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Profi-Fußball der Herren

Schland 2024?

Profi-Fußball der Herren: Schland 2024?
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Dass die Fußball-Europameisterschaft der Herren, die Euro 2024, ein neues Sommermärchen wird, ist zu bezweifeln. Die Zweifel sind allerdings eher infrastruktureller denn sportlicher Natur, meint unser Kolumnist.

200 und ungrad Tage vor dem Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft der Herren sind wir, ist das gastgebende Land infrastrukturell und auch sonst in einem wenig euphorischen State of Mind. Die Berichte bahnfahrender oder den lokaleren öffentlichen Nahverkehr nutzender Menschen geraten tagtäglich apokalyptischer, und es verfestigt sich der Eindruck, dass das alles in nicht allzu ferner Zukunft in einem großen Knall endet. Aber selbst wenn erste wütende Reisende zur Selbsthilfe greifen und ihren Zug einfach kapern, werden unsere Verantwortlichen weiterhin mit concernter Miene Betroffenheit und Aktionismus heucheln – und ansonsten weiter gar nichts unternehmen. Da ist die Bahn bzw. da sind die Bahnreisenden ja auch nicht alleine in ihrem Elend.

Die Zustände in der Stuttgarter Ausländerbehörde, in der Zulassungsstelle und in fast allen anderen öffentlichen Ämtern und Behörden landauf, landab sind ja ebenfalls seit vielen Jahren schon in einem Zustand, den als skandalös zu bezeichnen blanker euphemistischer Hohn wäre. Hohn, den bildlich und exemplarisch und stellvertretend für etliche andere darzustellen der stellvertretende baden-württembergische Ministerpräsident Thomas Strobl bestens geeignet ist, wie er "mit gesundem Färble", ergo braungebrannt vor allem mal bei der Polizei aufkreuzt, um härtere Maßnahmen gegen Migranten zu fordern, weil ihm sonst aber auch überhaupt nichts einfallen mag, um sich beim Wahlvolk beliebt oder als verantwortlicher Politiker nützlich zu machen. Und auch wenn die Zuständigkeit für die städtischen Behörden nicht unmittelbar sein Revier ist – er, Strobl, steht allein deswegen schon für den Niedergang, weil er trotz einer ganzen Reihe von Skandalen und Skandälchen immer noch im Amt ist und sein Geheuchel tagein, tagaus weiter über die Menschen ausgießen darf.

Mit dem SEV durchs Land?

Aber zurück zum Sport, zum Fußball mit der Frage, wie sich das die Organisatoren denn so vorstellen mit der Euro 2024. Fahren die Millionen Fußballfans aus aller Damen und Herren Länder mit der Bahn, die nicht kommt? Oder nehmen sie den Schienenersatzverkehr, dem sowohl das nötige Personal wie auch die funktionierenden Fahrzeuge fehlen? Wenn 2.000 Iren am Bahnhof Mannheim mit dem Offenbarungseid der Deutschen Bahn konfrontiert werden, dann wird man sich noch sehnlichst wünschen, das wären "nur" ein paar aufeinandertreffende Dortmunder und Hamburger Fußballfans auf Auswärtsfahrt.

Die Taktik des Betroffenheit-Heuchelns und Aktivität-Vorschützens bei gleichzeitigem absoluten Nichtstun wird freilich auch in dieser Sache wieder zur Anwendung kommen. Und sie wird ein großes Chaos verursachen, ein Chaos, das der restlichen Welt einmal mehr zeigen wird, was für ein Land Deutschland ist. Ein Land übrigens, das ja nun sogar bei Amnesty International erstmals in einer Liste der Länder auftaucht, in denen das Recht auf Versammlungsfreiheit zunehmend eingeschränkt werde. Als Beispiele hierfür dienen "Präventivhaft, Schmerzgriffe, repressive Gesetzgebung und Versammlungsverbote".

Kümmern tut's keinen, denn nix kümmert mehr irgendwen. Wie wir Probleme nicht lösen, wie wir Einwander:innen behandeln und die gesamte Einwanderungsfrage gar nicht behandeln; wie wir über die Jahre bei vollem Bewusstsein zum europaweiten Zentrum für Menschenhandel und Sextraffic wurden. Wie unsere Verkehrswege und die gesamte Infrastruktur, wie die Verwaltung und das Gesundheitssystem immer mehr vor die Hunde gehen und so weiter und so fort. Kümmert keinen. Bis es knallt.

Und dann auch noch Doping

Der DFB hat ja nun im Hinblick auf die Euro 2024 und den zwischenzeitlich auch dort drohenden Knall mit den Personalien Nagelsmann (Bundestrainer) und Rettig (Geschäftsführer Sport) erstmal ein bisschen Zeit gewonnen – auch wenn bei Letzterem abzuwarten ist, ob er genauso emsig Veränderungen fordert, wie er das sonst immer vor allem dann tut, wenn er kein Amt bekleidet. In Zeiten, in denen er aktiv beteiligt war am "Business", da war er nämlich auch gerne mal deutlich stiller und weniger fordernd in seinen Forderungen. Und bei Ersterem, beim Bundestrainer – da wird man sehen, ob er in der Lage ist, die Nationalmannschaft so zu orchestrieren und zu dirigieren, dass sie da mitspielt, wo sie von der Klasse ihrer Einzelspieler her zwingend mitspielen müsste – nämlich zumindest in der erweiterten Weltspitze.

Knallen tut es aber womöglich bald in anderen Sportarten. Beim Radsport, in der Leichtathletik – da purzeln die Weltrekorde, da explodieren die Leistungen weiter, da dominiert das Team Jumbo Visma den Straßenradsport derartig, dass die Seriensieger alleine wegen des Mediendrucks ausnahmsweise auch mal den Sepp Kuss die Vuelta gewinnen lassen. Da werden immer schnellere Zeiten gefahren und gelaufen, immer höher und weiter wird gesprungen, immer lauter gemunkelt, im Radsport nicht nur über Mittelchen sondern auch über Motörchen – und im Fußball haben sie sogar mal wieder einen erwischt, den Franzosen Pogba. Da mag sich manch einer erinnern, dass einst ausgerechnet der VfB Stuttgart von 1893 besonders gerne zum Doc nach Freiburg fuhr, für Pillen und Pülverchen und ein Kanülchen hier und da. Klümper-Cocktail Hilfsbegriff. Wie lange es wohl noch dauert, bis das Thema Doping die Welt des Sports einmal mehr erschüttert? Wir geben ab zum Biathlon und Langlauf ...


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1 Kommentar verfügbar

  • Eugen
    am 27.09.2023
    Antworten
    "... mit concernter Miene ..."
    Geht's noch saudummer?
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