Eigentlich waren wir uns ja alle mal einig, vor paar Jahren noch. Okay, fast alle: keine Gewalt! Das galt bei der antiautoritären Kindererziehung (schwer genug), in der Schule ("Eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet!"), in der Lehre ("Pass uff, sonscht fängscht oine!"), in der Ehe. Ganz klar und ohne jeden Widerspruch freilich auf Arbeit: Da war man und frau automatisch gewaltfrei und duldsam. Das wurde von Generation zu Generation weitergegeben, war Menschheitserbe. Disziplin war und ist das A und O aller entfremdeten Arbeit. Nur beim Wirtshausbesuch hat ein Volksmund öfter mal dem anderen paar aufs Maul gegeben, auch mit politischem Akzent: Kommunisten gegen Nazis, seinerzeit – Sie wissen schon! –, bei dem dann die siegreichen Schläger die Macht übernommen hatten und sie bis zum Endsieg nicht mehr hergeben wollten.
Am 17. Juni 1953, vor mehr als 70 Jahren, als es noch die sich so nennende Deutsche Demokratische Republik gab, marschierten die Henningsdorfer Stahlarbeiter ins 27 Kilometer entfernte Zentrum von Berlin, um gegen die Gewalt von schlechter Versorgung, schlechter Presse, schlechten Normen und schlechtem Sozialismus gewaltfrei zu streiten, immer ein fröhliches Lied wie die "Internationale" auf den Lippen und "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit", bis sich ihnen sowjetische Panzer in den Weg stellten. "Was tun?", fragen sich nun viele. Aber Lenin war tot, Stalin auch. Nur Bertolt Brecht hatte eine Lösung für die regierenden Genossen in der DDR: Der Dramatiker empfahl ihnen, sich ein anderes Volk zu wählen. Auf gut Deutsch vielleicht: auswandern? Doch die Regierung blieb, die Menschen gingen.
Heute sind wir uns ja alle nicht mehr einig – paar in die Fresse ist ein gängiger Slogan, berichtet meine Omi Glimbzsch aus Zittau. Andere bedienen (natürlich völlig unwissend) sofort die Sprache der Unmenschen: Alle machen! Mit Stumpf und Stiel ausrotten. Liquidieren. Vernichten. Eliminieren. Unschädlich machen. Beseitigen. Auslöschen. Erledigen.
Im Kontext von Bombenhageln, ballistischen Raketen und klugen Drohnen, von Angriffs- und Verteidigungskriegen, nuklearen Potentialen, zwischen Putinfreunden und Russenhass, dem Antisemitismus Netanyahus und den Verbrechern der Hamas, Kindern, Faschisten, Neinsagern und Gegnern der Remilitarisierung wär' ja möglicherweise ein Waffenschein die angemessene Antwort. Ich weiß, wo Dein Haus wohnt. Ich mach dich fertig, Grohmann. Ich tröste mich: Auch Unmenschen sind nur Menschen.
Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator beim Bürgerprojekt Die AnStifter. Alle Wettern-Videos gibt's hier zum Nachgucken.
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