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Hitze-Hotspot Karlsruhe

Kein Geld für alte Bäume

Hitze-Hotspot Karlsruhe: Kein Geld für alte Bäume
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In keiner deutschen Großstadt ist es öfter heiß als in Karlsruhe. Trotzdem sollen mitten in der Stadt knapp 50 Bäume gefällt werden, die Schatten und Kühle spenden. Eine Baumbesetzung hat die Diskussion neu befeuert.

Es ist schon am Vormittag heiß an diesem Augusttag in der Karlsruher Fußgängerzone. Auf der Straße sitzen Menschen in Cafés, in der Höhe sitzen fünf Menschen in den Bäumen. Kletterseile und Hängematten hängen um vier Platanen in der Karlsruher Kaiserstraße. Julius Hanisch seilt sich kurz ab, um zu erklären, warum er und seine Mitstreiter:innen in der Nacht auf die Bäume geklettert sind. "Es ist bekannt, dass es falsch ist, große, gesunde Bäume zu fällen", sagt der Student, in den Kletterseilen hängend. "Die Stadt muss ihre Planungen überdenken." Hanisch ist aktiv in der Gruppe "Karlsruher Platanen bleiben!", die gegen den Beschluss des Gemeinderats protestiert, 48 Platanen in der Kaiserstraße zu fällen.

Vor fast einem Jahr entschieden die Stadträte mehrheitlich, dass die knapp 50 Jahre alten Bäume weichen müssen, um die gebeutelte Einkaufsstraße nach dem Bau der unterirdischen Straßenbahn neu gestalten zu können. Während die Verwaltung darin eine "große Chance auf eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung" sieht, kämpfen mehrere Gruppen unter anderem mit einer Petition für den Erhalt der alten Bäume. Dies sei nicht möglich, argumentierte die Stadt mit den unterschiedlichsten Begründungen: Die Platanen hätten einen Schiefwuchs, ihre Äste seien von einem Pilz befallen, ihre Wurzeln erschwerten das nötige Gefälle bei starkem Regen. Von all den vorgebrachten Argumenten gegen den Erhalt der Platanen blieb nach langen Debatten letztlich nur noch eines übrig: Durch die nötige Neuverlegung der Leitungen würden die Wurzeln der alten Bäume zu stark beeinträchtigt.

Stadtverwaltung sieht sich durch Gutachten bestätigt

Klimagruppen drängten die Stadtverwaltung auch in diesem Argument zu einer Überprüfung. Nachdem die ersten vier Platanen gefällt waren, sollte ein Gutachten in der offenen Baumgrube prüfen, wie sehr die Bäume durch die neuen Leitungen geschädigt würden. Nach den Ende September veröffentlichten Ergebnissen konnte das bildgebende Georadarverfahren jedoch nur begrenzt Auskunft geben. Zwar waren die Hauptwurzeln der Bäume gut erfasst worden, doch bei den zahlreichen Nebenwurzeln ließe sich nicht klar unterscheiden, was Wurzel und was Leitung war, heißt es im Gutachten. "Aufgrund der unklaren und nicht ausreichend vorab detektierbaren Ausbreitung der Wurzeln bestehen eine Vielzahl an Konfliktpunkten im Untergrund", fasst das Tiefbauamt die Ergebnisse zusammen und sieht sich in seiner Sicht bestätigt. "An den Stellen, an denen die Wurzeln eng mit den Leitungen verwachsen sind, ist eine Trennung der Wurzeln ohne erheblichen Eingriff in die Statik und Versorgung des Baumes nicht möglich", teilte das Amt in einer Stellungnahme mit. Durch die neuen Leitungen würden die Standfestigkeit und Gesundheit der Platanen geschädigt.

Der Arzt und Künstler Klaus Heid kämpft mit dem Klimabündnis Karlsruhe seit einem Jahr für den Erhalt der Platanen. Für ihn sind längst nicht alle Fragen geklärt. "Da gibt es noch einiges an Diskussionsmöglichkeiten", sagt Heid mit Blick auf mehrere anstehende Sitzungen der politischen Ausschüsse und des Gemeinderats. Das Klimabündnis Karlsruhe hat drei eigene Sachverständige beauftragt, die das Gutachten der Stadt prüfen sollen. Aus deren ersten Untersuchungen bleibt für Heid ein Kernsatz haften: "Wenn man den Erhalt der Platanen wünscht, ist sicherlich vieles machbar."

Zum Beispiel ein anderes Bauverfahren, um die Leitungen verlegen und die alten Bäume schützen zu können. "Bislang wurde mit einer offenen Schachtbauweise geplant. Man kann Leitungen auch flexibel verlegen oder grabenlos unterirdisch durchschieben", bringt Heid eine geschlossene, unterirdische Bauweise ins Spiel. Das überzeugt die Stadt nicht. Neben der technischen Machbarkeit seien auch wirtschaftliche Aspekte für die Wahl der Methode der Leitungsverlegung entscheidend, heißt es auf Anfrage vom Tiefbauamt. Sprich: Die unterirdische Bauweise wäre zu teuer. Außerdem ermögliche die offene Bauweise einen besseren Überblick über die zahlreichen bereits verlegten Leitungen in der dicht bebauten Kaiserstraße. Im Rahmen der Neugestaltung sei dort ohnehin ein vollständiger Umbau der Straße geplant, die mit der Leitungsverlegung kombiniert werden könne.

Meiste Hitzetage bundesweit

Der Erhalt der alten Bäume ist für Heid eine Frage des "Menschenschutzes". Zwar wolle die Stadt 86 neue Bäume pflanzen, doch bis diese den abkühlenden Effekt und Hitzeschutz der bestehenden Platanen erreichen, würden mindestens 30 Jahre vergehen. "Die Kronen der neu gepflanzten Bäume werden erst in einer Generation vergleichbar Schatten spenden und eine entsprechende Wirkung auf das Mikroklima entfalten können", sagt Heid. Zwar verweise die Stadtverwaltung beim Hitzeschutz in der Innenstadt auf den Schatten der umliegenden Gebäude. Doch das reiche bei Weitem nicht aus, sagt Heid. "Es geht beim Hitzeschutz um Temperaturen und nicht nur um Schatten. Wenn man in einen Bereich ohne Bäume kommt, merkt man an einem Hitzetag sofort den Unterschied."

Und solche Tage gibt es in der Stadt schon heute oft. Karlsruhe hat die meisten Hitzetage aller Großstädte bundesweit. Durchschnittlich herrschten in den vergangenen 20 Jahren an 19,4 Tagen 30 Grad und mehr in der Stadt. Da für die Zukunft noch mehr Hitzewellen, Extremwetterereignisse, Dürren und Überschwemmungen erwartet werden, hat Karlsruhe im Gegensatz zu anderen Kommunen zwar eine Klimaanpassungsstrategie, aber keinen eigenen Etat dafür. Innerhalb der Stadtverwaltung ist nur eine Vollzeitstelle damit beschäftigt, Klimaanpassungsmaßnahmen zu planen und zu koordinieren, etwa die Begrünung durch Bäume und von Fassaden und Dächern. Zwar seien einige notwendige Maßnahmen identifiziert worden, um die Stadt trotz zunehmender Hitze lebenswert zu halten. Doch nicht alle davon sind finanziert, musste die Verwaltung in Reaktion auf die bundesweite Befragung von Correctiv, WDR, NDR und BR einräumen.

Für neue Bäume und Klimaanpassung fehlt das Budget

Fehlende Mittel sind auch die Ursache für zunehmend weniger Bäume in der Stadt. Seit 2016 wurden 8.557 Bäume im Stadtgebiet gefällt. Neu gepflanzt wurden im gleichen Zeitraum nur 6.879 Bäume, wie aus einer Antwort des Gartenbauamts auf Anfrage der Fraktion Freie Wähler/Für Karlsruhe hervorgeht. Viele Bäume wiesen Probleme bei der "Bruchsicherheit" auf, es bestehe die Gefahr, dass Äste herabstürzen, begründet das Gartenbauamt die zunehmenden Fällungen. Um Bäume neu pflanzen und den Bestand erhalten zu können, müssten "ausreichend personelle Ressourcen für Baumpflanzung, Baumpflege, Bewässerung und Kontrolle zur Verfügung stehen". Dies sei durch den hohen Pflegeaufwand in Folge des Klimawandels nicht immer der Fall, so das Amt.

Doch statt dem Gartenbauamt zusätzliche Ressourcen bereitzustellen, um Bäume zu pflanzen und zu pflegen und damit die Klimaerwärmung in der Stadt zu begrenzen, plant die Verwaltung, im nächsten Haushalt die Mittel für die Grünflächenunterhaltung zu kürzen. Mehr als eine halbe Million Euro sollen dabei ab dem kommenden Jahr eingespart werden. "Die Dringlichkeit des Klimaschutzes auch auf kommunaler Ebene wird immer wieder betont. Die vorgelegten Sparvorschläge entsprechen den festgestellten Notwendigkeiten aus unserer Sicht nicht", kritisiert die Linksfraktion auch andere Sparpläne im Bereich des Klimaschutzes. Auch die größte Stadtratsfraktion sieht noch Handlungsbedarf für die im Herbst beginnenden Haushaltsberatungen. "Maßnahmen der Klimaanpassung werden immer drängender. Hier hat die Stadt Karlsruhe schon eine gute Strategie, aber noch keine ausreichende Finanzierung", teilen die Grünen auf Anfrage mit.

Für die Kaiserstraße schließt die Stadtverwaltung bislang auch mobiles Grün und andere schattenspendende Elemente wie Sonnensegel aus. Diese seien zwar geprüft worden und technisch machbar. Es fehle aber auch hier an Geld. Mobile Grünanlagen gibt es in Karlsruhe bereits auf dem Marktplatz. Mit der Begründung, dass der neue U-Bahn-Tunnel eine feste Bepflanzung unmöglich mache, war bei der Neugestaltung des Platzes zunächst gänzlich auf Bäume verzichtet worden. Nach einiger Kritik installierte die Stadt dann mobiles Grün. Das Gartenbauamt beziffert allein die Kosten der 20 Palmen auf dem Marktplatz auf Anfrage auf knapp 40.000 Euro. Daher sieht Heid trotz der möglicherweise aufwendigeren unterirdischen Bauweise in der Kostenfrage einen Hoffnungsschimmer für die alten Bäume, die ab diesem Herbst gefällt werden sollen. Wenn sich die Politik für einen echten Hitzeschutz entscheide, könnten die Platanen doch kostengünstiger erhalten werden als wenn zusätzliche mobile Grünpflanzen angeschafft werden müssen, sagt er.

Auch Hanisch und seine Mitstreiter:innen der Gruppe "Karlsruher Platanen bleiben!" wollen nicht aufgeben. "Wenn die Stadt an ihrer Rodungsfantasie festhält, kommen wir zurück", kündigten sie nach dem Ende der mehrtägigen Baumbesetzung an.


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7 Kommentare verfügbar

  • Tabea Huber
    am 01.10.2023
    Antworten
    Die Stadtverwaltung hat nichts verstanden!
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