In den 70er Jahren hatte die Politik der Behörde die Aufgabe übertragen, die damalige Konzentrationswelle in der Zeitungsbranche zu beenden und dadurch für den Erhalt von Vielfalt zu sorgen. Insbesondere der Essener WAZ-Konzern war zum Sinnbild einer zerstörerischen Kraft für die grundgesetzliche geforderte Medienvielfalt geworden. Der Konzern hatte sich den wenig schmeichelhaften Beinamen Krake eingehandelt, in deren Tentakeln sich immer mehr kleine und mittlere Zeitungsverlage in Nordrhein-Westfalen verfangen, ihre Eigenständigkeit eingebüßt hatten und letztlich vom Markt verschwunden waren.
Auch in Baden-Württemberg ist die Zeitungsvielfalt schon seit Jahren stark eingeschränkt. Rund die Hälfte der Bevölkerung lebt in Gebieten mit nur einer Zeitung. Wahlmöglichkeiten haben die LeserInnen nicht. Die Befürchtung ist groß, dass dieser Anteil wachsen wird. Die neue deutsche Welle heißt redaktionelle Kooperation. Bei den Hauptredaktionen von "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" ist sie seit einem Jahr realisiert, mit dem Ergebnis weitgehend identischer Inhalte. Noch deutlich höhere Kosteneinsparungen sind bei den Lokalredaktionen zu erzielen, vor allem dann, wenn sie einem selbst gehören. Deshalb ist es nach wie vor lukrativer und auch einfacher, Nachbarverlage zu übernehmen, als in fremden Regionen zu investieren. Siehe "Eßlinger Zeitung" und "Kreiszeitung Böblinger Bote".
Die Strategie der Verleger heißt heute nicht mehr, die Konkurrenz mit harten Bandagen zu bekämpfen. Sie will kostspieligen Wettbewerb vermeiden. Eine beliebte Methode ist inzwischen, unterschiedlichen Zeitungen einen einheitlichen oder in weiten Teilen deckungsgleichen Lokalteil beizufügen. Nach dem neuen Motto: Warum zwei Lokalredaktionen an einem Ort unterhalten, wenn eine ausreicht. In den letzten Jahren sind in NRW Dutzende von Lokalredaktionen aufgegeben oder auf eine Minibesetzung mit ein, zwei Redakteuren reduziert worden.
Fazit: Es gibt heute noch mehr Anlass als damals, Zeitungsfusionen zu beobachten beziehungsweise zu untersagen. Das gilt für die Folgenabschätzung im Werbemarkt und mehr noch für das verfassungsrechtliche Gebot der Vielfaltsicherung. Doch da die kartellrechtliche Kontrolle immer schwächer wird, können die Kraken weiter ihre Fangarme ausstrecken. Eine der aktivsten ist derzeit die SWMH. Die Folgen ihrer Beutezüge werden erst allmählich sichtbar.
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Horst Röper (64) gilt als der beste Kenner der Medienkonzentration in Deutschland. Er ist Geschäftsführer des Medienforschungsinstituts Formatt in Dortmund.
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Rolf Steiner
am 31.03.2017