"Machen wir uns nichts vor", betont Becker, ein kurzes Bedauern im Blick, "auch in unserer Branche geht's über den Preis." Chefredakteure, die glaubten, es funktioniere über Leitartikel – das war gestern. Der Satz ist so klar wie ernüchternd und lässt die Claims der Balinger Verleger ("Wir sind der ZAK"/"Ihr ZAK ist derselbe, der Echte, nur jetzt in Gelb") so hilflos-trotzig erscheinen. Warum soll das Publikum das glauben? Weil ihr (alter) gelber ZAK ein neues Layout hat und die (neue) SWP das altvertraute beibehalten hat? Weil es weiterhin Familienanzeigen an der gewohnten Stelle gibt? Eine Antwort ist von dieser Seite nicht zu erhalten. Die Redaktion verweist auf Geschäftsführer Welte, der leitet an Obergeschäftsführer Schumacher weiter, weil der "Ober den Unter sticht", und der Ober sagt, Papierleser:innen abzuwerben sei kein Zukunftskonzept, da Print keine Zukunft habe.
Balingen markiert das Ende der Komfortzone
Das mag langfristig richtig sein, aber Stand heute ist die Rechnung eine ganz einfache. Nach ihren Angaben werden die Ulmer von einer "überwältigenden Nachfrage" heimgesucht, fürs Erste kalkulieren sie mit 3.000 Printabos a 35 Euro im Monat, also 1,26 Millionen im Jahr, die Anzeigenerlöse noch nicht eingepreist. Die örtlichen Bestatter jedenfalls, registriert Chefredakteur Becker, seien bereits "freudig erregt". Das gerne vorgetragene Argument, hier müsse das Kerngebiet für die treue Leserschaft verteidigt, womöglich noch die Pressevielfalt gestärkt werden, darf also relativiert werden. Unterm Strich lautet das Fazit: Was die "Südwestpresse" gewinnt, verliert die Schwäbische.
Und damit ist der Kleinkrieg auf der Alb ein treffliches Beispiel für den Paradigmenwechsel im Zeitungsgewerbe, auch in Baden-Württemberg. Zur Geschichte werden die Gebietsabsprachen, die Nichtangriffspakte und Stillhalteabkommen unter den Verlegern. Von wegen Konkurrenz. Es war ja genug für alle da. Heute denken sie, es helfe ihnen nur noch kaufen oder verkaufen, fressen oder gefressen werden, überleben nur mit wachsen. Die SWMH hat es vorgeführt, mit dem Ergebnis, dass aus Vielfalt Gleiches wird, jüngstes Beispiel ist die gekaufte "Eßlinger Zeitung".
Jetzt kommt die "Schwäbische Zeitung" (Auflage 135.000). Ihr CEO Schumacher macht keinen Hehl daraus, dass er auf Expansionskurs ist, weitere Verlage kaufen will, um die digitale Transformation, die sauteuer ist, stemmen zu können. "Ziemlich befremdlich" findet er es allerdings, wenn in der Branche immer wieder Fürst Erich von Waldburg zu Zeil und Trauchburg als Dagobert Duck ins Spiel gebracht wird. Der Adelsherr ist einer der größten Waldbesitzer Deutschlands, geschätztes Gesamtvermögen 650 Millionen Euro, und Gesellschafter beim Schwäbischen Verlag. Auf eine "Kriegskasse" einzelner Gesellschafter sei der Verlag "nicht angewiesen", betont Schumacher, außerdem sei der Fürst nur einer von fünfen. Und damit kein falscher Eindruck entsteht, ist ihm wichtig zu sagen, dass er kein Interesse an "irgendwelchen Scharmützeln" habe.
2 Kommentare verfügbar
karlkeinz
am 12.02.2023so deutlich habe ich es noch nirgends gelesen!!!!!