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Privatisierung der Majolika

Rettung gescheitert

Privatisierung der Majolika: Rettung gescheitert
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Zwei Jahre nach der Privatisierung steht die Karlsruher Majolika-Manufaktur vor dem Ende. Nach dem Absprung von Investor Christoph Gröner bleiben Mietschulden, eine gekündigte Belegschaft und die stillgelegte Produktion eines Traditionsprodukts. Gibt es trotzdem noch Hoffnung?

Gastgeschenke spiegeln häufig die Kultur und Tradition des Gastes wider. Als der Karlsruher Kulturbürgermeister Albert Käuflein (CDU) im Juni bei einer Bürgermeisterkonferenz in New York weilte, entschied er sich für eine Majolika-Fliese. "Ich bin Karlsruher und mag die Majolika und ihre Produkte", sagt Käuflein zu seiner Geschenkwahl. Die Keramikkunst aus der Majolika-Manufaktur ist seit 120 Jahren ein wichtiger Bestandteil der Karlsruher Kulturgeschichte. Vor zwei Jahren ging die Manufaktur erstmals in private Hände. Jetzt entschied der Immobilienunternehmer Christoph Gröner, die Keramikproduktion einzustellen.

Als Gröner im Sommer 2022 den Betrieb übernahm, war Kulturbürgermeister Käuflein noch voller Optimismus. Er habe ein "gutes Gefühl", gab er zu Protokoll. Und er gehe davon aus, dass der Investor "die traditionsreiche Manufaktur in eine gute Zukunft führen wird." Als Mitglied des Majolika-Stiftungsrats war er an der Entscheidung beteiligt, die Majolika-Manufaktur für 50.000 Euro an den in Karlsruhe geborenen Gröner abzugeben. Ohnehin war man auf Seiten der Majolika-Stiftung, die bei ihrer Gründung durch die Stadt Karlsruhe subventioniert worden war, voll des Lobes. "Die Gröner Group ist ein sehr aktives, äußerst erfolgreiches Unternehmen mit zahlreichen Großprojekten und bedeutenden städtebaulichen Vorhaben in und um Karlsruhe", sagte der Stiftungsvorstand Klaus Lindemann.

Immobilienunternehmer trifft Keramik

Die Idee des Immobilienunternehmers für die Fortführung der Majolika? Die Räume auf dem Gelände freiräumen und entwickeln. Aus den Mieteinnahmen sollte der Betrieb der Manufaktur bezuschusst werden. Um die nötigen Einnahmen zu erzielen, brauchte Gröner den Zugriff auf die Majolika-Immobilie, die sich noch im Eigentum des städtischen Tochterunternehmens befindet. Nur so sei die Keramikproduktion zu retten, gab sich Gröner überzeugt. "Aus wirtschaftlicher Sicht ist ein solcher Betrieb nicht zu unterhalten", sagte er gegenüber Kontext.

Doch es kam anders. Knapp sechs Monate nach der Übernahme war die Majolika-Manufaktur im freien Fall: eine faktisch eingestellte Produktion, abgebrochene Aufträge, die Auflösung des Bildungs- und Kursprogramms und eine Belegschaft, die vergeblich nach Verantwortlichen suchte. In der Majolika gab der Karlsruher Immobilienunternehmer Thomas Heeger den Ton an. Ein ehemaliger Vertrauter Gröners, der sich mit diesem nach gemeinsamen Geschäften und einer Korruptionsaffäre in den Nullerjahren schon die Anklagebank teilte. In der Majolika trat er unter dem Namen Thomas Scherer auf. Nachdem Kontext dies im Februar 2023 öffentlich machte, wurden die Belegschaft und Käuflein informiert, dass sich der Investor zurückziehen wolle.

Kampf um das städtische Grundstück

Der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) intervenierte. In Berlin traf er sich mit Gröner direkt. "Die Ankündigung einer Abwicklung der Majolika ist vom Tisch", sagte Mentrup danach. Gröner habe ihm versichert, die Majolika-Immobilie weiter erwerben zu wollen. Kurz darauf besuchte Gröner im März 2023 erstmals die Majolika, entschuldigte sich und versprach, sich mit dem Gröner Family Office künftig selbst um den Betrieb und die angestrebte Übernahme der Immobilie zu kümmern. Mit einer Verkleinerung der Manufaktur sowie der Quersubventionierung ihres Betriebs durch die Vermietung ungenutzter Flächen an Start-Ups, als Boardinghouses und Kursräume wolle er die Majolika erhalten. Das von der Stadt für die Abgabe der Immobilie verlangte schriftliche Konzept blieb er aber ebenso schuldig wie Nebenkostenzahlungen in Höhe von 40.000 Euro seit seiner Übernahme.

Ein Jahr nach der Majolika-Übernahme kam Gröner im September 2023 wieder nach Karlsruhe und präsentierte den Gemeinderäten im städtischen Majolika-Begleitgremium seine Pläne. Um die Majolika-Immobilie zu erhalten, ist er auf die Zustimmung des Gemeinderats angewiesen. Die städtische Immobilie sollte nach ihrem Willen aber nur in Erbpacht abgegeben werden. In den Preisvorstellungen für die Immobilie lagen die städtischen Vertreter:innen und Gröner weit auseinander. Ein "Kuhhandel vor dem Gremium" sei der Besuch Gröners gewesen, erfuhr Kontext aus Teilnehmendenkreisen. Gröner gab sich derweil selbstbewusst. Den geforderten Wirtschaftsplan hatte er zwar nicht dabei, dafür setzte er der Stadt ein Ultimatum. Binnen 18 Monaten wolle er die Immobilie übernehmen, sonst müsse er die Manufaktur abwickeln, sagte Gröner den Gemeinderäten. Die Majolika-Manufaktur warb derweil auf ihrer Internetseite noch im September vergangenen Jahres mit Osterdekorationen und verkürzte ihre Öffnungszeiten um die Hälfte.

Mehrheit gegen Gröner

Nachdem Gröner einige Wochen später einen Wirtschaftsplan zur Fortführung der Manufaktur präsentierte, wurden die Verhandlungen zur Übernahme der Majolika-Immobilie wieder intensiviert. Mieteinnahmen in Höhe von einer Million Euro pro Jahr sollten die prognostizierten Verluste der Manufaktur mehr als auffangen. Gröners Pläne stießen jedoch wegen fehlender Parkplätze für die angestrebten Appartements, Büros und sonstigen Räume sowie wegen des angrenzenden Naturschutzgebiets an Grenzen. Das Stadtplanungsamt brachte ein Parkhaus ins Spiel. Hierfür gebe es jedoch keinen Platz, hieß es von der zuständigen städtischen Gesellschaft KVVH. In den auch in Sachen Kaufpreis zunehmend festgefahrenen Verhandlungen wollte sich OB Mentrup bei den Gemeinderatsfraktionen versichern, ob sie überhaupt bereit seien, die Majolika-Immobilie noch an Gröner abzugeben. Eine Mehrheit lehnte das ab. Der Weg zur Immobilie war so zumindest mit den bisherigen Plänen für Gröner verschlossen.

Der Immobilieninvestor machte noch im Mai öffentlich Schluss. Auf Kontext-Anfrage dazu antwortete eine Anwaltskanzlei für Gröner, das Gröner Family Office und die Gröner Group: "Infolge der Verweigerungshaltung der Stadt bleibt unserer Mandantin nichts anderes übrig, als sich als Investor zurückzuziehen. Die Schließung dieses außergewöhnlichen Kulturgutes ist damit leider unvermeidbar." Pro Monat müsse Gröner bis zu 40.000 Euro für den Betrieb der Majolika zuschießen. Diese Zuschüsse müsse er einstellen, da es ohne die Immobilie unmöglich sei, das Konzept zur Rettung der Majolika-Manufaktur über Quersubventionierung umzusetzen. Für Gröner gehe es jetzt auch darum, sein eingesetztes Kapital zurückzuholen. "Derzeit läuft die Verwertung des Inventars, durch die eine Refinanzierung des eingesetzten Eigenkapitals in Höhe von 600.000 Euro erzielt werden soll", heißt es vonseiten seines Anwalts.

Der sechsköpfigen Belegschaft der Majolika wurde bereits vollständig gekündigt. Teilweise stehen den ehemaligen Beschäftigen aber durch die lange Betriebszugehörigkeit noch bis Ende des Jahres Gehaltsansprüche zu. Diese wolle Gröner begleichen, versicherte sein Anwalt. Seit der öffentlichen Ankündigung zahlt Gröner allerdings die fällige Miete an die städtische Gesellschaft KVVH nicht mehr. "Hinsichtlich des Mietvertrages wurde Stillschweigen vereinbart", sagte Gröners Anwalt dazu nur.

Zukunft der Majolika ungewiss

Kulturbürgermeister Käuflein zeigt Verständnis für den Rückzug des Investors. "Christoph Gröner war zwei Mal persönlich im gemeinderätlichen Begleitgremium Majolika. Leider ist es ihm nicht gelungen, die Stadträtinnen und Stadträte von seinen Ideen für das Areal zu überzeugen", sagt er gegenüber Kontext. Die Stadtverwaltung suchte mehrfach das Gespräch mit dem Unternehmer und seinem Family Office. Auch der Oberbürgermeister traf sich mit Gröner. Zuletzt soll Gröner zugesichert haben, Gespräche mit interessierten Investoren führen zu wollen. Über die bald sechsstelligen offenen Forderungen aus Miete und Nebenkosten wurde jedoch keine Vereinbarung erzielt. "Der Aufsichtsrat der KVVH wird sich mit dem weiteren Verfahren mit Blick auf die offenen Forderungen der Majolika gGmbH befassen", erklärte die Stadtverwaltung auf Kontext-Anfrage.

Geschichte der Majolika in Karlsruhe

1901 gründete der badische Großherzog Friedrich den Betrieb als "Großherzogliche Majolika-Manufaktur". Lange war das Land Baden, dann Baden-Württemberg Eigentümer, bevor 1999 die Landesbank übernahm. Im Zuge der Finanzkrise trennte sich die Bank 2011 von der Manufaktur und gab sie für einen symbolischen Euro in die Hände der Stadt Karlsruhe, die sie ihrerseits in eine Stiftung übertrug. Die Immobilie wurde von der städtischen Gesellschaft KVVH übernommen. Der Betrieb der inzwischen gemeinnützigen Majolika-Manufaktur wurde bis 2022 von der Stadt bezuschusst. Der Zuschuss floss zum größten Teil als Miete zurück an die Stadt. Im Sommer 2022 übernahm das Family Office des Immobilienunternehmers Christoph Gröner die Manufaktur. Im Mai 2024 gab er bekannt, die Majolika aufgeben zu wollen.  (kau)

Für Gröner dürfte die Zukunft der Majolika derzeit aber nur eine untergeordnete Rolle spielen. In den letzten Wochen beschäftigten ihn mehrere Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen Gesellschaften aus dem Gröner-Konzern. Zwei Fälle werden gegenwärtig noch vom eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalter geprüft, eines wurde zwischenzeitlich durch eine Zahlung als erledigt erklärt. Außerdem befindet sich gerade ein Gemälde aus Gröners Besitz in einer Zwangsversteigerung, nachdem es von einem Gerichtsvollzieher in einem Firmengebäude eingezogen wurde. Und darüber hinaus meldeten sich beim Wirtschaftsmagazin "Handelsblatt" und der Wochenzeitung "Zeit" einige Gläubiger Gröners zu Wort. Neben einer Handvoll Handwerksfirmen würden auch sein langjähriger Coach und sein PR-Berater schon länger auf ihr Honorar warten. Mehrere Gläubiger versuchen demnach, auf juristischem Weg an das Geld zu kommen, das Gröner ihnen nicht zahlen will oder kann. Gröners Anwalt hält das für "medial aufgebauschte Einzelepisoden". Die vorgebrachten Forderungen seien allesamt unberechtigt oder mindestens strittig. Vielmehr bewähre sich die Gröner Unternehmensgruppe in der gegenwärtigen Krise erfolgreich.

Zumindest für die Zukunft der Majolika hält Gröner den Schlüssel noch in den Händen. Sein Mietvertrag läuft noch bis 2026 und ist nach Angaben der Stadtverwaltung bis dato nicht gekündigt. Um die Majolika-Manufaktur noch zu retten, muss er sie abgeben. "Die Stadt kann und darf sich nicht direkt finanziell engagieren. Die Stiftung hat nicht die erforderlichen Mittel. Bleibt also nur ein privater Investor oder Mäzen", sagt Kulturbürgermeister Käuflein. Im Karlsruher Sparhaushalt hatte zuletzt schon Oberbürgermeister Mentrup für eine Ausweitung des Mäzenatentums zum Erhalt der kulturellen Vielfalt aufgerufen. Interesse an einer Fortführung der Majolika-Manufaktur gibt es nach Kontext-Informationen. Auch Käuflein bestätigt verschiedene Gespräche darüber. Der Ausgang sei aber offen. Gelingt es nicht, die Majolika in andere Hände zu geben, muss sich nicht nur der Karlsruher Kulturbürgermeister neue Gastgeschenke für seine Reisen suchen.

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1 Kommentar verfügbar

  • Mainhesse
    am 18.07.2024
    Antworten
    Die Stadt hat 2011 quasi umsonst die Firma und das Gebäude bekommen.
    Und seither war sie nicht fähig, ein tragfähiges Konzept zu entwickeln.
    Ganz im Gegenteil, sie hat sich bzw. für eine städtische Gesellschaft, die Liegenschaft unter den Nagel gerissen.

    Ein von außen kommender Investor will…
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