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"Compact"-Verbot

Wieder durch die Hintertür

"Compact"-Verbot: Wieder durch die Hintertür
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Das rechtsextreme "Compact"-Magazin betrieb einen abstoßenden Schmierenjournalismus, der seine menschenverachtende Hetze absichtlich mit Falschinformationen unterfütterte. Die Art und Weise, wie die Publikation nun verboten wurde, hält unser Autor dennoch für problematisch.

Bei der inhaltlichen Bewertung ist der Bundesinnenministerin voll und ganz zuzustimmen: Das "Compact"-Magazin sei "ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene", erklärte Nancy Faeser (SPD) am vergangenen Dienstag: "Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie." In boulevardesker Manier vermengen sich bei "Compact" Wahlwerbung für die AfD, Verschwörungsgeraune, mal mehr mal minder codierter Antisemitismus und rassistische Hetze insbesondere gegen Muslime mit einer Verharmlosung des Nationalsozialismus und absichtlich gestreuten Lügen. Chefredakteur Jürgen Elsässer erläuterte dazu einmal im Gespräch mit dem RBB: "Es werden Erzählungen gemacht, es werden Märchen und Allegorien formuliert, die dann wabern. Es ist nicht die Wahrheit, aber es hält sozusagen die Volksseele, den Volksdiskurs am Laufen."

Beispielsweise durfte in "Compact" auch mal ein früheres SS-Mitglied einen Versuch starten, seine "verleumdete Truppe" reinzuwaschen, an anderer Stelle wurde das Massaker von Srebrenica von 1995, bei dem über 8.000 Bosniak:innen ermordet wurden, bejubelt als "militärisch glänzende Operation zur Stürmung einer schwer bewaffneten Islamistenfestung – der letzte militärische Sieg des christlichen Europa gegen den erneut vordringenden Islam". In diesem Umfeld behauptete dann auch der medial dauerpräsente Polizeigewerkschafter Rainer Wendt, die Diskriminierung von Frauen gehöre "fast zu den genetischen Grundbausteinen" junger Muslime.

Während "Compact" andere Medien gerne als "Lügenmedien" diffamierte und ihnen eine einseitige Parteinahme für die meist als "Regime" bezeichnete Bundesregierung unterstellte, erklärte der Chefredakteur beim Werben um Spenden frank und frei: "Wenn Sie uns unter die Arme greifen wollen, damit wir der AfD unter die Arme greifen können und dieses blaue Wunder 2024 möglich machen, dann zögern Sie nicht, uns zu helfen." Im "Compact"-Shop gab es Devotionalien in Form eines "patriotischen und wertbeständigen" Höcke-Talers aus Silber zu erwerben, auch eine "Heldenmedaille" für Donald Trump war geplant. Eine Veranstaltungsreihe von "Compact" mit vielen AfD-Abgeordneten auf der Bühne hatte die Partei so offenkundig unterstützt, dass Zweifel an der Legalität aufkamen und sich die AfD zu einer Abmahnung genötigt sah. Jürgen Elsässer musste daraufhin offiziell klarstellen, dass es sich bei der Veranstaltungsreihe "Die blaue Welle rollt" definitiv "nicht um Wahlwerbung für die AfD" handle (Kontext berichtete).

Kurzum: Das Magazin gehörte zu den übelsten Erzeugnissen, das die deutschsprachige Medienlandschaft hervorgebracht hat. Vergangenen Dienstag wurde "Compact" vom Bundesinnenministerium verboten, was Ministerin Faeser als "harten Schlag gegen die rechtsextremistische Szene" bezeichnet. Dieser Schritt mache klar, "dass wir auch gegen die geistigen Brandstifter vorgehen, die ein Klima von Hass und Gewalt gegenüber Geflüchteten und Migranten schüren und unseren demokratischen Staat überwinden wollen".

Problematischer Kunstgriff: Vereinsverbot

Nun ist es ungefähr so angenehm wie in eine Nacktschnecke zu beißen, die heimlich in die Chipstüte am Lagerfeuer gekrochen ist, den Staat ausgerechnet dann zu kritisieren, wenn er sich mal in praktischem Antifaschismus übt – erst recht, nachdem "Compact" seit der Gründung 2010 weitgehend unbehelligt hetzen konnte. Allerdings haben die Behörden bei ihrem aktuellen Vorgehen einen problematischen Kunstgriff angewendet. So berichtet die "Süddeutsche Zeitung": "Ein Verbot galt als schwierig durchsetzbar, hieß es hinter vorgehaltener Hand aus Sicherheitsbehörden." Denn Medien genießen in der Bundesrepublik einen besonderen Schutz vor staatlichen Eingriffen.

Daher wurde nun die "Compact-Magazin GmbH" nicht über ein Medien-, sondern über ein Vereinsverbot aufgelöst. Um das möglich zu machen, wird das für die Veröffentlichungen verantwortliche Unternehmen als ein Verein behandelt, der sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, und die weitergehende Betätigung dieses Vereins unter Strafe gestellt. Das weist Parallelen zum Verbot der linksradikalen Open-Posting-Plattform "linksunten.indymedia" auf, die 2017 ebenfalls über das Vereinsrecht stillgelegt worden ist. Damals bemängelte die NGO "Reporter ohne Grenzen", dass die Bundesregierung ein Medium "durch die Hintertür des Vereinsrechts komplett verbietet und damit eine rechtliche Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umgeht".

Auch die überwiegend von Jurist:innen betriebene Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) kritisierte das "linksunten"-Verbot, obwohl auf der Plattform strafrechtlich relevante Inhalte verbreitet wurden. Dennoch hätte der Staat zunächst mildere Maßnahmen ergreifen müssen, bevor er die gesamte Plattform vom Netz nimmt – etwa durch Sperrverfügungen gegen einzelne Artikel. Dabei verwies die GFF auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2009. Damals klagte ein türkisches Medium, das wegen angeblicher Billigung terroristischer Verbrechen wiederholt für Zeiträume von 15 Tagen bis zu einem Monat verboten worden war. Das Gericht betonte, dass einzelne Artikel, die strafrechtliche Grenzen überschreiten, durchaus verboten werden dürfen. Dennoch interessierten sich die Richter:innen im damaligen Fall überhaupt nicht für die Inhalte, die damals verbreitet wurden, sondern stellten klar, dass der Präventivschlag gegenüber zukünftigen Publikationen ohne Kenntnis dessen, was genau eigentlich veröffentlicht werden soll, zu weit gehe: "Die Praxis, die zukünftigen Veröffentlichungen eines ganzen Periodikums zu verbieten, überschreitet jedes Maß einer 'notwendigen' Beschneidung [der Meinungsfreiheit] in einer demokratischen Gesellschaft", hieß es damals über die wohlgemerkt befristeten Verbotszeiträume der klagenden Publikation.

Mit "Compact" wurde nun ein Medium aus dem Verkehr gezogen, dem der Autor keine Träne nachweint. Dass der Staat aber – wie auch bei "linksunten" – den Problemkomplex eines Medienverbots erneut umschifft, indem ein Verein konstruiert wird, hat trotzdem einen Beigeschmack: Denn wenn sich diese Methode einmal etabliert, wird es wohl nicht bei der heutigen Zahl von Verboten bleiben. Wenn das Bundesinnenministerium auf diesem Wege die Entscheidungsgewalt erlangt, welche Publikationen legitim sind, ergibt sich dadurch ein erhebliches Missbrauchspotenzial. Das zu kritisieren, kostet viel Überwindung, wenn es wie bei "Compact" die Magazin gewordene Jauchegrube der deutschen Journaille trifft. Aber dass die juristische Infrastruktur schon vorhanden ist, durch die zweifelhafte Konstruktion von Vereinen Medien komplett und unbefristet zu verbieten, ist eine sehr beunruhigende Vorstellung – gerade mit Blick darauf, dass die "Compact"-Lektüre auch in Teilen des staatlichen Sicherheitsapparats beliebt war und sich Machtverhältnisse jederzeit wandeln können.

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11 Kommentare verfügbar

  • Josef Heimann
    am 23.07.2024
    Antworten
    Dass Unternehmen als Vereinigung verboten werden können, ist klar und unproblematisch. Für Zeitungen, Zeitschriften und Sender gilt aber die Meinungsfreiheit in Wort, Bild und Schrift, die nur durch Strafgesetze ihre Schranken findet. Außerdem gilt das Zensurverbot. Wie will man diese juristische…
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