"In Stuttgart hat sich das Jahresmittel bereits um zwei Grad Celsius erhöht – und das erst seit dem Jahr 1987", nennt Jürgen Baumülller, langjähriger Stadtklimatologe der baden-württembergischen Landeshauptstadt, ein Beispiel für rasant steigende Temperaturen. Die Schwabenmetropole gilt damit als einer der "Hotspots" hierzulande.
Erst vor Kurzem zeichnete der Weltklimarat (IPCC) in seinem am 8. August veröffentlichten Sonderbericht zum Klimawandel ein düsteres Zukunftsbild. Trockenheit, Hitze, Wasser- und Nahrungsmangel werden das Leben künftiger Generationen bestimmen. Laut IPCC ist die Zahl der Dürren und Hitzewellen bereits global angestiegen, und sie werden vor allem in Zentraleuropa, der Mittelmeerregion, dem südlichen Amazonasgebiet sowie dem südlichen Afrika weiter zunehmen – in Zahl, Dauer und Intensität. In vielen Regionen werden zudem extreme Regenfälle häufiger auftreten. Das Pariser Klimaabkommen verlangt zwar, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu beschränken. Sollte die Erderwärmung tatsächlich auf zwei Grad ansteigen, wäre aber die Lebensgrundlage von bis zu 500 Millionen Menschen weltweit bedroht, warnen die Forscher. Laut IPCC hat der weltweite Temperaturanstieg über den Landmassen bereits 1,53 Grad erreicht, im Vergleich der Zeiträume 1850 bis 1900 und 2006 bis 2015. Doch regional ist es, siehe Stuttgart, bereits heute schon wärmer.
Zwar sind Städte aufgrund von Straßenschluchten und versiegelten Böden schon seit jeher Wärmeinseln, in denen es – vor allem wegen der langsamen nächtlichen Abkühlung – signifikant wärmer als im Umland ist. Topografische Eigenheiten Stuttgarts, die Innenstadt liegt in einem windschwachen Talkessel, tragen jedoch zusätzlich zur Aufheizung während sommerlicher Hitzewellen bei. Anschaulich zeigt sich das im Temperaturvergleich mit der benachbarten Filderhochebene. An der Messstation der Universität Hohenheim stieg die Jahresmitteltemperatur zwar bis heute gleichfalls um zwei Grad Celsius – allerdings seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1878. Noch deutlicher wird die rasante Erwärmung Stuttgarts in größerem Vergleichsmaßstab: Deutschland erwärmte sich bislang "nur" um 1,4 Grad.
Heißes Pflaster, Wasser satt
Den Stuttgartern stehen noch heißere Zeiten bevor, auch wenn der lokale Rekordwert von 38,8 Grad während der jüngsten Hitzewelle Ende Juli nicht geknackt wurde. Experten wie Baumüller erwarten, dass sich im Zuge des Klimawandels die Anzahl der heißen Tage mit Temperaturen über 30 Grad Celsius massiv erhöhen wird. Zugleich wird auch die Zahl der tropischen Nächte, in denen die Temperaturen nicht unter 20 Grad fallen, weiter zunehmen. Mit Folgen: Die Stadt wird im Sommerhalbjahr häufiger und langandauernder zum Backofen, der sich nächtens kaum noch abkühlt. Für die Bewohner bedeutet dies: schwitzen, schwitzen, und mehr als schwitzen ...
Forschungsprojekte zeigen, dass sich die Städte in Deutschland nicht nur auf extreme Hitze einstellen müssen. Sondern auch auf Überschwemmungen – was nicht nur Flussanrainer betrifft, sondern wegen der künftig häufiger und heftiger auftretenden Starkregenfälle alle Kommunen. "Keiner kann vorhersagen, wen es trifft", erinnert Baumüller an die Sturzfluten im baden-württembergischen Braunsbach am 29. Mai 2016 und im bayerischen Simbach am Inn am 1. Juni 2016. Über beiden Orten hatten sich Gewitterzellen mit heftigen Regen entladen, allein in Braunsbach fielen innerhalb von zwei Stunden zwischen 100 und 140 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Bundesweit richteten die schweren Sommerunwetter im Mai und Juni 2016 mit Starkregen und vereinzelten Sturzfluten rund 700 Millionen Euro versicherte Überschwemmungsschäden an. Weitere 600 Millionen Euro Schäden hätten Versicherer ersetzt, wären alle betroffenen Gebäude bei ihnen gelistet gewesen.
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Werner Stiefele
am 22.08.2019