Das Auto im iranischen Kino: Mit ihm und in ihm erfährt der Zuschauer ganz buchstäblich etwas über Land und Leute. In Abbas Kiarostamis Film "Der Geschmack der Kirsche" (1997) etwa kann sich der zum Suizid entschlossene Fahrer nicht in seiner Einsamkeit verschließen, er braucht Helfer, und so kommt es zu Begegnungen, er wird also, ob er will oder nicht, zum Teil einer Gesellschaft. Seinen Dokumentarfilm "Ten" (2006) hat der 2016 verstorbene Meisterregisseur dann ganz im Auto spielen lassen, mit sich selber als übers Kino sprechenden Fahrer. Ebenfalls als Fahrer ist 2015 Kiarostamis Kollege Jafar Panahi in seinem Film "Taxi Teheran" zu sehen: Der von der Zensur mit Berufsverbot belegte Regisseur steigt nicht aus, er lässt vielmehr die Gesellschaft mit ihren Sorgen und Nöten einsteigen. Und nun, in Vahid Jalilvands Drama "Eine moralische Entscheidung", setzt sich der Arzt Kaveh Nariman (Amir Aghaei), ein ernster Mann Mitte fünfzig, in seinen Wagen und fährt nachts durch die Straßen der Hauptstadt.
Zwei gesellschaftliche Schichten treffen aufeinander
Plötzlich wird Kaveh überholt und abgedrängt, er weicht aus, touchiert dabei mit seinem Wagen ein Motorrad, auf dem Moosa (Navid Mohammadzadeh) mit seiner Frau und seinen beiden Kindern sitzt, und bringt es zu Fall. Kaveh hält an und steigt aus. Es scheint der Familie nichts Gravierendes passiert zu sein. Den Sohn Amir, dem ein bisschen schwindlig ist, lässt Kaveh ins Auto einsteigen, er untersucht ihn oberflächlich, und bittet Moosa dann, den Jungen zur Sicherheit ins Krankenhaus zu fahren. Für die Reparatur des leicht verbeulten Motorrads steckt er Moosa, der zunächst ablehnt, einige Geldscheine zu. Dann fährt Kaveh der Familie hinterher und sieht noch, dass der Familienvater die Abzweigung zum Krankenhaus ignoriert und weiterfährt. Eigentlich hat Kaveh keine Schuld auf sich geladen. Und doch ist die Geschichte noch nicht zu Ende, weder für ihn noch für Moosa, noch für alle anderen, die nun in sie verwickelt werden.
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