Zur richtigen gehören der formal korrekte Umgang. Deutlich komplizierter wird es, wenn Abgeordnete fröhlich plaudernd mit AfD-Vertretern im Foyer zusammenhocken. Was wohlgemerkt ein Alleinstellungsmerkmal der CDU ist, denn die anderen drei Parteien meiden solche Kontakte konsequent. Hingegen sind joviale Begrüßungen zwischen Christdemokrat:innen und Alternativen längst nicht mehr ungewöhnlich und gut hörbar in Aufzug oder Treppenhaus. Auch Privates ist dabei nicht tabu. Eine Entwicklung der Bräuche, die Baden-Württembergs Landtag nicht zum ersten Mal erlebt. Ziemlich rasch waren 1992 konservativen Hemmungen im Umgang mit den rechten Republikanern des Rolf Schlierer gesunken, viel rascher jedenfalls als jene zehn Jahre zuvor mit den Grünen. Erst Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) hatte ab 1984 höchstpersönlich dafür gesorgt, dass zuerst der neue grüne Fraktionschef Fritz Kuhn und mit ihm die anderen acht Abgeordneten angemessen und nicht als Störenfriede behandelt wurden, sondern als Volksvertreter:innen.
Rechtsextremisten in Parlamenten und Verwaltungen
Wie berechtigt es ist, die Brandmauer gegenüber der AfD aufrecht zu halten, belegen nicht nur unterirdische Zwischenrufe und krude Reden. Mit den Fraktionen sind Beschäftigte in die Verwaltungen gespült worden, die in Parlamenten nichts zu suchen haben sollten. Der "Bayerische Rundfunk" machte zum Wochenbeginn Recherchen öffentlich, wonach für die AfD-Bundestagsfraktion mehr als hundert Personen aus Organisationen arbeiten, die von deutschen Verfassungsschutzämtern als rechtsextremistisch eingestuft sind. Ein großer Teil stammt aus der Jungen Alternative (JA) und aus den Landesverbänden Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Verfassungsschutzämter sehen sie allesamt als gesichert rechtsextremistisch an. Der Landtag hat seine Regeln schon vor mehr als fünf Jahren verändert, nachdem einschlägige Beschäftigungsverhältnisse publik geworden waren. Wer jetzt als Mitarbeiter eingestellt werden will, muss zumindest ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.
Inzwischen steht auch die Einstufung der AfD insgesamt auf der Tagesordnung. Seit 2019 ist die Partei ein sogenannter Prüffall, seit 2021 sogar ein Verdachtsfall, was die rechtlichen Möglichkeiten der Behörden beim Sammeln von Informationen deutlich erweitert. Vor dem Oberlandesgericht Münster wird seit diesem Dienstag über die Klage der AfD gegen die Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall verhandelt, im Wesentlichen also darüber, ob der Verfassungsschutz die Partei beobachten darf oder nicht.
Kenner:innen der Szene halten es für ausgesprochen wahrscheinlich, dass, falls die Einstufung Bestand hat, das Bundesamt für Verfassungsschutz einen weiteren Schritt gehen will und die Partei als gesichert rechtsextrem beurteilen könnte. Dann verbietet sich die lockere Zweisamkeit am Stehtisch erst recht. Denn für sachlich unabdingbare Gespräche zwischen Parlamentsvize und AfD-Fraktionschef ließe sich gewiss ein anderer Rahmen finden. Oder genauer: Es muss sich einer finden lassen.
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Frank-Ulrich Seemann
am 14.03.2024