"Derzeit lebt die Bücherei fast nur noch vom hohen Engagement der Mitarbeiter:innen", steht in der Kulturkonzeption der Stadt Esslingen, vom Gemeinderat 2017 verabschiedet. Um eine Abwärtsspirale zu verhindern, müsse "dringend eine Gebäudeinfrastruktur geschaffen werden, die den Anforderungen an eine zeitgemäße und zukunftsfähige Stadtbücherei mit ihren Zielen gerecht wird". In Bezug auf das Raumangebot stehe die Esslinger Stadtbücherei unter vergleichbaren Städten in Baden-Württemberg an drittletzter Stelle. Notwendig sei eine Vergrößerung der Publikumsfläche von 23 auf 34 Quadratmeter pro 1.000 Einwohner.
50 Prozent mehr Platz: Das war 2017 Konsens in der 93.000-Einwohner-Stadt. Strittig war nur wo. Nacheinander zauberten Gemeinderat und Verwaltung drei Neubaustandorte aus dem Hut, die freilich alle ihre Tücken hatten: Der erste stand nicht zur Verfügung, der Besitzer wollte überhaupt nicht verkaufen. Der zweite, das Gemeindehaus am Blarerplatz, hätte die zahlreichen Esslinger Laienchöre und Orchester heimatlos gemacht. Dagegen regte sich Protest. Dem dritten, in der Küfergasse, wäre ein Diakonieladen zum Opfer gefallen. Gleichzeitig schwieg sich die Stadt darüber aus, was mit dem schönen, alten Bebenhäuser Pfleghof aus dem 13. Jahrhundert passieren sollte, in dem sich die Bibliothek seit 1989 befindet.
Die Neubaupläne kamen nicht gut an in der Bürgerschaft, Engagierte taten sich zusammen und organisierten einen Bürgerentscheid. Dem ersten in der Geschichte der Stadt. Am 10. Februar 2019 sprachen sich ungefähr 15.000 Bürger:innen, und damit 78 Prozent der abgegebenen Stimmen, für eine Modernisierung und Erweiterung am bestehenden Standort aus. Diesen Beschluss hat der Gemeinderat im vergangenen Dezember aufgehoben. Grund: Die Stadt hat zu wenig Geld. Sagt sie. Stimmt aber nicht.
Ein beliebter Lernort und Treffpunkt
Mittwoch, kurz vor 10 Uhr in der Esslinger Altstadt: 15 Besucher:innen warten bereits vor der Bibliothek, die gleich ihre Pforten öffnet. Ansonsten ist es ruhig, denn es sind Schulferien. Tische und Stühle stehen zwischen den Regalen und die seien in Unterrichtszeiten oft alle besetzt, sagt Hermann Beck. Kinder und Jugendliche müssten dann auf den Treppenstufen Platz nehmen.
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Christoph Behrendt
am 14.06.2023