Wer weiß, ob dieses Haus nicht einmal in die Geschichte eingehen wird. Mit einer Gedenktafel an der Wand, auf der steht, dass hier der Geburtshelfer des größten Pressekonzerns im deutschen Südwesten gearbeitet hat. Hier, in der Horber Schillerstraße 22, hinter Fachwerk und Mobiliar, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Es ist die Heimstatt der "Neckar-Chronik", einer kleinen Lokalzeitung unter dem Dach des "Schwäbischen Tagblatts". Sie verbreitet täglich 3.300 Exemplare und fällt eigentlich nicht besonders auf.
Besonders ist nur der ehemalige Eigentümer, den besondere Umstände jetzt wieder zum aktuellen gemacht haben. Der Wiedergänger ist Alexander ("Xandi") Frate, 65, Freund starker Autos und feiner Sterneküche. Ein Comeback der wundersamen Art: Im Jahr 2023 verkaufte die Familie Frate ihre Anteile am "Schwäbischen Tagblatt" mitsamt seinen Satelliten an die "Südwestpresse". Seitdem sind der gebürtige Österreicher und seine Ehefrau Elisabeth, 79, sehr wohlhabende Rentner in Tübingen, wohnhaft in bester Lage, am Neckar neben dem Hölderlin-Turm. Zum Abschied verrieten sie in einem gemeinsamen Interview, sie wollten jetzt noch etwas vom Leben haben und im Sommer nach Österreich fahren. Alexander Frate betonte, er mache hier Schluss und werde "nicht wieder hereinkommen". Mit "hier" meinte er sein Büro im "Tagblatt", wo er heute wieder sitzt. Wegen des Kartellamts.
Der Kauf soll ein Schnäppchen gewesen sein
Und das kam so: Die Bonner Behörde sollte einen weiteren Zukauf der Ulmer Provinzverleger der Neuen Pressegesellschaft (NPG) genehmigen, der alle bisherigen Dimensionen in Baden-Württemberg sprengt: die Übernahme der Stuttgarter Blätter (Zeitung und Nachrichten), der "Eßlinger Zeitung" und "Böblinger Kreiszeitung" sowie des "Schwarzwälder Boten". Damit würde sie eine Auflage von 700.000 Exemplaren erreichen, jubelte die NPG, in der die "Südwestpresse" (Auflage 200.000) erscheint. Die Gewerkschaft Verdi sprach von einer "dramatischen Konzentration", der Zeitungsforscher Horst Röper von einem "Einheitsbrei", und beide haben damit nicht übertrieben. Der Preis soll günstig gewesen sein, heißt es in der Branche. Angeblich im mittleren zweistelligen Millionenbereich.
Das Kartellamt, zuständig für kapitalistische Konkurrenz, hatte auch Bedenken, richtig Bauchweh, wie Präsident Andreas Mundt durchblicken ließ. Besonders im Hinblick auf den Schwarzwald, wo sich die "Südwestpresse" und der "Schwarzwälder Bote" (Schwabo) auf den Füssen stehen. In Horb gerade mal fünf Häuser auseinander. Hier sahen die Hüter des Marktes die Gefahr, dass der Wettbewerb durch den Zusammenschluss "völlig ausgeschaltet" werden könnte. Wäre das tatsächlich so, würde der ganze Deal platzen, sagen sie in Bonn.
Wir stehen vor der Schwabo-Geschäftsstelle in der Schillerstraße 32. Sie beherbergt auch die Redaktion. Kein Mensch weit und breit. Wir rufen in der Oberndorfer Telefonzentrale an. Eine hilfreiche Dame bedauert, die Filiale sei seit Corona zu, die Zeitung gebe es gewiss beim "Kaufland". Stimmt. Sie kostet zwei Euro sechzig.
Die geschlossene Geschäftsstelle scheint den Kartellwächtern entgangen zu sein. Aber sie hatten ja bereits die Person präsentiert bekommen, die helfen würde, das Gesamtproblem zu lösen: Alexander Frate. Er hatte die "Neckar-Chronik" in Horb von 1986 bis 2023 geführt, also diese Zeitung, die dem Amt als besonders anfällig erschien, in ihrem Verbreitungsgebiet den Wettbewerbsgedanken zu verletzen, sollte sie mit dem Schwabo verschmolzen werden. Das wäre ein Monopol, sagen sie in Bonn, der "worst case" für sie, und das gelte es auf jeden Fall zu verhindern. Und wer könnte das besser als ein unabhängiger Verleger, einer, der die Gegend und das Geschäft kennt, und so frei ist, in aller Freiheit anzupacken?
Am Empfangstresen heißt es, alles bleibe beim Alten
Betrachter wie unsereins hat das nachdenklich gestimmt und zur Nachfrage an das Kartellamt veranlasst, wie diese Unabhängigkeit zu verstehen sei, und ob sie selbige gecheckt hätten. Ganz praktisch gedacht: Bezieht die "Neckar-Chronik" nun nicht mehr den Mantel der "Südwestpresse", wie seit Jahrzehnten? Macht sie was sie will, ignoriert sie alle Direktiven aus Ulm? Schaltet sie die gemeinsame Online-Plattform ab? Stellt der Zeitungsvertrieb auf Postzustellung um?
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