KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Wettern der Woche

Legaler Diebstahl

Wettern der Woche: Legaler Diebstahl
|

Datum:

Manchmal helfen ja auch 5.000 Euro, damit man genauer hinhört. Das Bürgerprojekt Die AnStifter aus Stuttgart hat soeben eine ganz exzellente Wahl getroffen: Anne Brorhilker bekommt den FriedensPreis 2025. Und das nicht für lauwarme Worte oder meditative Stille – sondern weil sie ausgepackt hat. Weil sie hinlangt, wo's wehtut: bei denen, die uns schamlos ausnehmen. 

Cum-Ex und Cum-Cum – klingt nach Yoga-Übung oder Kinderreim, ist aber nichts anderes als organisierter Steuerraub.

Anne Brorhilker, einst Deutschlands oberste Cum-Ex-Jägerin, hatte 2024 den Dienst quittiert. Zermürbt, gemobbt, ausgebremst – von einem Staat, der sich lieber mit dem kleinen Schwarzarbeiter befasst als mit milliardenschweren Steuertricksern im Maßanzug. 100 Milliarden Euro Schaden Jahr um Jahr durch Steuerbetrug – das sagt nicht irgendwer, das sagt Brorhilker und belegt das mit handfesten Zahlen. 100 Milliarden – das ist mehr als doppelt soviel wie Hartz IV, Bürgergeld, Wohngeld, hinter deren Empfängern die Regierenden her sind wie der Hund hinter der Wurst. Da wird über angeblich arbeitsunwillige Faulenzer hergezogen, was das Zeug hält – und die großen, ganz großen Fische schlüpfen jahrzehntelang durchs Netz.

Aber Cum-Ex war ja erst der Anfang. Cum-Cum, der große Bruder, läuft fröhlich weiter, fast unbehelligt. Während bei Cum-Ex wenigstens ein Teil der Beute zurückgeholt wurde, liegt die Rückführungsquote bei Cum-Cum bei einem Prozent. Ein Prozent! Da schlackern selbst Finanzbeamte mit den Ohren – sofern sie nicht längst in die Beratung gewechselt sind.

Die Masche ist so simpel wie dreist: Man lässt sich Steuern erstatten, die man nie gezahlt hat. Den Trick nennt man schlicht Gesetzeslücke und fühlt sich dabei auch noch oberschlau. Unterstützt wird das Ganze von einem Heer aus Bankern, Steuerberatern, Juristen und Lobbyisten. Sie sind die eigentlichen Architekten des Abzocksystems – und mit im Boot deine Hausbank.

Wer das anprangert, wird diffamiert, ausgebremst, kaltgestellt. So wie Anne Brorhilker. Doch sie gibt nicht auf. Heute ist sie bei Finanzwende und schlägt weiter Alarm. Zu Recht. 

Demokratie verteidigen heißt auch, den Großen auf die Finger zu schauen und zu hauen. Und zwar mit Lupe und Rückgrat. Also? Wir brauchen mehr Brorhilkers. "Und wir brauchen einen Staat, der nicht nur Bäcker kontrolliert, sondern Banken", ruft meine Omi Glimbzsch aus Zittau. "Der nicht die Armen jagt, sondern die Raffgierigen." Ein Staat, der sagt: Schluss mit dem legalisierten Diebstahl. Wer den Rechtsstaat verscheißert und verkauft, darf sich übers Pfeifen auf die Demokratie und die Politikverdrossenheit nicht wundern. Und über eine schwindende Mitte.


Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator beim Bürgerprojekt Die AnStifter. Alle Wettern-Videos gibt's hier zum Nachgucken.

Wir brauchen Sie!

Kontext steht seit 2011 für kritischen und vor allem unabhängigen Journalismus – damit sind wir eines der ältesten werbefreien und gemeinnützigen Non-Profit-Medien in Deutschland. Unsere Redaktion lebt maßgeblich von Spenden und freiwilliger finanzieller Unterstützung unserer Community. Wir wollen keine Paywall oder sonst ein Modell der bezahlten Mitgliedschaft, stattdessen gibt es jeden Mittwoch eine neue Ausgabe unserer Zeitung frei im Netz zu lesen. Weil wir unabhängigen Journalismus für ein wichtiges demokratisches Gut halten, das allen Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollte – auch denen, die nur wenig Geld zur Verfügung haben. Eine solidarische Finanzierung unserer Arbeit ermöglichen derzeit 2.500 Spender:innen, die uns regelmäßig unterstützen. Wir laden Sie herzlich ein, dazuzugehören! Schon mit 10 Euro im Monat sind Sie dabei. Gerne können Sie auch einmalig spenden.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


0 Kommentare verfügbar

Schreiben Sie den ersten Kommentar!

Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!