Lange schienen diese Toten niemanden zu interessieren. Während Frankreich seinen Hitzeschutz schon nach dem Sommer 2003 verbesserte, hängt Deutschland 20 Jahre später immer noch hinterher. Immerhin: "So langsam machen sich die Kommunen auf den Weg", sagt Grewe. Offenbach am Main, Erfurt, Köln und das rheinland-pfälzische Worms haben in den vergangenen drei Jahren Hitzeaktionspläne verabschiedet. Das Ziel: Die hitzebedingten Beschwerden und Todesfälle so weit wie möglich zu reduzieren. Dafür setzen sie vor allem auf Sensibilisierung, kleine Investitionen, mehr Vorbereitung und eine bessere Kommunikation – sowohl mit der Bevölkerung als auch innerhalb der Verwaltung. 2017 hatte das Bundesumweltministerium eine Blaupause für Hitzeaktionspläne veröffentlicht. In Kassel wurde man bereits vorher aktiv: Seit 2010 warnt ein Hitzetelefon ältere Menschen vor einer nahenden Hitzewelle.
Elf Jahre später kam mit Mannheim die erste Stadt in Baden-Württemberg dazu: Im Oktober 2021 beschloss der Gemeinderat einen Hitzeaktionsplan. Karlsruhe arbeitet derzeit an einem ähnlichen Konzept, Freiburg überlegt noch, und in Stuttgart fordert unter anderem die SPD, dass die Verwaltung eines erstellen soll. Im Austausch mit der Bevölkerung und mit wissenschaftlicher Begleitung wurden in Mannheim 31 Maßnahmen erarbeitet. Sie richten sich vor allem an diejenigen, die die Hitze besonders trifft: alte Menschen, kleine Kinder, Schwangere, Personen mit psychischen und physischen Erkrankungen und Behinderungen, Wohnungslose sowie alle, die draußen arbeiten. Auch für alle anderen hält der Plan Tipps bereit: Wie kleidet man sich am besten, wie kühlt man die Wohnung? Wann treibt man besser keinen Sport, und wie schafft man es, genug zu trinken? "Oft handelt es sich um Banalitäten, die eigentlich jedem Menschen bekannt sein sollten", sagt Hans-Guido Mücke vom Umweltbundesamt, einer der leitenden Autoren der Blaupause aus dem Jahr 2017. "Aber wir können leider nicht davon ausgehen, dass das Basiswissen allgemein vorhanden ist."
In vier Jahren zeigt sich die Wirkung
Seit Februar 2022 ist der Mannheimer Plan in der Umsetzung. Bisher wurde vor allem Infomaterial erstellt und beworben, das bislang allerdings nur online zugänglich ist. Neben Tipps zum richtigen Verhalten finden sich unter www.mannheim.de/hitzeschutz eine Liste mit kühlen Orten, darunter Kirchen, Museen, Kleingartenanlagen und Gewässer. Bald soll es das Ganze auch analog geben. Ein ähnliches Hitzetelefon wie in Kassel soll für den kommenden Sommer eingerichtet werden, und für alle, die beruflich oder privat mit Risikogruppen zu tun haben, sind künftig Schulungen geplant. Damit medizinisches Personal und Angehörige beispielsweise wissen, welche Medikamente bei Hitze anders dosiert oder gelagert werden müssen, und Erzieher:innen möglicherweise einen Trinkplan einführen. In der Innenstadt soll es dieses Jahr überdies weitere Trinkwasserbrunnen geben – vergangenen Sommer war lediglich einer am Alten Meßplatz eröffnet worden. Und einige der sozialen Einrichtungen der Stadt wurden bereits mit Sonnensegeln und Pavillons ausgestattet. "Das Budget reicht allerdings nicht, um den Bedarf zu decken", räumt Alexandra Idler von der Stadt Mannheim ein, die zusammen mit ihrer Kollegin Stephanie Müller für die Umsetzung der Maßnahmen zuständig ist.
Henny Annette Grewe schätzt, dass man in drei bis vier Jahren absehen kann, ob der Plan Wirkung zeigt. Einfach dürfte das allerdings nicht werden. Denn wie viele Menschen aufgrund der Hitze ins Krankenhaus müssen oder sogar sterben, sei in Deutschland aus Datenschutzgründen schwer herauszufinden, erklärt Hans-Guido Mücke vom Umweltbundesamt. Idler und Müller wollen daher auch auf qualitatives Feedback setzen – vor allem von den gefährdeten Gruppen. Sie rechnen nicht damit, dass der Plan jemals vollständig umgesetzt sein wird. "Ein Hitzeaktionsplan ist etwas Lebendiges", sagt Müller, er entwickle sich demnach ständig weiter.
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Ursu Jochim
am 17.05.2023Mit der Bevölkerung soll der entwickelt worden sein? Einbeziehung der Bevölkerung heißt in…