"Kriminelle Organisationen lieben Mafia-Filme, weil sie für sie ein Kommunikations-Tool sind. Sie können sich in Szene setzen." So hat Saviano im Jahr 2008 anlässlich der Premiere von Matteo Garrones Adaption seines Romans "Gomorrha" erklärt. Der Autor, der nach der Veröffentlichung von der Mafia mit dem Tode bedroht wurde und immer noch im Verborgenen leben muss, wollte dieser Gefahr vorbeugen: "Meine Obsession ist es, diesen Dingen das Geheimnisvolle zu nehmen. In 'Der Pate' oder 'Goodfellas' wird nie gezeigt, wie die Mafia an das Geld kommt. Für mich war wichtig, die wirtschaftlichen Mechanismen aufzudecken." In der exzellenten Adaption "Gomorrha", in der die Geschäfte genau und deren Umfeld als unglamourös bis schäbig geschildert werden, ist dies gelungen. In der Verfilmung von "Paranza" leider nur bedingt.
Posen von Macht und Größenwahn
Nach dem ebenso furiosen wie symbolisch verdichteten Auftakt versucht der Regisseur zwar, das soziale Milieu seiner Geschichte zu schildern und auch den ökonomischen Aspekten nachzugehen, viel mehr aber ist er interessiert am selbstbewusst-attraktiven Nicola und seinen Freunden. Wenn diese Clique in schwerer Macho-Manier, aber zunächst noch mit leichten Mopeds, durch die Gassen knattert, wenn diese jungen (und von Laien verkörperten) Kerle sich puffen, sich raufen und sich dabei anfeuern, wenn sie Ego-Shooter spielen oder in trunkener Ausgelassenheit auf einem Dach mit Schnellfeuerwaffen Satellitenschüsseln durchlöchern, dann ist der Grat zwischen der Beobachtung pubertärer Euphorie und dem Anbieten eines Forums für Posen von Macht und Größenwahn sehr schmal.
Wie aber kommt ein Fünfzehnjähriger an Ak-47-Gewehre? Nun, der clevere Nicola ist zu Don Vito gegangen, der nicht mehr aus seiner Wohnung raus darf, und hat ihm ein Angebot gemacht: "Sie haben Waffen, aber keine Männer, ich habe Männer, aber keine Waffen." So steigt Nicola also auf, und wenn er und seine Gang zu Beginn noch vom Türsteher einer Disco abgewiesen wurden, so können sie sich nun die 500 Euro für einen Tisch leisten, ja, nicht nur das: Sie saufen Champagner, ziehen sich Kokslinien rein, bauen sich schließlich auf der Empore auf und demütigen die da unten: "Wir sind die Nummer eins!" Den einstigen Vorsatz, ein "anständiger" Boss zu werden, also nicht zu dem zu werden, was die vor ihm waren, kann Nicolas dann doch nicht realisieren. Es bahnt sich eine ganz gewöhnliche Verbrecherkarriere an.
Dass in diesen Jugendlichen noch kindliche Naivität steckt, dass sie viele falsche Ziele, aber noch wenig eigene Erfahrung haben und dass sie, auch mangels Reflexionsvermögen, bemerkenswert skrupellos vorgehen, das deutet dieser Film allenfalls an. Gemessen an "Gomorrha" oder anderen italienischen Mafia-Filmen und -Serien wie "Romanzo Criminale" oder "Suburra" aber bleiben die Charaktere flach und statt einer wirklichen Durchdringung der Verhältnisse begnügt sich "Paranza" allzu oft mit deren Bebilderung. Immerhin: Den spießigen Wohnungseinrichtungs-Protz der alten Mafiosi kann der Film in einigen Sequenzen treffend denunzieren. Dass Nicolas diesen Samt-und-Plüsch-und-Gold-Verhau-Geschmack schließlich übernimmt und die enge Wohnung seiner Mutter entsprechend "veredelt", zeigt sehr gut, dass zumindest die "kulturelle" Revolution im Mafia-Wesen bald scheitern wird. Auch wenn in diesem im Jahr 2015 spielenden Film die Kleinen übernehmen.
Claudio Giovannesis "Paranza" ist ab Donnerstag, 22. August in den deutschen Kinos zu sehen. Welche Spielstätte den Film in Ihrer Nähe zeigt, sehen Sie hier.
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