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Majolika am Scheideweg

Keramik, Start-ups oder kulturelle Bildung?

Majolika am Scheideweg: Keramik, Start-ups oder kulturelle Bildung?
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Nach einem chaotischen Start seiner Übernahme der Karlsruher Majolika-Manufaktur versucht der Immobilienunternehmer Christoph Gröner, Keramik-Produktion und Immobilie in den Griff zu bekommen. Was genau er vorhat, bleibt ein Rätsel. Andere kämpfen derweil für den Erhalt der Majolika als Kultur- und Bildungsstätte.

Die vergangenen Wochen waren für Christoph Gröner turbulent. In einem Schreiben an die Bundestagspräsidentin forderte Transparency International Mitte Mai die Überprüfung mehrerer Spenden von Gröner an die Berliner CDU. Insgesamt 820.000 Euro hat der Immobilienentwickler 2020 an den Wahlsieger der jüngsten Abgeordnetenhauswahlen gespendet und dies zumindest in öffentlichen Interviews von Bedingungen abhängig gemacht. "Ich habe der CDU drei Bedingungen gesetzt", sagte Gröner 2021 gegenüber dem "Deutschlandfunk". Eine der im Interview von ihm genannten Voraussetzungen war, dass die Berliner CDU den damals noch geltenden Mietendeckel reformiere. Dies "betrifft direkt Herrn Gröners privatwirtschaftliche Tätigkeit als Immobilienunternehmer" schreibt Transparency International und hegt den Verdacht von "Korruption und sachwidriger Einflussnahme auf die Parteiarbeit".

Gröner bestreitet, mit der Spende eine konkrete Gegenleistung erwartet zu haben. "Ich habe mit den Spenden niemals eine Bitte oder eine Forderung gestellt", sagte er vor knapp einem Monat im Interview mit dem "Tagesspiegel". Wenn doch, sei das "im Affekt" geschehen. Die Bundestagsverwaltung prüft die Spende derzeit. Zur Dauer dieses Prüfverfahrens lägen aber "keine verallgemeinerungsfähigen Erfahrungen vor", hieß es auf Nachfrage von Transparency International.

Dazu verabschiedete sich die Gröner Group Mitte Mai von einem lange gehegten Ziel, dem Börsengang. Der geschieht nun nicht, und die Firma trennte sich von ihrem Finanzvorstand. "Tatsächlich lassen es die aktuellen Marktgegebenheiten nicht zu, dieses Ziel gegenwärtig umzusetzen", sagte Gröner zu der "Verschlankung" des Vorstands. Neben ihm ist dort nur noch der einstige Kanzleramtsminister und Bahnvorstand Ronald Pofalla (CDU) vertreten. Den fünfköpfigen Beirat der Firmengruppe schmücken mit Ex-Ministerpräsident und Ex-EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) sowie Ex-Bahnchef Rüdiger Grube weitere einflussreiche Lobbyisten.

Die Entscheidung zeigt, wie schwer sich Immobilienkonzerne angesichts steigender Leitzinsen derzeit mit der Akquise neuen Kapitals tun. "Nun, da die Zinsen bis zu vier Prozent betragen, wenden sich die Institutionen ab", klagte Gröner in einem Gastbeitrag in der "Leipziger Volkszeitung". Er fürchtet dadurch einen "Preisverfall und mögliche Verluste" für Immobilieneigentümer.

Hohe Verluste in der Produktion

Inmitten der Krisenstimmung auf dem Immobilienmarkt muss sich Gröner in Karlsruhe mit anderen, leicht zerbrechlichen Gewerken beschäftigen. Nachdem Kontext-Recherchen im Frühjahr die vielen Missstände in der Majolika-Manufaktur aufgedeckt hatten, übernahm der Eigentümer selbst die Geschäftsführung der im Sommer letzten Jahres erworbenen Keramikproduktionsstätte. Seither besuchte er das im Karlsruher Hardtwald gelegene Gelände zwei Mal. Vor Ort sollen zwei Männer aus seinem Umfeld der Immobilienbranche die Keramik-Produktion aus den roten Zahlen holen. Eine große Aufgabe, zumal sie parallel in anderen Geschäften der Gröner Group und des Gröner Family Offices beschäftigt sind.

Die Produktion in der Majolika-Manufaktur ist hochdefizitär. In der zuletzt veröffentlichten Bilanz aus dem Jahr 2020 weist die Gesellschaft bei einer Bilanzsumme von etwa 400.000 Euro einen Verlustvortrag von über zwei Millionen aus. Unter der Führung der neuen Eigentümer wurde noch kein aktuellerer Jahresabschluss erstellt, so dass das Gröner Family Office hier in Kürze eine Strafzahlung wegen Verstoßes gegen die Offenlegungspflichten erwarten dürfte. Eine der Maßnahmen der vorherigen Geschäftsführung war die Umwandlung der Majolika-Manufaktur in eine gemeinnützige Gesellschaft, wodurch zusätzliche Einnahmen durch Spenden generiert werden sollen. Ob Gröner am gemeinnützigen Status festhält, ist offen. Wenn nicht, könnten auch hier nachträgliche Steuern und Rückerstattungen an die Spender:innen fällig werden.

Doch diese Nachzahlungen dürften im Vergleich zu den nötigen Investitionen in den Betrieb der Manufaktur zu vernachlässigen sein. Nachdem Gröner die Manufaktur für einen dem Vernehmen nach fünfstelligen Betrag übernommen hat, wurden Aufträge abgebrochen und die Produktion faktisch eingestellt. In den vergangenen Wochen wurde die Produktion von Keramik-Produkten wie Fliesen und Vasen wieder aufgenommen. Die Keramik-Öfen sind aber wie fast die gesamte Technik der Manufaktur veraltet und müssten erneuert werden. Entsprechend hoch soll aktuell der Ausschuss sein. Ohnehin glaubt kaum jemand an eine profitable Keramik-Produktion in der Majolika. Der Immobilienunternehmer Gröner setzt daher auf eine Quersubventionierung. Vermietungen, Gröner nennt beispielhaft Start-ups, Boardinghouses, Kursräume oder ein Kino sollen die defizitäre Produktion finanzieren. Allein – noch fehlt ihm dazu der Zugriff auf die Immobilie.

Kein Konzept und intransparente Verhandlungen

Denn die gehört noch der städtischen Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs- und Hafen-Gruppe (KVVH), so dass der Karlsruher Gemeinderat einer Veräußerung des Grundstücks zustimmen müsste. Erst Ende vergangenen Jahres bekräftigte das Gremium, das traditionsreiche Gelände nur in Erbpacht abgeben zu wollen. Voraussetzung dafür müsse aber ein Gesamtkonzept für die Majolika sein, und das sollte bis Anfang Juni da sein. Auch knapp neun Monate nach dem Kauf legte die Gröner Family Office GmbH ein solches Konzept noch nicht vor, teilte die Stadtverwaltung auf Kontext-Anfrage mit. Gröner selbst wollte sich zu dieser und anderen Fragen nicht äußern. "Derzeit befinden wir uns in Abstimmung mit den jeweiligen Entscheidungsträgern und Akteuren und bitten daher um Verständnis, dass wir in laufenden Gesprächen im Vorfeld nicht öffentlich mit der Presse kommunizieren werden", teilt eine Sprecherin der Gröner Group mit.

Bis dato laufen die Verhandlungen über die Erbpacht ausschließlich zwischen der Unternehmensleitung und der Stadtspitze. Schon im März wurde die Abwicklung der Majolika erst in einem Gespräch des Karlsruher Oberbürgermeisters Frank Mentrup (SPD) mit Gröner in Berlin gestoppt. In der vergangenen Woche sollten dann eigentlich erste Gespräche mit der Immobilieneigentümerin KVVH stattfinden, die aber kurz zuvor von den Gröner-Vertretern abgesagt wurden. Das Verhältnis gilt nicht nur durch die schon lange ausstehenden Mietzahlungen als belastet. In den ersten Monaten nach der Übernahme liefen große Mietrückstände auf, wie auch die Stadtverwaltung bestätigt: "Seit April erfolgen die Zahlungen der Grundmiete und der Nebenkosten. Zahlungsrückstände aus den vergangenen Monaten sind noch vorhanden."

Auf Gröners Seite werden fehlende Unterlagen und Baupläne beklagt. Unzulängliche Bauunterlagen bestätigt auch ein von der Stadt beauftragter Gutachter, der im Kontext-Gespräch neben fehlenden Unterlagen zudem ein aus seiner Sicht unzulässiges Brandschutzgutachten bemängelte. Auch die Auflagen des Arbeitsschutzes seien nur unzureichend erfüllt.

Allen Unklarheiten zum Trotz hofft Gröner auf ein lukratives Geschäft, das vor allem von den Bedingungen der Erbpacht abhängt. Bei der Laufzeit zwischen knapp 30 (Stadt) und 99 (Gröner) Jahren bestehen ebenso unterschiedliche Vorstellungen wie bei der Höhe der Erbpacht. Eine jährliche Zahlung von 36.000 Euro und eine Einmalzahlung in Höhe von zwei Millionen Euro für 100 Jahre soll eine der möglichen aktuellen Varianten sein, über die verhandelt wird. Die monatlichen Mieteinnahmen der KVVH aus dem Majolikagelände betragen laut Stadtverwaltung derzeit etwa 23.000 Euro. Ohne die Miete für die Manufaktur (ca. 100.000 Euro) könnte Gröner damit schon ohne zusätzliche Räume mit jährlichen Mieteinnahmen von etwa 170.000 Euro rechnen.

Beim Bildungsort Majolika macht das Land nicht mit

Noch versuchen einige, eine Zukunft für die Majolika jenseits der Privatisierung zu erreichen. In einem Brief forderten die Rektoren der drei Karlsruher Hochschulen von der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne), die Majolika als Ort des Kunsthandwerks zu erhalten und durch langfristige Kooperationen finanziell zu unterstützen. Seit Jahren würden in der Majolika Keramik-Kurse und Projekte für Schulklassen und Studierende der Hochschulen angeboten. "Durch den Verkauf der Majolika an einen privaten Investor und dessen aktuelles Konzept ist all das und die lange kulturelle Geschichte dieses Ortes in Gefahr. Dagegen müssen wir jetzt etwas tun", heißt es auch in einer aktuellen Petition des Asta der Kunstakademie. Die in der Majolika angebotenen Keramik-Seminare und die Wartelisten seien regelmäßig voll, sagt Christina Greipel, Professorin an der Kunstakademie. "Es gibt in dieser Generation ein großes Bedürfnis, mit den Händen zu arbeiten. Im Keramik-Bereich sind die räumlichen Möglichkeiten in der Kunstakademie unzureichend. Die Majolika wäre dafür der Ort schlechthin." Die Landesregierung hat bereits jegliche finanzielle Beteiligung an diesem Konzept abgelehnt.

In der kommenden Woche, am 21. Juni, wird im Kulturausschuss des Gemeinderats über einen Antrag der Linksfraktion beraten. Sie fordert eine Rückübertragung des Majolika-Betriebs an die Stadt und eine Entwicklung des Geländes zu einem "Haus der Kunst und Kultur", das neben der Stadt auch von den drei Karlsruher Hochschulen getragen werden soll. Eine Zustimmung ist unwahrscheinlich. Zu groß scheint an der Stadtspitze der Wille, den teuren kulturellen Ballast der Majolika abzuwerfen. Zwar stand eine Abgabe des Grundstücks bislang stets unter der Maßgabe, die Manufaktur als kulturhistorischen Baustein der Stadt zu erhalten. Jüngst aber sagte OB Mentrup gegenüber Gemeinderäten , dass eine Weiterführung der Manufaktur in einem Erbpachtvertrag aus seiner Sicht nicht möglich sei. Dies werde derzeit juristisch geprüft, hieß es dazu von Seiten der Stadtverwaltung. Ein schnelles Ende der für die Kunstlandschaft und Beschäftigten zermürbenden Hängepartie ist vorerst nicht zu erwarten.


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