Letzten Winter hat Oliver Gorus eine Beobachtung gemacht: "Eigentlich vernünftige Leute sahen nur noch schwarz", schreibt er, und fasst das, was er so gehört hat, wie folgt zusammen: "Das Land sei nicht mehr zu retten. Die Politiker seien ja doch nur Marionetten (…). In Wahrheit würden finstere Finanzoligarchen regieren, die den Untergang der Nationalstaaten in Mitteleuropa beschlossen hätten. Der totalitäre europäische Superstaat mit totaler Kontrolle und digitalem Zentralbankgeld komme sowieso. (…) Die Linken würden sowieso keine freien und ungefälschten Wahlen mehr stattfinden lassen. Wir würden in einer Demokratiesimulation leben (…). Und in ein paar Jahrzehnten würden hier ohnehin nur noch Immigranten leben, die europäischen Völker seien dem Untergang geweiht. Unausweichlich."
Was Gorus an diesen Analysen stört, ist der Fatalismus. Er stimmt zu, dass die Wirtschaft auf Talfahrt sei, "unsere Länder" sich auf einem "schlüpfrigen Pfad abwärts" befänden, "wir sind infiziert vom neomarxistischen Gedankenvirus". Karrierepolitiker hätten "eine neue arrogante Fürstenklasse gebildet", die Parteien seien "das Problem, nicht die Lösung" und die "Staatsfinanzen entwickeln sich wie ein Tumor". Aber die Hoffnung aufgeben, will er deshalb noch nicht. Und weil er "MACHEN" schon als Kind krasser fand als "wollen", hat Gorus den "Bürgergipfel 2024" initiiert. So will er am 7. September mit dem verbliebenen "Rest der produktiven Bürger" in der Stuttgarter Liederhalle Aufbruchstimmung und Zuversicht erzeugen. Er rechnet mit mindestens 1.000 Gästen.
"Wir sind in Sachen Seilschaften und Machtspielchen ungeschickt und schlicht zu ehrlich", schreibt Gorus in seiner Einladung. Das ist vielleicht etwas zu bescheiden: Denn das Netzwerken zählt offensichtlich zu den Stärken seiner Peergroup: Gorus selbst ist auf mehreren Feldern aktiv, unter anderem als Herausgeber des libertären Magazins "Der Sandwirt", das sich selbst im "konstruktiven Widerstand" verortet: "Seine Autoren verweigern jedem die Gefolgschaft, der sich über sie erheben und sie beherrschen will. Sie bieten jenen die Stirn, die sie mit Zwang und Gewalt zu Taten oder Unterlassungen nötigen, ihnen Meinungen vorgeben, ihnen gegenüber Privilegien beanspruchen und ihnen ihre Freiheit nehmen wollen."
Daneben ist er Mastermind der Gorus-Gruppe, zu der die Unternehmen Gorus Publicity, Gorus Media, Gorus Consulting und der Gorus Campus gehören. "Der Sandwirt" und Gorus Media firmieren nun als Gastgeber des Bürgergipfels, gemeinsam mit der libertären Atlas-Initiative (nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls libertären, aber viel größeren Atlas Network) und dem nationalkonservativen Onlinemagazin "Tichys Einblick". Namensgeber Roland Tichy ist ebenfalls begnadet darin, Kontakte zu pflegen: So war er viele Jahre Vorstandsvorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, Kuratoriumsmitglied der Hayek-Stiftung (nicht zu verwechseln mit der Hayek-Gesellschaft) und Mitglied der Mont Pelerin Gesellschaft, die sich alle für einen schlanken Staat und eine starke Wirtschaft aussprechen. Heute sitzt Tichy im Vorstand der Stiftung Meinung & Freiheit, zusammen mit Hans-Georg Maaßen, dem ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten und Parteivorsitzenden der Werteunion, die zwischen CDU und AfD oszilliert, und deren Förderverein den Bürgergipfel in Stuttgart sponsert.
Ein Gedicht für den "Reichsbürger"-Prinzen
Das zweitberühmteste Gesicht, das mit der Werteunion in Verbindung gebracht wird, ist vermutlich Markus Krall – der allerdings wenige Tage, nachdem aus dem Verein im Februar 2024 eine Partei wurde, schon wieder austrat. Er sei mit der programmatischen Ausrichtung unzufrieden gewesen, erklärte er den Schritt. Krall ist Gründer der mitveranstaltenden Atlas-Initiative und tritt bei dem Bürgergipfel als Redner auf. Als Autor schreibt er öfter mal für "Der Sandwirt", aber auch für "Tichys Einblick", wo seine Expertise geschätzt wird: So wollte der Verein Pro Mittelstand Hamminkeln, Regierungsbezirk Düsseldorf, eigentlich Roland Tichy als Redner für den Neujahrsempfang 2020 gewinnen. Als dieser aber krankheitsbedingt absagen musste, vermittelte sein Büro kurzerhand Krall als Ersatz. Er warb dann in Hamminkeln für eine "bürgerliche Revolution" und stellte seine Idee vor, Sozialhilfeempfängern das Wahlrecht zu entziehen. Sehr zum Missfallen der örtlichen CDU, deren Vorsitzender beim traditionellen Fischessen des Stadtverbands gegenüber der Presse Kritik laut werden ließ: "Radikale Politik ist immer schlecht."
3 Kommentare verfügbar
Klaus Zerkowski
vor 2 WochenHerr Gorus meint zwar keine…