Der "Querdenken"-Gründer hat grauere Haare als bei seinen Auftritten in der Corona-Zeit, und er wirkt müde. Nach 43 Verhandlungstagen neigt sich der Prozess gegen Michael Ballweg am Stuttgarter Landgericht dem Ende zu, die Beweisaufnahme ist geschlossen. Die Staatsanwaltschaft, vertreten durch Franziska Gräfe und Niklas Eisele, wirft dem 50-Jährigen versuchten Betrug in 9.450 Fällen sowie Steuerhinterziehung vor. Während des fast zweistündigen Plädoyers hat sich Ballweg weit auf seinem Stuhl zurückgelehnt, den Kopf in den Nacken geworfen und die Augen fast durchgängig geschlossen. Sein T-Shirt zieren ein kreisrundes Mandala und der Schriftzug "Rebell".
Gewissermaßen ist die Gerichtsverhandlung zu einem Heimspiel für Ballweg geworden: Auf den mit 60 Personen vollbesetzten Publikumsplätzen sitzen größtenteils Unterstützer:innen des früheren IT-Unternehmers, der öffentliche Andrang ist so groß, dass einige Schaulustige an der Pforte zum Saal abgewiesen werden müssen. Rechtzeitig hat es die Schulklasse eines Wirtschaftsgymnasiums geschafft. Unter den Schülerinnen und Schülern herrscht nach den Ausführungen der Staatsanwaltschaft Konsens: Das sieht nicht gut aus für den Chefquerdenker.
Dabei hatten Gräfe und Eisele keinen einfachen Stand in diesem Verfahren. Gräfe möchte das Plädoyer mit ein paar grundsätzlichen Anmerkungen beginnen und sagt, dass "das hier kein politisches Verfahren ist, auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen" – was von den Zuschauer:innen mit höhnischem Gelächter quittiert wird. Zum großen Ärger der Vorsitzenden Richterin, die bei weiteren Störungen des Vortrags mit Ausschluss von der Sitzung droht. Das Machtwort zeigt Wirkung, das Publikum bleibt still.
Staatsanwaltschaft fühlt sich verleumdet
Der Angeklagte, führt Gräfe aus, inszeniere sich als Widerstandskämpfer, doch er sei kein politisch Verfolgter, erst recht kein Märtyrer. In Deutschland gebe es kein Gesinnungsstrafrecht und vor Gericht zähle nur das Gesetz. Obwohl sie aber nur ihre Dienstpflicht erfüllt hätten, seien die ermittelnden Personen im Laufe des Verfahrens in den Fokus gerückt und zum Opfer einer Kampagne geworden. Die Verteidigung, "eigentlich ein Organ der Rechtspflege", habe in diesem Zusammenhang Verschwörungstheorien verbreitet. Für die Staatsanwaltschaft stehe jedoch zweifelsfrei fest, dass der Angeklagte mit Täuschungen Millionen gesammelt habe.
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