… wie bei der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". Mittlerweile müsste jeder wissen, welche Folgen medialer Einheitsbrei hat: Politikverdrossenheit, Anfälligkeit für Fake News und so weiter. Trotzdem passiert nichts von Seiten der Politik. Kann Politik da nichts tun?
Natürlich könnte Politik handeln. In anderen Ländern hat man ja schon vor Jahrzehnten begonnen, etwas für die Zeitungsvielfalt zu tun. Aber ich bin gar nicht überzeugt von Ihrer These, dass alle Welt weiß, was es bedeutet, wenn Politik auch im Lokalen kaum noch dargestellt wird. Ich glaube, das ist überhaupt nicht allen klar. Und vielleicht ist es für manchen Politiker auch ganz schön, wenn er nicht kritisiert wird.
Solche gibt es sicherlich. Aber es gibt auch Bürgermeister:innen und Gemeinderät:innen, die sauer sind, wenn aus ihren Rathäusern nicht mehr berichtet wird.
Ja, es gibt ja immer wieder Proteste, wenn irgendwo eine Lokalredaktion eingestellt wird. Viele Kommunalpolitiker – sicherlich nicht alle – wissen um die ganzen entscheidenden Vorteile, die eine ordentliche Lokalberichterstattung für die Kommunen bringt. Und wir wissen vor allem aus Studien aus den USA, dass mit dem Sterben von Lokaljournalismus viele andere Vorgänge verbunden sind, auf die man nicht gleich kommt: Beispielsweise nimmt die Korruption zu, und zwar jegliche Art von Korruption. Auch die Verschuldungsneigung in den Gebietskörperschaften nimmt zu. Also es geht um mehr als den Verlust von Information für den mündigen Bürger.
Und trotzdem tut sich nichts auf der politischen Ebene. Haben Sie eine Idee, warum nicht?
Es war immer schwierig für die Politik, in diesen Markt einzugreifen. Man hatte ja nach dem Zweiten Weltkrieg beim Neuaufbau unseres Mediensystems die Printmedien ganz gezielt der Privatwirtschaft überlassen. Eingriffe da hinein kann natürlich die Gefahr bergen, dass die Politik das dann zielgerichtet für sich selbst nutzt. Also Subventionen beispielsweise nur dann, wenn es eine genehme Berichterstattung gibt oder ähnliches. Aber es gibt natürlich Wege, die eine solche Möglichkeit der Korruption oder der Steuerung verhindern. Skandinavien zeigt das seit vielen Jahren.
Was machen die Länder im hohen Norden anders?
Es gibt unterschiedliche Wege in Skandinavien, alle sehen vor, diejenigen zu unterstützen, die sehr kleine Auflagen haben. Ein Kriterium kann auch sein, wie viele Journalisten tätig sind. Also Geld bekommt nicht derjenige, der zwar eine kleine Auflage hat, aber journalistisch nichts Eigenständiges leistet, sondern er muss nachweisen, dass eine Redaktion tätig ist, die für Vielfalt in der Berichterstattung sorgt. Den Rahmen setzt die Regierung beziehungsweise das Parlament und dann wird ein neutrales Gremium zwischengeschaltet, das diese Gelder nach klaren Kriterien weitergibt.
Es gibt also Modelle in Europa, die funktionieren.
Eine Vielzahl von Modellen. Wir sind eines der wenigen Länder, in dem es eine solche Art der Printmedienförderung nie gegeben hat. Ich finde, wir haben längst den Zeitpunkt erreicht, wo das hätte passieren müssen, um eben ein wenig an Vielfalt noch zu erhalten.
Zurück zu Baden-Württemberg: In großen Teilen der Republik beherrschen bereits ein bis zwei Medienkonzerne den Zeitungsmarkt. Ist mit dem Verkauf der SWMH-Regionalzeitungen Baden-Württemberg nun nachgezogen?
In Teilen vielleicht. Baden-Württemberg hatte längere Zeit unter den Flächenländern immer noch einen relativ kleinteiligen Lokaljournalismus. Aber hier wird ja schon seit Jahren an vielen Stellen gekauft und so gibt es zwar noch viele Titel, aber diese Titel kaschieren nur, dass dahinter häufig nur ein Besitzer steht. Da wird oberflächlich Vielfalt gezeigt, aber dahinter stecken ein paar wenige Konzerne, das gilt auch längst in Baden-Württemberg.
Herr Röper, hat das Kartellamt schon mal Zeitungsfusionen untersagt?
Ja klar, das haben sie schon, vor allem in früheren Jahren. Da wurden einige Fusionen untersagt. Nachdem der Bundestag aber mehrfach das Kartellrecht gerade in puncto Medienvielfalt zahnloser gemacht hat, haben die Richter beim Bundeskartellamt in Bonn kaum noch Möglichkeiten, solche Fusionen zu untersagen. Und insofern werden sie heute in aller Regel genehmigt.
Wie schnell wird Ihrer Einschätzung nach das Bundeskartellamt den Verkauf der hiesigen Zeitungen an den Verlag der "Südwest Presse" genehmigen?
Das ist eine vielschichtige Fusion, die da angestrebt wird, das wird dauern. Die Kartellrichter müssen sich ja erst mal ein Bild machen. Die müssen sich diese ganzen lokalen Märkte der einzelnen Zeitungen ansehen: Gibt es da noch irgendeinen Wettbewerb? Würde diese Fusion einen anderen Wettbewerber in eine ganz schlechte Position bringen? Also zumindest müssen sie sich das alles mal angucken. Und da es ja heute nichts mehr an Literatur und intensiven Studien über die Zeitungsmärkte gibt, können sie auf nichts zurückgreifen, gibt ja nichts. Insofern ist das schon aufwendig und wird eine Weile dauern. Im Normalfall prüfen die auch alle Anzeigenblätter in solch einem Gebiet, die ja auch betroffen sind. Da geht es um die Werbewirtschaft. Das ist schon umfassend.
Horst Röper, 73, ist immer noch einer der führenden Zeitungswissenschaftler in Deutschland. Der Dortmunder war Mitbegründer des Formatt-Instituts, das regelmäßig Studien zur Pressekonzentration erarbeitete. Seitdem der Experte sich 2020 zur Ruhe gesetzt hat, gibt es keine neueren Daten mehr zur Medienkonzentration.
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Thomas Rothschild
vor 6 Stunden