Es zogen einmal 400 Journalist:innen durch Tübingen, die immer wieder riefen, sie seien laut, "weil ihr uns die Löhne klaut". Das war im Februar 2014. Mit "ihr" meinten sie alle Zeitungsverleger, männlich wie weiblich. Vor der Stiftskirche hielten sie dann noch eine Kundgebung ab, zu der sich auch die Eigentümerin des "Schwäbischen Tagblatts", Elisabeth Frate, gesellte. Sie schrieb das eine und andere mit, was so geredet wurde, der ausgesandte Kontext-Fotograf setzte sie ins Bild und die Redaktion zwei Zeilen drunter, die beim Publikum den Eindruck vermitteln konnten, sie hätte besonders ihre Beschäftigten beobachtet.
Das hätten wir nicht tun sollen.
Wenige Tage später erreichte anwaltliche Post die Redaktion. Frau Frate habe nur notiert, welche "Forderungen, Anliegen und Standpunkte" bei den Reden "kommuniziert" worden seien, hieß es, alles andere sei unwahr, sprich zu unterlassen. Kostenfaktor: 1.171,67 Euro. Lernfaktor: mit Verleger:innen ist nicht zu spaßen.
Fast zehn Jahre später, am 29. August 2023, kündigt Elisabeth Frate an, die Verlagsbranche zu verlassen und ihre Zeitung zum 1. Januar 2024 an die Ulmer "Südwestpresse" zu verkaufen – vorbehaltlich der Zustimmung durch das Kartellamt. Sie ist so alt wie das "Tagblatt", und sie sagt, nach 78 Jahren tue sie das "schweren Herzens". Dann fällt einem diese Bildunterschrift von 2014 wieder ein. Was hat die Verlegerin damals so sehr aufgeregt? Waren da noch Restbestände aus der Familiengeschichte? Ihr Vater, Will Hanns Hebsacker, von den Franzosen 1945 zu einem der "Tagblatt"-Herausgeber bestimmt, war Kommunist, saß im Konzentrationslager Heuberg.
Streiks seien für Frate persönlich verletzend gewesen, eigentlich unverständlich, weil sie gut zu ihren Leuten war, erzählen langgediente Redakteure. Geht man deshalb juristisch gegen eine Bildunterschrift vor? Es könnte, sagen sie, womöglich eine Frage der Ehre sein. Sie selbst mag sich nicht äußern.
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Spielt keine Rolle
am 19.01.2024