Das waren noch Zeiten im Oktober 2012. Als die Grünen bei der Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl einen der Ihren als Sieger feiern konnten. Am Morgen nach dem Triumph in der ersten Runde stellte sich Fritz Kuhn im Künstlerbund der Presse, auf dem Tisch vor ihm eine Batterie Mikrofone, Wasserflaschen und ein Teller Brezeln. "Die sind mit Butter", sagte der Grüne und grinste dazu vieldeutig.
"Geschmierte Brezeln" zu sagen wäre zu billig gewesen, bemerkte die "Welt" damals. Denn alle wussten auch so, was Kuhn meinte. Mit einem Brezel-Logo hatte der als unabhängiger Bewerber angetretene Sebastian Turner seinen Wahlkampf bestritten. Es kam heraus, dass der von CDU, FDP und Freien Wählern unterstützte Werbe-Profi für ein gigantisches Brezel-Plakat eine Werbefläche auf dem S21-Areal zum Spottpreis überlassen bekommen hatte. Ausgerechnet von einer Immobiliengesellschaft, die mit der Stadt Geschäfte machte. Zwar verneinten Turner und sein Wahlkampfmanager Stephan Schorn vehement, gegen "eine Regel verstoßen" zu haben. Vielmehr habe der Wahlverein "Bürger-OB Sebastian Turner" einen vierstelligen Betrag für das Gigaplakat gezahlt. Doch die Dementis verfingen nicht. "Geschmierte Butterbrezel" hat seitdem in Stuttgart eine ganz eigene Bedeutung.
Der OB-Wahlkampf 2020 lief für die Grünen bekanntlich nicht wie geschmiert. Beim konservativen Kandidaten Frank Nopper drängen sich dagegen Parallelen zu Turners Brezel-Gate auf. So tritt auch der Backnanger Oberbürgermeister nach außen hin als unabhängiger Kandidat an. Obwohl der Gewinner des ersten Wahlgangs bereits seit Jahrzehnten als Christdemokrat kommunalpolitisch Karriere macht. Nopper sitzt beispielsweise seit 1994 für die CDU in der Regionalversammlung, dem Parlament der Region Stuttgart.
Banker im Unterstützerkreis
Zudem lässt sich Nopper ebenfalls von einem Verein unterstützen. Anders als Turners Helfer wählte die "Wählerinitiative Nopper für Stuttgart e.V." kein Laugengebäck, sondern mit dem Stuttgarter Fernsehturm ein architektonisches Wahrzeichen als Logo. Welche Personen hinter der Wählerinitiative stehen, darüber schweigt sich die Website frank-nopper.de aus. Erst der Blick ins Vereinsregister fördert Näheres zutage. Im fünfköpfigen Vereinsvorstand sitzen neben Nopper Prominenzen aus Politik und Wirtschaft. Etwa der Top-Banker Hans Rudolf Zeisl. Bis Juli 2019 war dieser Vorstandsvorsitzender der Volksbank Stuttgart und damit der größten Volksbank im Land. Er gilt als Fusionsarchitekt des Geldinstituts, das 2010 aus dem Zusammenschluss der Volksbanken Rems und Stuttgarter hervorging – mit einer Bilanzsumme von über sieben Milliarden Euro.
Mitte vergangenen Jahres verabschiedete sich Zeisl von den rund 1.000 MitarbeiterInnen im frisch bezogenen Dienstleistungszentrum im Quartier Neckarpark, Bad Cannstatt. Satte 70 Millionen Euro kostete die Volksbank das neue Hauptquartier auf dem ehemaligen Güterbahnhof-Areal, das die Landeshauptstadt ursprünglich zur Olympia-Bewerbung 2012 von der Deutschen Bahn erworben hatte. Bekanntlich scheiterte der damalige OB Wolfgang Schuster (CDU) im April 2013 sang- und klanglos mit seinen Olympia-Träumen. Das Areal lag daraufhin jahrelang brach.
Vier Jahre nach der Finanzkrise 2008 verscherbelte die Stadt große Grundstücke im Neckarpark zum Schnäppchenpreis von 288 Euro pro Quadratmeter an die Dibag Industriebau AG des Münchner Baulöwen Alfons Doblinger, sechs Jahre später kostete die Volksbank Stuttgart der Quadratmeter bereits knapp 3000 Euro, was eine Rendite von fast 1.000 Prozent bedeutet. Beide Immobilien-Deals waren vom damaligen Stuttgarter CDU-Kämmerer Michael Föll miteingefädelt worden. "Ich bin Bürgermeister Föll dankbar, denn der Neckarpark ist ein hervorragender und vor allem sehr zentraler Standort für unsere künftige Hauptgeschäftsstelle", so Volksbank-Chef Zeisl beim Richtfest im Juni 2018. Föll dient heute als Ministerialdirektor der Kultusministerin Susanne Eisenmann. Diese will als CDU-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl 2021 den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ablösen.
3 Kommentare verfügbar
Wilfried
am 25.11.2020Herr Dr. Nopper nähert sich mehr den amerikanischen Verhältnissen an, nach denen nur der Aufwand zählt, den ein Bewerber und sein Unterstützerclan auf dem Weg zum Amt treibt.
Zum Glück haben wir keine öffentlichen Mail-Adresslisten, aus denen man die politische…