Ganz im Osten Baden-Württembergs, an der Grenze zu Bayern, liegt die Gemeinde Fichtenau, die mit ihren knapp 5.000 Einwohner:innen "zu klein ist für eine eigene Zeitung". So sagt es Anja Schmidt-Wagemann, die parteilose Bürgermeisterin, die gerade am Anfang ihrer zweiten Amtszeit steht und stolz ist auf ihren Ort: Auf Facebook teilt sie regelmäßig idyllische Schnappschüsse, zum Beispiel von eingeschneiten Wanderwegen oder vom Blick auf den kleinen See Brettenweiher, und immer mit dem Kommentar: "So schön ist Fichtenau ..."
Doch wenn die Gemeinde in Schlagzeilen auftaucht, ist der Anlass meist weniger hübsch: Dann gab es vielleicht eine Schlägerei im Ortsteil Matzenbach. "Oftmals wird nur was Reißerisches oder Negatives gesucht", ärgert sich Schmidt-Wagemann, die eigentlich überzeugt ist, dass "mehr Aufklärung und Information aus erster Hand sinnvoll wäre". Aber eben sorgfältig recherchiert und nüchtern aufbereitet. "Wir haben einen Reporter, der in unserer Gemeinde wohnt", erklärt die Bürgermeisterin gegenüber Kontext. "Seine Berichte sind immer angenehm zu lesen und sehr sachlich. Allerdings schreibt er nicht so oft über uns – und zudem hat er jetzt auch noch gekündigt."
Fichtenau ist eine von rund 200 Gemeinden in Baden-Württemberg, über die nicht regelmäßig berichtet wird. Eine Untersuchung des Journalisten und Sozialwissenschaftlers Maxim Flößer kam kürzlich zu dem Befund, dass das Fehlen von Lokalzeitungen das Erstarken populistischer Kräfte begünstigt. So spielen die Bundestagsparteien im Fichtenauer Rathaus bislang zwar keine Rolle – die 14 Sitze im Gemeinderat teilen sich die Freie Wählervereinigung und die Fichtenauer Bürgerliste. Bei der Landtagswahl 2021 kam die AfD im Ort allerdings auf 18,2 Prozent der abgegebenen Stimmen, was deutlich über dem Landesdurchschnitt lag (9,7 Prozent). "Wenn ich lesen kann, dass der Metzger in meinem Ort sein Angebot erweitert oder die lokale Fußballmannschaft, bei der meine Tochter oder mein Sohn kickt, erfolgreich ist, dann stärkt das das Gefühl von Zusammenhalt", erklärte Flößer vergangene Woche im Interview mit dem "Zeitungsverlag Waiblingen". Wo die Öffentlichkeit aber uninformiert bleibt, beispielsweise nicht erklärt bekommt, warum gerade eine Straße gesperrt wird, befördert das Unverständnis und Missgunst. Bürgermeisterin Schmidt-Wagemann meint ebenfalls, dass sachliche Berichterstattung dazu beitragen könnte, Gemüter zu beruhigen.
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Karl Heinz Siber
am 17.03.2024