Gut und Schlecht erst durch den Kontrast an Wert gewinnen, einander benötigen, um zur Geltung zu kommen", schrieb unser Autor im August. Denn auch das Schöne, Gute und Lustige hat in dieser Pandemiezeit seine Berechtigung. Wir wollen ja nicht trübsinnig werden. Kürbisbetrachtungen in Kontext? Ja, das gab's auch.

Einige der Geschichten, die uns besonders am Herzen lagen im Jahr 2021, haben wir in dieser Ausgabe für Sie weitergeschrieben.

Und mit dem letzten Punkt hinter dem letzten Satz für dieses Jahr wenden wir uns dem nächsten zu. 2022, das wir mit einem großen Fest feiern wollen. Denn Kontext ist im zurückliegenden Jahr zehn geworden! Um wegen Corona nicht schon wieder absagen zu müssen, haben wir bereits 2020 beschlossen, eine doppelte Schnapszahl zu feiern und laden im Sommer 2022 zum 11-Jährigen von Kontext ins Theaterhaus ein. Zur großen Sause. Mit Musik. Und Tanz. Und echten Menschen, denen wir zuprosten können. In diesem Sinne und im Vorgriff auf dieses Event: Prost Neujahr! Es kann nur besser werden.


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3 Kommentare verfügbar

  • Andy
    am 30.12.2021
    Antworten
    Auch ich wünsche euch einen guten Rutsch, es wäre schön wenn im neuen Jahr einmal die positiven Ereignisse überwiegen würden.
    Aus vergangenen Jahren wissen wir aber das dies ein Traum bleiben wird, ihr könnt aber nur positives berichten wenn es positives gibt! Bleibt wie ihr seit und berichtet…
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