"Den Flüssen mehr Raum geben" – nach diesem Credo fordern Umweltverbände schon lange, Flüsse zu renaturieren und Deiche rückzuverlegen, um diese gefährliche Entwicklung umzukehren. Doch geschehen ist bislang wenig, die nötigen Maßnahmen scheitern allzu oft am Widerstand vor Ort sowie am fehlenden politischen Willen. Auch die grün geführte Landesregierung hat hier kein wirkliches Umdenken gezeigt, wie sich beispielhaft am Rheinpolder Bellenkopf/Rappenwört zeigte, bei dem die Chance für eine Deichrückverlegung und damit eine Reaktivierung der Au verschenkt wurde.
Als Reaktion auf die Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre bauen die Kommunen immer noch mehr Deiche, um neue Baugebiete oder auch nur den Fußballplatz des örtlichen Sportvereins zu schützen. Dabei nehmen diese vermeintlichen Schutzmaßnahmen dem Hochwasser noch mehr Raum und verstärken dadurch die Gefahr für die Menschen, die weiter flussabwärts wohnen.
Auch der Umgang mit dem gesamten Einzugsgebiet eines Gewässers ist für Hochwasser verantwortlich. Stark vereinfacht kann man sich ein solches Einzugsgebiet wie einen Trichter vorstellen, der den gefallenen Niederschlag in das Gewässer leitet. Wie viel Wasser wie schnell im Fließgewässer ankommt, hängt vom Boden des Einzugsgebiets ab, der Niederschläge wie ein Schwamm aufnehmen und langsam wieder abgeben kann. Die Wassermenge, die ein Boden aufnehmen kann, hängt dabei stark von der Bodennutzung ab: Wälder und natürliche Grünflächen verfügen über eine sehr hohe Aufnahmekapazität, die ein Mehrfaches über der von landwirtschaftlichen Intensivflächen liegt. Versiegelte Flächen wie Straßen oder Industrieflächen können überhaupt kein Wasser aufnehmen. Das Wasser landet über die Kanalisation vollständig als Abfluss im Gewässer.
Das Zauberwort heißt Renaturierung
Ein Extrembeispiel für diesen Einfluss ist die Körsch, ein Seitengewässer des Neckars, deren Einzugsgebiet den Flughafen Stuttgart und die Fildern umfasst, das also von starker Bebauung und intensiver Landwirtschaft geprägt ist. Durch diese hohe Flächenversiegelung, so eine Untersuchung im Auftrag des Umweltbundesamts, liegen die Abflüsse der Körsch bei Starkregenereignissen heute um das Sechsfache über der natürlichen Abflussmenge.
Ein solches extremes Überlaufen eines Flusses, der Aach, hat 1988 in Radolfzell am Bodensee zum Umdenken geführt. Der Fluss darf sich seitdem sein eigenes, natürliches Flussbett schaffen. Auch die Zugwiesen bei Ludwigsburg sind ein gutes Beispiel dafür, wie die Natur vor Hochwasser schützen kann, wenn man sie gewähren lässt. 17 Hektar Auenfläche können im Notfall nicht nur viel Wasser speichern. Sie sind gleichzeitig auch Lebens- und Erholungsraum für Tier und Mensch.
3 Kommentare verfügbar
Karl Käfer
am 16.06.2016wer lesen kann ist klar im Vorteil: Der Artikel leugnet keinesfalls den Klimawandel - bestritten wird nur, dass er für die aktuellen(!) Hochwasserereignisse der maßgebliche Faktor ist, bzw. dass es nur diesen Faktor gebe.
Hartmann Ulrich
am 15.06.2016Die jüngsten Hochwasser taugen aber nur sehr bedingt als Beleg dafür: sie gingen - etwa hier im Hohenlohischen - nicht von den Flüssen aus, sondern von Bächen. Die Verwüstungen sind in den Ortskernen entstanden, die bebaut sind, seit das Land besiedelt ist. Die Hänge dahinter, von denen das Wasser herunterkam, sind bewaldet. Natürlich wird zu untersuchen sein, ob der Umgang mit den Gewässern, Verbauung oder auch der zunehmende Maisanbau die Schäden verschlimmert haben. Vermeiden ließen sie sich wohl nicht.
Horst Ruch
am 15.06.2016