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Tauziehen um die Majolika in Karlsruhe

Manufaktur als Faustpfand

Tauziehen um die Majolika in Karlsruhe: Manufaktur als Faustpfand
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Die Karlsruher Majolika erlebt turbulente Wochen. Erst hieß es, die Manufaktur werde abgewickelt, dann sprach der Oberbürgermeister mit dem Investor Christoph Gröner. Der will die Keramik-Produktion jetzt doch fortführen. Aber nur, wenn er auch die Immobilie bekommt.

Eine faktisch eingestellte Produktion, abgebrochene Aufträge, die Auflösung des Bildungs- und Kursprogramms und eine Belegschaft, die vergeblich nach Verantwortlichen suchte: Ein halbes Jahr nach der Übernahme durch einen Privatinvestor steht die traditionsreiche Karlsruher Majolika-Manufaktur mit dem Rücken zur Wand. Nachdem Kontext die Situation öffentlich machte, ging alles ganz schnell. Erst wurde angekündigt, die Manufaktur innerhalb von 15 Monaten abzuwickeln, kurz darauf unterrichtete der Karlsruher Kulturbürgermeister mehrere Gemeinderäte, dass die Immobilienfirma Gröner Group kein Interesse mehr an der Übernahme der Majolika-Gebäude habe. Die Verantwortlichen hätten bekundet, durch den Artikel irritiert zu sein und einen Reputationsverlust zu fürchten.

Doch dann trafen sich Christoph Gröner und der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup, SPD, vergangene Woche am Rande einer Veranstaltung in der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin. Ergebnis: "Die Ankündigung einer Abwicklung der Majolika ist vom Tisch", sagte Mentrup. Zudem habe Gröner versichert, die Immobilie weiterhin erwerben zu wollen.

Quersubventionierung durch Start-ups

Erstmals nach seinem Erwerb vor einem halben Jahr besuchte Gröner vergangenen Donnerstag (9. März) die Majolika und verschaffte sich im Eiltempo einen Überblick über den Bestand. Er hätte einen guten Eindruck bekommen, bei der Digitalisierung sei die Manufaktur schon "sehr weit", sagte er nach seiner Visite im Gespräch mit Kontext. Allerdings "muss viel angegriffen werden, was liegen geblieben ist". Alleine auf dem Markt sieht Gröner für die Keramik-Manufaktur keine Chance. "Aus wirtschaftlicher Sicht ist ein solcher Betrieb nicht zu unterhalten."

Trotzdem will Gröner den Betrieb fortführen, versichert er und dafür auf zwei Säulen aufbauen. "Höchst unwirtschaftliche Produktionsabläufe" müssten abgeschafft und die Fläche für die Manufaktur verkleinert werden, von derzeit 4.000 auf 1.000 Quadratmeter. Für den Vertrieb könne er sich vorstellen, seine Hotels und Gaststätten mit der Majolika-Keramik auszustatten und seine Kontakte zu nutzen, um die Teller, Vasen und andere Gefäße besser zu vermarkten. Reaktivieren will Gröner auch die Töpferkurse, wenngleich die dafür genutzten Drehscheiben und Räume nach der Gröner-Übernahme verkauft bzw. vermietet wurden.

Als zweite Säule sieht der Immobilienunternehmer die "Vermarktung der überflüssigen Flächen" auf dem Majolika-Gelände, die "am freien Mietmarkt platziert" werden sollen. Er wolle die Majolika zu einem "Ort für Wirtschaft, Kunst und Kultur" machen. Start-ups und Beratungsfirmen sollen sich ansiedeln. Diese Quersubventionierung aus der "intelligenten Vermarktung der Immobilie" soll die defizitäre Produktion aufrechterhalten, beschreibt Gröner seine Idee.

Absprachen zur Immobilie?

Doch dazu braucht er Zugriff auf die 120 Jahre alte Immobilie, die sich noch im städtischen Eigentum befindet. Beim Kauf der Manufaktur seien ihm Bedingungen für die Übernahme der Immobilie genannt worden, erklärte Gröner gegenüber Kontext am vergangenen Montag, also vor dem Gespräch mit OB Mentrup in Berlin. Und weiter: "Wir reflektieren auf Konditionen, die uns beim Erwerb des Geschäftsbetriebes "Majolika" in Aussicht gestellt wurden." Nur für den Fall, dass diese Konditionen weiter gelten, könne er den langfristigen Betrieb der Majolika garantieren. "Die Kommune muss selbst überlegen, ob sie das angedachte Konzept torpediert", setzte Gröner die Stadt unter Druck.

Nachfrage bei der Stadtspitze. "Es gab und gibt dazu keine 'Konditionen' von Seiten der Stadt", widerspricht Oberbürgermeister Mentrup. Die Manufaktur wurde von der Majolika-Stiftung und nicht von der Stadt an Gröner verkauft. Auch Stiftungsvorstand Klaus Lindemann kann sich an keinerlei Absprachen erinnern. Es sei mit Gröner nur ein Kaufvertrag über die Manufaktur geschlossen worden. "Ich kann und konnte mich nicht in die Immobilie einmischen, das habe ich ihm auch damals gesagt", sagt Lindemann. Von Seiten der Stadt hätte an den Verkaufsverhandlungen niemand teilgenommen, versichert er.

Ein paar Tage später sieht es wieder anders aus. Nach dem Gespräch mit Mentrup in Berlin sei der Dissens aufgelöst worden, sagt Gröner, der damit keine Zweifel an einem Abschluss in gutem Einvernehmen mehr habe. "Es gab offensichtlich ein Missverständnis oder ungeprüfte Informationen, die uns glauben ließen, die Stadt weicht von ihrer bisherigen Vorgehensweise ab", lässt er sich zitieren.

Skepsis in der Politik

Hinter vorgehaltener Hand ist im Karlsruher Gemeinderat bei diesem Manöver Gröners von "Erpressung" die Rede. Mit dem Faustpfand der Manufaktur würde Gröner versuchen, die Stadt zur Abgabe der zugehörigen Immobilie zu bewegen. Erst im Dezember hatte der Gemeinderat entschieden, das Grundstück nicht zu verkaufen, sondern nur in Erbpacht abzugeben. Voraussetzung dafür ist ein Konzept, das die Tradition der Majolika und den Weiterbetrieb der Manufaktur bewahrt. Ob Gröner ein Nutzungsrecht für die Immobilie bekommt, muss letztlich der Gemeinderat entscheiden. Hier herrscht vielfach Skepsis.

Der Karlsruher Gemeinderat

Stärkste Fraktion im Gemeinderat mit seinen 48 Sitzen sind die Grünen mit 15 Sitzen, es folgen CDU (9), SPD (7) und FDP sowie KAL/Die Partei mit jeweils 4. AfD, Linke und Freie Wähler/FÜR haben Fraktionsstärke mit jeweils 3 Sitzen. Theoretisch gibt es damit eine öko-soziale Mehrheit von Grünen, SPD, KAL/Die Partei und Linken von 29 Gemeinderäten. (kau)

"Der bisherige Investor hat nichts zur Fortentwicklung der Majolika getan – ganz im Gegenteil", sagt Thomas H. Hock von der FDP-Fraktion. Gröner sei nicht verlässlich. Auch die Linksfraktion ist entschieden. "Eine Zukunft und Chance für die Manufaktur wird es nur ohne die Gröner Group und unter Verzicht auf windige Investorenmodelle geben." Eine Rückkehr der Majolika in städtische Hand favorisiert auch die Karlsruher Liste. "Die Hoffnung, dass private Investoren es schon richten werden, teilen wir nicht", schreibt sie auf Anfrage. Renate Rastätter von den Grünen vermutet, dass Gröner mit der Übernahme der Majolika-Manufaktur einen Weg gesucht hat, "um anschließend die Immobilie günstig kaufen zu können". Die CDU-Fraktion hingegen gibt sich vom eingeschlagenen Weg überzeugt. "Wir sind der festen Überzeugung, dass die Zukunftsfähigkeit der Manufaktur durch privates Engagement gesichert werden muss", sagt ihr Fraktionsvorsitzender Detlef Hoffmann.

Die meisten anderen Fraktionen aber halten den Verkauf der Manufaktur unter diesen Umständen für einen Fehler. "Wir kritisieren die Entscheidung, die Majolika an einen Privatinvestor zu verkaufen, ohne vorher eine klare Konzeption über die Sicherstellung des Weiterbetriebs vorliegen zu haben", heißt es von der SPD-Fraktion. An der Entscheidung, die Manufaktur zu verkaufen, war der Gemeinderat nicht beteiligt. "Die Majolika war bereits auf dem Weg zu einem Kulturzentrum mit vielfältigen Kooperationen mit Hochschulen und Schulen. Durch den Verkauf wurde die Chance vertan, das Konzept weiter umzusetzen und zu erproben", sagt die Grüne Rastätter.

Gröner wiederum sagt, öffentlichen Argwohn sei er gewohnt. So würden die Medien über seine Sammlung von 41 Porsches berichten, nicht aber, dass er damit über 400.000 Euro für sozial benachteiligte Kinder einfahren würde. Als Unternehmer suche er mit seinem Engagement bei der Majolika nach Anerkennung in seiner Geburtsstadt. Mit der Majolika wolle er auch eine "Bestätigung für sein Dasein." Im Kontext-Gespräch klagt er gleich zu Beginn lange über eine mediale Verurteilung. "In unserer Gesellschaft ist kein Platz für nette Familienväter", sagt Gröner.

Christoph Gröner (rechts).

Ausgabe 606, 09.11.2022

Und morgen die ganze Stadt?

Von Florian Kaufmann

Immer mehr Immobilien in Karlsruhe liegen in Händen eines Konzerns, der bereits bundesweit mit großen Bauprojekten für Aufsehen sorgte. Bei der Expansion setzt die Gruppe um Christoph Gröner auf das Sponsoring im Fußball.

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Noch fehlt ein Konzept

Die Politik sieht jetzt Gröner am Zug. Der hat auch sechs Monate nach dem Kauf noch kein tragfähiges Konzept für den Weiterbetrieb der Manufaktur. "Ich hatte nicht die Kraft, mich persönlich darum zu kümmern", sagt Gröner. Das Jahresende sei im Immobiliengeschäft eine intensive Zeit. "Jetzt ist Frühjahr, da ist mehr Luft." Für die Erstellung eines tragfähigen Konzepts hat derweil der Karlsruher Oberbürgermeister Hilfe angeboten. Einen Zeitplan dafür konnte Gröner noch nicht nennen.

Die Manufaktur ist Ende Februar auf die Gröner Family Office GmbH übertragen worden. Zuvor war sie im Eigentum einer Verwaltungsgesellschaft. Mit der Gröner Group habe die Majolika aber nie zu tun gehabt – das ist Gröner wichtig zu betonen. Das ursprüngliche Firmenkonstrukt sei eine "unbedachte Entscheidung" gewesen, sagt Gröner und die Übertragung ein "Signal an die Medien, dass ich das jetzt mache" sowie eine "rechtliche und steuerliche Entscheidung". Damit kappte Gröner auch die Verbindung zu Thomas Heeger, der in der Verwaltungsgesellschaft für ihn die Majolika betreute und dort als Thomas Scherer auftrat. "Wir haben ihn aufgrund der Unstimmigkeiten bei den Verhandlungen gebeten, nicht weiter als Berater für uns tätig zu sein", sagt Gröner.

Kommt noch ein weißer Ritter?

Bei seinem Besuch in Karlsruhe entschuldigte sich Gröner bei den Beschäftigten der Majolika. Er thematisierte dabei die hohen Außenstände, die in den vergangenen Monaten aufgelaufen sind und den Ruf der Majolika schädigten. Über 40.000 Euro schulde die Manufaktur noch Künstler:innen und Karlsruher Institutionen aus den ersten Monaten seit der Übernahme. Gröner versprach, sich zu kümmern und kündigte an, in den nächsten Tagen einen neuen Geschäftsführer einzusetzen. Weitere Verbindlichkeiten bestehen bei der städtischen Eigentümerin KVVH (Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs- und Hafen GmbH und KVVH-Gruppe), der die Majolika-Immobilie gehört. Nach Kontext-Informationen handelt es sich dabei um einen hohen fünfstelligen Betrag an Mietrückständen. "Über diese Frage sind wir im Gespräch mit der Gröner Family Office GmbH", sagt Kulturbürgermeister Albert Käuflein, CDU. Und Gröner befindet: "Wir sehen gute Möglichkeiten, diese Mietrückstände im Rahmen einer Gesamteinigung zu lösen."

Die Verhandlungen stehen noch am Anfang. "Ich kenne die genauen aktuellen Vorstellungen der Kommune nicht, was den Verkauf der Immobilie betrifft", sagt Gröner, der sich noch eine Hintertür offen lässt: "Sofern ein 'weißer Ritter' am Horizont erscheint und von uns die Majolika erwerben möchte, stehen wir solchen Entwicklungen gegenüber offen."

In der Politik gibt es bereits erste Planspiele für eine eigene Entwicklung der Majolika. Die Linksfraktion entwarf einen Rahmen für ein "Haus der Kunst und Kultur" in städtischem Eigentum, wobei auf externe Expertise und die Zusammenarbeit mit Hochschulen gesetzt werden soll. In der FDP wird eine Rückabwicklung favorisiert. "Die Majolika muss wieder zurück zur Stiftung." Das Grundstück solle von der Stadt entwickelt werden. Doch ohne öffentliche Zuschüsse werden solche Ideen nicht funktionieren. Die großen Gemeinderatsfraktionen Grüne, CDU und SPD verweisen schon mal auf die angespannte Lage im städtischen Haushalt.


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1 Kommentar verfügbar

  • Ruby Tuesday
    am 16.03.2023
    Antworten
    Im Zusammenhang mit Galeria-Karstadt-Kaufhof (GKK) stoße ich in meinen Erinnerungen auf das Gröner-Projekt Steglitzer-Kreisel in Berlin und die immens lange Liste von Pleiten, Pech und Pannen, die die SPD immer gut ausgesessen hat. „Besonders hart trifft der vom Generalbevollmächtigten Arndt Geiwitz…
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