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Unterirdische Schöpfung

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Karlsruhe soll für seine sieben U-Bahn-Haltestellen ein Werk von Markus Lüpertz erhalten, zum Thema der christlichen Schöpfungsgeschichte. Das ist von langer Hand eingefädelt, stößt aber vor Ort nur auf verhaltene Begeisterung.

Es geht um 14 Tafeln an den Wänden von sieben U-Bahn-Haltestellen in Karlsruhe. Der Künstler Markus Lüpertz will dort – anstelle von Werbung – großformatige Keramik-Kunstwerke anbringen, angefertigt von der Staatlichen Majolika Manufaktur in Karlsruhe, die auf diese Weise gleich mit saniert werden soll. Zu den sieben Haltestellen hatte der Künstler flugs eine passende Idee: "Genesis – die sieben Tage des Herrn" soll das Werk heißen.

Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) findet das "in der Tat eine hochinteressante Kunstinstallation für Karlsruhe" – die allerdings die Stadt nichts kosten soll. Dass Mentrup das gar nicht anders sehen kann, ist klar. Zwar ist nicht er für die vorgestrige Idee verantwortlich, die Straßenbahn an der Kaiserstraße in den Untergrund zu versenken. Aber seine Partei war mit an Bord, als sein Vorgänger Heinz Fenrich (CDU) die U-Strab, nachdem das Projekt 1996 nach einem Bürgerbegehren abgelehnt worden war, sechs Jahre später mit einem weiteren Bürgerentscheid durchgedrückt hat. Der Trick: das Projekt wurde als "Kombilösung" etikettiert. Die Kaiserstraße wird zur Fußgängerzone und auch der Autoverkehr wird im innerstädtischen Bereich der B 10, der Kriegsstraße, im Untergrund versenkt.

Die Idee, U-Bahn-Haltestellen durch Kunst aufzuhübschen, ist nicht neu. In den 1970er-Jahren verzierte der Bildhauer Thomas Lenk einige der neu gebauten unterirdischen Stuttgarter Straßenbahnhaltestellen mit seinen "Schichtungen". Geradezu rührend mutet der Versuch von Fred Stelzig am Neckartor an, mit Blumenmotiven auf abwaschbaren Emailtafeln ein wenig Lebensfreude in den Untergrund zu bringen. Es bleibt dennoch Luft nach oben bis zum stalinistischen Prunk der Moskauer Metro.

Wo wird gespart? Bei der Kultur

Andererseits kann Mentrup für die U-Kunst aber beim besten Willen kein Geld ausgeben. Die U-Strab, den Wählern beim Bürgerentscheid 2002 für 380 Millionen Euro verkauft, ist inzwischen bei – offiziell – 900 Millionen angekommen. Wegen Zweifeln des Bundesrechnungshofs an der Wirtschaftlichkeit drohten gar Bundesmittel in Höhe von 300 Millionen abhanden zu kommen. Im April 2016 hat der Gemeinderat ein Sparpaket beschlossen und dabei unter anderem den Etat für sämtliche Kultureinrichtungen um insgesamt 1,36 Millionen im Jahr gekürzt. Das Badische Staatstheater muss auf 470 000 Euro im Jahr verzichten, das ZKM auf 117 000 Euro.

Richtig ruppig wird Karlsruhe, wenn es nicht um Vorzeigeprojekte, sondern "nur" um lokale Künstler geht. Wie um die Ateliers hinterm Bahnhof. Seit 1993 haben Künstler ihre Werkstätten und Ausstellungsräume in den Gebäuden rund um das alte Kesselhaus. Seit 2002 sind sie dort nur noch geduldet, wegen Sicherheitsbedenken angesichts alter Stromleitungen. Nun soll aus dem "Filetstück" etwas Besseres werden. Im vergangenen Jahr sind die letzten der 25 Künstler endgültig vertrieben worden.

"Merkwürdigerweise scheint das Ermöglichen von Kunst, geschweige denn die Förderung, in den Fokus der Sparweltmeister geraten zu sein", schrieb im Juli 2016 Klaus Gündchen, Karlsruher Bildhauer und Ansprechpartner der Ateliers hinterm Hauptbahnhof, auf Kontext-Anfrage: "In Karlsruhe werden gerade, trotz der höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten, flächendeckend die Subventionen für Kultur und Bildung, mit marginalen Spareffekten, drastisch zurückgefahren, während die Einsparungsmaßnahmen des größten Etatverbrauchers, der Verwaltung, aus einem neuen Amt mit 8 Mitarbeitern besteht, die die Verwaltung nach überschüssigem Personal durchforsten sollen."

Eine Million soll der unterirdische Lüpertz kosten. Für die Hälfte will Anton Goll, der frühere Geschäftsführer der Majolika-Manufaktur, bereits Zusagen von privater Seite haben. Schon vor zwei Jahren hatte er die Idee ins Spiel gebracht hat, aber erst jetzt macht er den Vorschlag öffentlich. Was ein Zufall, dass gerade im ZKM eine große Lüpertz-Ausstellung stattfindet.

Viele Karlsruher, so hört man, haben sich schon gewundert, was die großformatigen Ölschinken überhaupt im Medienkunstzentrum zu suchen haben. Eine Antwort lautet: Lüpertz beeindruckt gern mit großen Formaten und dafür gab es nur im ZKM genug Platz. Eine andere mögliche Antwort: Das ZKM muss sparen. Siehe U-Bahn-bedingte Etatkürzungen.

Erst Fremdenlegion, dann großer Künstler

Hinter der Ausstellung steht das private Museum Küppersmühle in Duisburg und die Stiftung für Kunst und Kultur in Bonn, was so ziemlich dasselbe ist. Das Museum ist hervorgegangen aus der Privatsammlung des Bauunternehmers Hans Grothe, 2005 aufgekauft von Sylvia Ströher aus der Dynastie des Wella-Kosmetikkonzerns und ihrem Mann Ulrich. Betrieben wird das Museum eben von jener Bonner Stiftung. In deren Vorstand sitzen unter anderem Werner Müller, unter Gerhard Schröder Bundeswirtschaftsminister, danach Vorstandsvorsitzender der Ruhrkohle AG (RAG), Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bahn, des RAG-Nachfolgers Evonik sowie Leiter der RAG-Stiftung. Und der frühere "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann.

Lüpertz, der sich für einen der größten lebenden Künstler hält, ist mit Gerhard Schröder befreundet. Für das Berliner Kanzleramt schuf er eine unförmige "Philosophin" und die Farbgestaltung im Treppenhaus. Mehr als zwanzig Jahre lang war er Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie, die ihn in jungen Jahren nach einem Semester vor die Tür gesetzt hatte. Nach einem Abenteuer in der Fremdenlegion machte er vor allem in Berlin Karriere, durch die erste von Künstlern gegründete Galerie Großgörschen 35. Während aber die anderen Beteiligten in der bewegten Zeit vor 1968 der damals vorherrschenden abstrakten Kunst ihren "Kritischen Realismus" entgegensetzen wollten, hatte Lüpertz nur eines im Sinn: groß herauskommen. Die Mittel zum Zweck: große, zum Teil riesige Formate; kräftige Farben; Malerei, bloß keine unverkäufliche Medienkunst; erkennbare Sujets, die dennoch im Ungefähren verbleiben; Provokation und ein forsches Auftreten.

Die Karlsruher können auf die Kunst verzichten

Seine Malerei bezeichnete er als "dithyrambisch". Was das sein soll, fragte allerdings keiner groß nach, aus Angst sich zu blamieren. Gern bläst Lüpertz seine Gemälde und Plastiken mit klassischen oder biblischen Titeln und Themen zu hoher Bedeutung auf. Schon vor seinem Kurzzeitstudium in Düsseldorf verbrachte er in der Benediktinerabtei Maria Laach in der Eifel nach eigenen Angaben eine "fanatisch religiöse Zeit".

Den Begriff Malerfürst lehnt Lüpertz ab. Mit Spitzbart, Maßanzug und Gehstock mit silbernem Knauf sieht er ein wenig aus wie Wilhelm II, der letzte König von Württemberg. Während der aber Anzug trug, um sich bürgerlich zu geben, stilisiert sich der Künstler zum feinen Mann und zugleich mit dickem Totenkopf-Klunker am Finger zum Rebell. Nun hat er wieder so ein Thema gefunden: Ihm reicht es nicht die Ödnis der U-Bahn mit bunten Blumen zu verschönern. Nein, Lüpertz braucht etwas Großes, Gewaltiges: die sieben Tage der Schöpfung. Woran sich die Frage anknüpft, weswegen U-Bahn-Stationen für alle überhaupt mit religiös inspirierten Motiven gestaltet werden sollten. 

Die Karlsruher können ohnehin auf die Tafeln verzichten, wenn man einer nicht repräsentativen Leser-Umfrage der Online-Zeitung "Ka-News" glaubt: 75 Prozent wollen den Lüpertz nicht.


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1 Kommentar verfügbar

  • w.-g. esders
    am 15.06.2017
    Antworten
    mein opa vaeterlicherseits sah auch aus wie wilhelm 2
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