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Ravensburg und die Apo auf Bäumen

Den Protest in die Städte tragen

Ravensburg und die Apo auf Bäumen: Den Protest in die Städte tragen
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Es ist ein wahres Novum: Das konservative Oberschwaben hat eine Apo bekommen. Und die sitzt seit Anfang des Jahres auf Bäumen rund um Ravensburg, um der Politik einzuheizen, bevor es die Klimakatastrophe tut. Samuel Bosch, noch keine 20 Jahre alt und Initiator der Proteste, über sein Jahr 2021.

Ende 2020 hatte ich im Augsburger Klimacamp und im Danneröder Forst das Klettern gelernt. Und im Dezember habe ich mit der ersten Baumbesetzung in Ravensburg begonnen. Zwei Monate später begannen wir mit einem größeren Projekt: Wir besetzten ein elf Hektar großes Waldstück im Altdorfer Wald, das als Vorranggebiet für den Kiesabbau im Regionalverband Bodensee-Oberschwaben vorgesehen ist. Durch die Besetzung erzeugten wir unglaublich viel Aufmerksamkeit für die Themen Rohstoffabbau, Klima und Systemwandel.

Ich vernetzte mich mit vielen anderen AktivistInnen, aus ganz Deutschland, die ähnliche Projekte in ihren Regionen umsetzten. Wir besuchten uns gegenseitig, um uns bei Aktionen zu helfen und Wissen auszutauschen. In Passau entstand zum Beispiel im Mai wie in Ravensburg ein Protestbaumhaus. Seitdem gibt es auch dort eine aktive Szene, die regelmäßig Kletter- und Kunstaktionen durchführt.

Hängematten über der Bundesstraße

In der Region um Ravensburg organisierten wir im Jahr 2021 ununterbrochen Aktionen wie Demos, Kundgebungen, Klimacamps, Banneraktionen, Blockaden. Aus der Alti-Besetzung entstand beispielsweise im März eine große Blockade mehrerer bestehender Kiesgruben bei Wolfegg. Fünf Monate nach der ersten Baumbesetzung hatte die Stadt Ravensburg immer noch nicht damit begonnen, Maßnahmen zu ergreifen und ihre Klimaziele einzuhalten. Also setzten wir uns kurzerhand in mehrere Hängematten in luftiger Höhe über einer vierspurigen Bundesstraße, die mitten durch das Herz von Ravensburg verläuft.

Im Juni spitzte sich der Protest gegen den Regionalplan zu. Um die Idee der Waldbesetzungen weiterzutragen und Druck auf den Regionalverband auszuüben, bauten wir in den Pfingstferien im Weingartenwald ein Baumhaus gegen den geplanten Neubau der B31. Die Aktion wurde leider direkt von der Polizei aufgelöst. Einige Zeit später meldeten wir eine Fahrraddemonstration auf der A96 an. Die Versammlungsbehörde in Wangen hatte die Demo erst verboten, dann haben wir aber vor Gericht gewonnen: Das Verwaltungsgericht in Sigmaringen hat das Verbot im Eilverfahren aufgehoben.

Während einer Ausschusssitzung des Verbandes haben wir ein zweitägiges Klimacamp vor dem Gebäude organisiert. Parallel dazu hängten wir zahlreiche Banner zu den Themen Flächenversiegelung und Verkehrswende auf. Als der Regionalplan am 25. Juni verabschiedet werden sollte, veranstalteten wir zwei Klimacamps und eine Demo. Leider wurde der Regionalplan durch Stimmen der CDU, der Freien Wähler und der SPD dann trotz des monatelangen Protestes verabschiedet. Es war für uns alle eine sehr große Enttäuschung.

Ohne die CDU geht vielleicht Schadensbegrenzung

Nun gilt es die klimafeindlichen Einzelprojekte zu stoppen. In der Besetzung im Altdorfer Wald waren mittlerweile um die 20 Baumhäuser entstanden. Viele verschiedene Menschen aus ganz Deutschland wohnten in dem Waldstück.

Ausgabe 547, 22.9.2021

"Wir machen den Wind"

Von Samuel Bosch

Die Union korrupt und frech, die SPD eine Kohlepartei, die Grünen Fähnchen im Wind, und keine Partei wird umsetzen, was sie verspricht: Was wählen, damit die jungen Generationen eine Zukunft haben? Der 18-jährige Klimaaktivist, Baumbesetzer und Erstwähler Samuel Bosch aus Ravensburg über Schadensbegrenzung und eine wichtige Entscheidung.

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Im Sommer ging ich auf Deutschlandreise. Ich nahm an zahlreichen Aktionen in Hamburg, Passau, Augsburg, Krumbach, Ulm, Frankfurt, Dresden und Berlin teil. In Berlin stieg ich mit AktivistInnen aus ganz Deutschland auf das Brandenburger Tor. Zurück in Ravensburg fokussierten wir uns zunehmend auf Aktionen im Bezug auf die Bundestagswahl. Ich glaube zwar nicht, dass die Klimakatastrophe im aktuellen System lösbar ist, aber ohne die CDU kann sicherlich Schadensbegrenzung betrieben werden. Wir hingen an einer Brücke in Sigmaringen, kletterten auf die Basilika in Weingarten. Alles um zu verhindern, dass die CDU stärkste Kraft wird.

Nach der Bundestagswahl isolierte ich mein Baumhaus im Alti. um es für die Überwinterung vorzubereiten. Im November arbeitete ich mit einem Freund gegen Kost und Logis auf einem Biohof in Irland und wir machten in Dublin unsere erste Aktion außerhalb von Deutschland.

Ein Jahr nach der ersten Baumbesetzung in Ravensburg sind wir heute ein großes Team aus AktivistInnen jeden Alters. Unser Protest in diesem Jahr hat viel Aufmerksamkeit erzeugt und sicherlich auch einige Entscheidungen in der Politik beeinflusst. Die Klimakatastrophe schreitet dennoch nahezu ungebremst voran. Darum haben wir uns nun auch in überregionalen Gruppen vernetzt, um unseren Protest noch wirkungsvoller zu machen. Wir werden das Thema Klima und Systemwandel in jede Stadt tragen.


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