Im Rathaus zeigt die Provokation wenig Wirkung. "Herr Rupp ist eben ein sehr emotionaler Mensch", kommentiert Mentrup trocken und versichert: "Wenn es größere Aktionen gibt, mobilisieren wir. Dann bin ich auch selbst vor Ort, gerne als Redner." Bei Kleinkundgebungen alle zwei Wochen, mit so überschaubaren Teilnehmerzahlen, wolle er sich aber nicht "von Nazis den Terminkalender diktieren lassen". Mentrup glaubt zudem, wenn Politikprominenz bei den Aufmärschen auftaucht, fühlen sich die Rechtsradikalen durch die Aufmerksamkeit womöglich noch ernst genommen. Er verfolgt daher die Strategie: "Eher ignorieren, statt aufwerten".
Der Oberbürgermeister hat sich arrangiert. "Ändern können wir das nicht", sagt er. Die Mittel der Stadt seien da sehr begrenzt, an der Demonstrationsfreiheit "können und wollen wir nicht rütteln." Was bei diesen Worten mitschwingt: 2013 hat die Stadt einen Nazi-Aufmarsch abgesagt, als Gegendemonstranten die Marschroute blockierten. Das ging vor Gericht, in letzter Instanz verlor die Stadt. Damals wurde befunden, die Polizei müsse das Demonstrationsrecht notfalls auch mit Gewalt durchsetzen.
Seitdem fahre die Stadt bei Nazidemos einen Kuschelkurs, meint Rupp. "Wenn es hier nicht so bequem für sie wäre", sagt er, "würden die woanders auflaufen." Mentrup hält das für Unfug: "Wir tun alles, was ordnungsrechtlich möglich ist". Die Redebeiträge der Rechten leite man regelmäßig an den Staatsschutz weiter. Er selbst sehe "keinen rationalen Grund, warum sich die Rechtsradikalen ausgerechnet Karlsruhe herausgepickt haben". Zumal sich klar gezeigt habe, dass die Mobilisierungsversuche bei den Einwohnern keinerlei Erfolg verzeichneten. "Vielleicht liegt es an der günstigen Verkehrslage oder an persönlichen Verbindungen", mutmaßt Mentrup.
In Karlsruhe versammelt sich das Who is Who der Rechtsradikalen
Tatsächlich kommen die Teilnehmer ganz überwiegend nicht aus Karlsruhe. Der Oberbürgermeister spricht von einem "regelrechten Nazitourismus". So sind die Kundgebungen am Stephanplatz eine vorzügliche Einführung in das Who is Who der süddeutschen Rechtsradikalen. Angefangen bei NPD-Kadern aus dem Rhein-Neckar-Raum wie Jan Jaeschke (verurteilt wegen Volksverhetzung) oder Christian Hehl (mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung), über die "Berserker Pforzheim", die als Ordner aushelfen durften, bis zu Michael Mannheimer, dem Autoren des rechtsextremen Hetzblogs PI-News. Er hält übrigens die Schlüsselfigur Ester Seitz für die "talentierteste deutsche Jungpolitikerin". Und diese wiederum zeigt keinerlei Berührungsängste mit dem ganz rechten Rand, steht in engem Austausch mit der Splitterpartei Die Rechte (ebenfalls am Stephanplatz präsent), die als noch radikaler als die NPD gilt. Seit zwei Jahren ist Seitz in Karlsruhe aktiv, sie selbst kommt aus der Nähe von Nürnberg.
Originär aus der Stadt stammt nur die Kameradschaft Karlsruhe. Sie heißt auf ihren Veranstaltungen den Alt-Nazi Günther Deckert (ehemaliger NPD-Vorsitzender und verurteilter Holocaust-Leugner) als Gast willkommen und pflegt außerdem gute Kontakte zur Skinhead-Szene in Dortmund. Dort fand 2016 der Tag der Deutschen Zukunft statt, ein großes Get-Together für Hardcore-Neonazis, zuletzt mit rund 900 Teilnehmern aus dem ganzen Bundesgebiet. Im Juni 2017 wird diese rechte Jahresversammlung in Karlsruhe ausgerichtet.
"Kein Zufall", sagt Ellen Esen. Die Politikwissenschaftlerin aus Karlsruhe hat sich schon vor mehr als 25 Jahren auf den Rechtsextremismus spezialisiert. Sie warnt: "Gegen das, was uns da erwartet, sind die Kundgebungen, wie wir sie kennen, ein Kindergarten." Mit mindestens 1000 Teilnehmern rechnet Esen 2017. Dafür laufe die Mobilisierung bereits bundesweit. Eine zentrale Figur dabei ist wieder: Ester Seitz. Die lässt sich bundesweit bei jeder Gelegenheit blicken, ob in Berlin, Frankfurt, Dresden, Erfurt - oder eben immer wieder Karlsruhe. Sie ist bestens vernetzt, bescheinigt Esen. Auch über das Internet. Wenn die Gegendemonstranten die Redebeiträge der Rechtsradikalen in Karlsruhe auch regelmäßig übertönen mögen - über soziale Netzwerke verbreiten sie sich rasend. Per Facebook kann man Seitz' Kundgebungen im Livestream verfolgen. Anschließend werden die Videos gespeichert und fleißig angeklickt: Eine Aufzeichnung vom Sonntag wurde innerhalb eines Tages rund 9000 Mal abgerufen.
Gefährlich ist das Netzwerk, nicht die Demo
In der Rede selbst hält sich Seitz vergleichsweise zurück. Der Staatsschutz hört zu. Für ihn sind die Schwellen zu hoch, um bei Aussagen einzuschreiten wie: "Der Islam und seine Anhänger gehören weder zu Deutschland noch zum römisch abendländisch, griechisch-germanisch, später christlich geprägten Europa." Seitz fordert, "diesen Ballast aus dem finstersten Mittelalter" wieder loszuwerden.
Unterstützung bekommt sie an diesem Abend von Madeleine Feige, AfD-Mitglied aus Sachsen und Initiatorin einer Dresdner Bürgerwehr. Feige pflegt gute Kontakte zu Pegida, zur Identitären Bewegung und dem Netzwerk um Jürgen Elsässer (Chefredakteur "Compact") und Götz Kubitschek ("Junge Freiheit", "Sezession"), die ihrerseits mit den AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und André Poggenburg verbandelt sind.
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Schwabe
am 27.12.2016Die bürgerliche sogenannte "Mitte" a la CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP führt Kriege, zerstört national und global Gesellschaften, Natur und gewachsene Kulturen und Traditionen.
Linke Heimatverbundenheit…