55 Stellen sollen im Stuttgarter Pressehaus eingespart werden – ein Kahlschlag von nie dagewesenem Ausmaß. Unseren Hintergrundbericht "Auflösung einer einst stolzen Zeitung" finden Sie hier.
Zeit, das Abo zu kündigen
Von Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen
"Vielleicht brechen die Stuttgarter Zeitungen als erste in eine neue Zukunft des Digitaljournalismus auf. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die angekündigte massive Stellenstreichung nur das goldene Ende der Verlagszeit kennzeichnet.
Baden-Württemberg hat historisch bedingt eine großartige Vielfalt an Zeitungen. In nicht wenigen Städten buhlten früher mehrere Blätter um Leserschaft. Vorbei. Auch "Stuttgarter Nachrichten" und "Stuttgarter Zeitung" sind seit der letzten Sparrunde kaum noch unterscheidbar. Die meisten Verlage bestehen auf gleich bleibender Rendite und sparen wegen zurückgehender Einnahmen die Qualität der Redaktionen erbarmungslos ins Minus. Offenbar glaubt man nicht an die Zukunft der Zeitung, sondern lässt sie mit guten Gewinnen auslaufen. Das Ergebnis ist furchtbar. Mir bereitet Zeitungslektüre wegen Einseitigkeit, fehlender Fachlichkeit und immer weiter wachsender Fehler mittlerweile jeden Abend Schmerzen. Und bei den beiden Stuttgarter Zeitungen dürfte das im nächsten Jahr massiv zunehmen. Das ist dann wohl der Zeitpunkt, nach 20 Jahren mein Abo zu kündigen. Für Partnerschaftsberatung brauche ich keine Tageszeitung.
Was kann man noch tun? Mir scheint immer klarer, dass es zur Rettung des Lokaljournalismus als wesentlichem Element der kommunalen Demokratie eine öffentliche Grundfinanzierung braucht. Die Zeitung als Online-Produkt erfordert keine teure Druckerei mehr. Das Druckmaschinenmonopol ist Geschichte. Zeitung kann heute jeder. Redaktionsteams sollten sich für einen Zeitraum von fünf Jahren um eine Konzession für Lokaljournalismus bewerben und dafür voll finanziert werden. Einzige Bedingung: Qualität."
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Baden-Joker
am 31.01.2022