Haußner beschwört das großdeutsche Reich. Er sagt: "Wir verstehen uns als Volk entsprechend unserer Abstammung und unserer angestammten Siedlungsgebiete von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt." Diese Flüsse werden in der ersten Strophe des Deutschlandliedes besungen. Sie reichen in etliche Nachbarstaaten der Bundesrepublik; damit stellt Haußner die territoriale Integrität jener Staaten in Frage.
Währenddessen trägt der Moderator der Versammlung, offensichtlich von US-Präsident Donald Trump inspiriert, eine rote Schildkappe mit der Aufschrift "Make Germany Great Again". An der Seite der Kappe ist eine schwarz-weiß-rote Fahne angenäht. Vor Ort werden die Kappen verkauft, einige Teilnehmer:innen tragen sie. Man habe sich lange Zeit blenden lassen, sagt der Moderator, "dass unsere Großeltern Verbrecher waren" und "dass ein sogenanntes Kaiserreich eine Diktatur gewesen sein soll".
In der Versammlung werden die einzelnen Bundesstaaten präsentiert. Die Art und Weise ist bizarr: Oft sind bloß ein, zwei, drei Menschen mit Fahne und Schild ihres Bundesstaates da, um – während die Hymne des jeweiligen Staates abgespielt wird – eine Runde auf dem Karlsruher Schlossplatz zu drehen. Für das Großherzogtum Baden und das Königreich Württemberg hingegen treten mehrere Dutzend an. Später ziehen die "Reichsbürger" mit den Fahnen und Schildern durch die Innenstadt.
Das Heil im Reich
Die Teilnehmer:innen eint der Glaube an das Kaiserreich. Was eint sie noch? Im Pressegespräch vor der Demonstration erklärte Verena Fiebig vom "Kompetenzzentrum gegen Extremismus in Baden-Württemberg", die meisten "Reichsbürger" hätten im Zuge einer Lebenskrise in das Milieu gefunden. Krise im Job, Krise durch Erkrankung, Krise in der Ehe. Es seien "häufig multiple Problemlagen", erläuterte die Wissenschaftlerin. Krise bedeutet Kontrollverlust.
Die Ideologie der "Reichsbürger" gibt ein Stück weit die Kontrolle zurück. Sie verspricht – nichts weniger als – "Frieden, Freiheit, Souveränität". Mit dem Versprechen, die Kontrolle wiederzuerlangen, erlebt das Reichsbürger-Milieu seit Jahren einen starken Zulauf. Verena Fiebig merkte an, seit der Corona-Pandemie nehme der "Organisationsgrad der Szene" zu. Die "großen Treffen" sind Ausdruck wachsender Netzwerke.
Ausgerechnet eine Therapeutin, die Menschen in akuten Krisen helfen will, ist an der Organisation des "großen Treffens" beteiligt. Johanna B. wirbt im Netz: "Ich biete Dir eine traumasensible und wirksame Unterstützung in einer herausfordernden Lebenslage." Auf dem Schlossplatz hält sie eine Rede. Die Therapeutin erklärt, die Versammlungen würden das "Bedürfnis nach Freiheit" befriedigen. Und die Verfassung von 1871 würde Ordnung und Sicherheit erzeugen. Ihre Rede endet mit Applaus.
Man glaubt offenbar, das Heil im Reich zu finden.
2 Kommentare verfügbar
Philipp Horn
vor 17 StundenWenn die Leute so dumm sind, dem Ballweg das Geld hinterherzuschmeißen , sind sie selber schuld . Insofern kann der dafür nicht verurteilt werden & für fak news leider auch nicht.