KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Das Wettern der Woche

In Gaza spricht man deutsch

Das Wettern der Woche: In Gaza spricht man deutsch
|

Datum:

Dieser Tage wurde mir ein geheimer Text von Ehud Olmert zugespielt. Wär's nicht Olmert "der Schillernde" aus Jerusalem, hätt' ich den Text in Ruhe gelassen. Aber da kam mir die deutsche Staatsräson in die Quere. Viele stürzen sich ja gerne Hals über Kopf auf jede Nachricht, in der Israel eins ausgewischt wird. Ein Inneres "Seht ihr, nicht nur wir Deutschen waren hin und wieder gemein – auch der Israelit ist nur ein Mensch!" Bei solchen Gelegenheiten wischen wir alle Unbill der Welt vom Tisch: Hungersnöte, die ja entgegen landläufigen Meinung vieler nicht vom Himmel fallen, sondern meist menschengemacht sind genauso wie Wahlergebnisse in Polen, Cum-Ex-Urteile, Vertreibungen, Kriege und Klima.

Doch zurück zu Olmert. Der war mal Premierminister in Israel, 2006 bis 2009, lang ist her. Aber nu' brät er dem Netanjahu derart eins über, dass einem hierzulande Hören und Sehen vergeht, wie meine Omi Glimbzsch in Zittau gern sagt. Oder nur: "Siehste!" Ganz zu schweigen von der Staatsräson, mit der sich nicht nur die deutschen Waffenhändler und Hersteller schwertun: In Gaza schießt man deutsch. 

Olmert schrieb am 22. Mai 2025 in der hebräischen Ausgabe von "Haaretz" unter der Überschrift "Bis hierher und nicht weiter: Israel begeht Kriegsverbrechen" einen Beitrag, der offenbar allen Lesarten deutscher Redaktionen widerspricht. Denn wer lässt sich schon gern als Antisemit brandmarken – außer jenen rund 25 Prozent, die sich (meist mangels Bildung) offen als Antisemiten outen? Von der Wählergruppe "Stramm rechts" (20 bis 40 Prozent) reden wir diesmal nicht, die steigt von selbst. Olmert erschreckt uns mit seiner Analyse in der liberalen Zeitung Haaretz so gewaltig, dass wir seine scharfe Kritik an "Netanjahus Bande" am liebsten unten den Tisch fallen lassen würden. Er behauptet: "Was wir in Gaza betreiben, ist ein Vernichtungs­krieg: Das unbegrenzte unterschiedslose Töten von Zivilistinnen ist ein grausames Verbrechen ...". Es sei "direkte Folge einer Politik, die von der Regierung wissentlich und absichtlich und verbrecherisch diktiert wird. Ja, wir verüben Kriegsverbrechen." Das Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte hat nun mehrere Eilanträge gegen deutsche Kriegswaffen- und Rüstungsexporte nach Israel gestellt. Dabei geht es explizit und ausschließlich um Waffen und Rüstungsgüter, die jetzt, in diesem Augenblick, heute in Gaza eingesetzt werden. 

Vorsichtshalber distanziere ich mich daher ausnahmslos von jedweder Staatsräson, Olmert, Netanjahu, Waffenschiebern und dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte. Sicher ist sicher.


Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator beim Bürgerprojekt Die AnStifter. Alle Wettern-Videos gibt's hier zum Nachgucken.

Wir brauchen Sie!

Kontext steht seit 2011 für kritischen und vor allem unabhängigen Journalismus – damit sind wir eines der ältesten werbefreien und gemeinnützigen Non-Profit-Medien in Deutschland. Unsere Redaktion lebt maßgeblich von Spenden und freiwilliger finanzieller Unterstützung unserer Community. Wir wollen keine Paywall oder sonst ein Modell der bezahlten Mitgliedschaft, stattdessen gibt es jeden Mittwoch eine neue Ausgabe unserer Zeitung frei im Netz zu lesen. Weil wir unabhängigen Journalismus für ein wichtiges demokratisches Gut halten, das allen Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollte – auch denen, die nur wenig Geld zur Verfügung haben. Eine solidarische Finanzierung unserer Arbeit ermöglichen derzeit 2.500 Spender:innen, die uns regelmäßig unterstützen. Wir laden Sie herzlich ein, dazuzugehören! Schon mit 10 Euro im Monat sind Sie dabei. Gerne können Sie auch einmalig spenden.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


0 Kommentare verfügbar

Schreiben Sie den ersten Kommentar!

Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!