Ein Gipfeltreffen, und das in jedem Sinn: Die Regierungschefs der wichtigsten lateinamerikanischen Länder quartieren sich in einem Skiresort in den chilenischen Anden ein. Es ist ein mit allem Komfort ausgestatteter Komplex aus Beton, Holz und ein bisschen Glas, auf mehr als dreitausend Meter Höhe hineingewuchtet in eine baumlos-schroffe Schnee- und Steinlandschaft. Hat sich die Zivilisation hier die Natur erobert? Nein, diese Aufstellungen der Politiker fürs Gruppenbild auf der Terrasse, diese Diskussionen im braunwarmen Licht von Konferenzsälen, diese intimeren Gespräche in Gängen, Bars und Suiten werden zwar in realistisch-klare Bilder gefasst, aber atmosphärisch schwingt in dieser abgehobenen Welt immer etwas anderes mit, etwas seltsam Unwirkliches und bald auch Bedrohliches. Kurz gesagt: Dieser Ort ist ideal für einen Thriller.
Oder auch für einen Film, der mit dem Genre spielt, der etwa den argentinischen Präsidenten Hernán Blanco (Ricardo Darin) zunächst in eine Welt der Polit-Intrigen verwickelt und dann zurückwirft ins scheinbar Private und in die Psychologie. Schon vor dem Treffen, in dem es um eine Öl-Allianz unter Ausschluss der USA geht, hat Blanco von einem Erpressungsversuch erfahren. Es geht um Korruption, der aus der Provinz stammende Amtsneuling soll seinen Wahlkampf mit unsauberen Methoden geführt haben. Und derjenige, der darüber Bescheid weiß und nun droht, alles auffliegen zu lassen, ist der Ex-Mann von Blancos psychisch angeschlagener Tochter Marina (Dolores Fonzi). Eigentlich sollte der Präsident in der dünnen Andenluft den Kopf frei haben für ebenso diffizile wie delikate Verhandlungen, etwa für den Versuch seines mexikanischen Amtskollegen ("Ich hasse die Gringos"), ihn im Zweiergespräch zum Verbündeten respektive zum Komplizen zu machen. Aber Blanco gibt nun auch den fürsorglichen Vater und lässt seine Tochter ins Resort einfliegen.
Die politische Realität sieht mittlerweile anderes aus
Immer wieder sind Bilder für die Medien zu sehen – und dann, was sich zwischen und hinter diesen abspielt. Die Andeutungen: Wenn etwa Blancos Assistentin ihrem Chef, bevor er seine Entourage versammelt hat, noch schnell mit der Hand das Haar bürstet – oder doch eher drüberstreicht? Die Details: Wenn der brasilianische Präsident zeigt, dass er der mächtigste Mann am Konferenztisch ist, der seine Pläne ganz selbstverständlich auf Portugiesisch vorstellt, so dass sie ins Spanische übersetzt werden müssen, er selber aber, wenn andere reden, keinen Dolmetscher braucht. Die Hierarchien: Wenn der argentinische Außenminister von seinem Präsidenten Blanco wissen will, wie die Gespräche verlaufen sind und der kühl antwortet, nicht er müsse seinem Minister Bericht erstatten, es sei genau umgekehrt.
"Verrat auf höchster Ebene", so lautet der deutsche Zusatztitel von Santiago Mitres schon 2017 gedrehtem und in Cannes gezeigten Film, der bei uns nicht ins Kino kam, nun aber auf DVD und Bluray erhältlich ist. In diesen gut zwei Jahren hat sich einiges getan: "Das Komplott" erzählt, wenn auch in fiktiver Form, von einem um Solidarität kämpfenden Lateinamerika, in dem Allianzen ohne oder gar gegen die USA allerdings nur noch schwer zu schmieden sind. In der Realität ist in Mexiko die Regierung gegen den Trend inzwischen nach links gerückt, in Brasilien jedoch regiert ein extrem rechter Präsident, und in Argentinien ist die Phase sozialliberaler oder linksgerichteter Regierungen schon seit 2015 vorbei.
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