Ja, im Allgemeinen ist die Bevölkerung für Klimaschutz. Aber in derselben Umfrage sagen die Leute auch, dass sie keine CO2-Abgabe bezahlen wollen.
80 bis 90 Prozent der Menschen, die sagen, Klimaneutralität ist ein wichtiges Ziel, ist doch ein Fundament, auf dem wir aufbauen können. Der zweite wichtige Punkt ist: 40 Prozent – das muss uns natürlich hellhörig machen – sind davon überzeugt, dass die Transformation ihre ökonomische und soziale Situation verschlechtern wird. Das sind soziale Abstiegsängste. 40 Prozent sind sehr viel. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Transformation sozial gerecht gestalten. Die Menschen wollen, dass es fair zugeht. Unsicherheit ist ein weiteres großes Thema – wo soll das alles eigentlich hingehen? Und das ist wiederum eine Frage von Kommunikation. Ich weiß, dass das ein bisschen naiv klingt, aber ich traue mich jetzt mal, das zu formulieren: Ich wünsche mir, dass es zur Klimaneutralität einen Pakt der Demokraten gäbe. Dieses gesellschaftliche Ziel wird momentan von vielerlei Seiten in Frage gestellt oder relativiert. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen machen sich Sorgen, dass es heute in die eine Richtung geht, morgen in die andere Richtung. Wir müssen die Unsicherheit reduzieren. Das wäre für wirtschaftliche Entwicklung und auch für soziale Stabilität wichtig.
Natürlich sind wir uns einig, dass man ärmere Leute nicht sitzen lassen kann. Aber Strom und Gaspreisbremse und auch ein Klimageld für alle: Ist das nicht einfach eine Maßnahme, die auch kontraproduktiv ist? Sie regt ja nicht an zum Sparen von Energie?
Die Idee des Klimageldes ist, dass es die CO2-Bepreisung ausgleicht und zu einer Entlastung der Bürgerinnen und Bürger beiträgt. Wir wollen die Menschen nicht schröpfen für den Klimaschutz. Wir wollen durch die CO2-Bepreisung eine Lenkungswirkung erreichen. Deswegen finde ich das Klimageld vernünftig. Damit würden auch diejenigen, die weniger emittieren, also eher die unteren Einkommensschichten, mehr profitieren als die oberen Einkommensschichten. Wir sollten beim Klimageld jedoch nicht stehen bleiben. Wir haben einige Millionen Haushalte in Deutschland mit Menschen jenseits der 65 mit einer niedrigen Rente. Sie wohnen oft in älteren Häusern, mit alten Heizungen, die schlecht isoliert sind. Diese Menschen sind davon ausgegangen, dass ihre Häuser ihre Altersvorsorge sind. Die machen sich jetzt Sorgen, ihr Haus klimaneutral mit hohen Kosten umrüsten zu müssen, und diese Sorgen sind nicht ungerechtfertigt. Entsprechende Förderung auf diese vulnerablen Gruppen zu konzentrieren, scheint mir besser zu sein, als Förderungen mit der Gießkanne zu verteilen.
Wer mehr zahlen muss, ist verärgert. Was halten Sie von den Bauerndemos?
Die Bauern haben an zwei Punkten recht. In der Landwirtschaftspolitik ging es, wenn Sie sich die letzten 20, 30 Jahre angucken, oft hin und her. Alle paar Jahre gab es neue Auflagen in die eine oder die andere Richtung. Das macht Investition und Planung sehr schwierig. Dass die Bauern darauf hinweisen, kann ich gut nachvollziehen. Womit sie auch recht haben, ist, dass die Regelungen häufig sehr kompliziert und detailliert sind. Gleichzeitig entstehen im landwirtschaftlichen Sektor auch Umweltprobleme. Ungefähr 25 Prozent der Treibhausgasemissionen weltweit und um die 14 Prozent in Deutschland sind mit dem landwirtschaftlichen Sektor verbunden. Dabei sind die landwirtschaftlichen Betriebe auch selbst direkt vom Klimawandel betroffen. Die gute Nachricht ist: Wir haben die Ergebnisse der Borchert-Kommission, die sich mit der Tierhaltungsproblematik beschäftigt und gute Ergebnisse erarbeitet hat. Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat erstaunliche Kompromisse zwischen Landwirtschaft, Bauernverbänden, Umweltverbänden und der Wissenschaft zustande gebracht. Die sollten jetzt umgesetzt werden und gewissermaßen das Drehbuch für die Veränderungen bilden.
Die Wissenschaft, Umfragen, sogar die Industrie fordern ähnliche Dinge wie Sie jetzt gerade mit dem Einsparen oder Vermeiden von klimaschädlichen Subventionen. Und auch in der Justiz findet das Anklang. Wir hatten nicht nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Regierung mahnt, mehr für den Klimaschutz zu tun. Es gab kürzlich auch vom Oberlandesgericht Berlin ein Urteil in die gleiche Richtung. Haben Sie Hoffnung, dass Ihre Forderung von der Regierung erhört wird?
Ich war 2020/21 sehr optimistisch. Damals gab es das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das Sie gerade angesprochen haben. Die Ampel kam an die Regierung und legte ein ambitioniertes Klimaschutzprogramm vor. Wir hatten Fridays for Future auf der Straße und auf EU-Ebene den European Green Deal. Klimaschutz und Umweltverträglichkeit nahmen Fahrt auf. Von diesem Pfad sind wir abgewichen. Wirtschaft und Gesellschaft sind irritiert durch neue Krisen, die uns das Leben schwer machen. Der Krieg in der Ukraine, der Nahostkonflikt, Inflation – das lenkt ab von Klimaschutz und grüner Transformation. Da muss man Durchhaltevermögen mobilisieren. Die Transformation ist keine einfache Angelegenheit. Da müssen sich viele Akteure anstrengen. Wir erleben jetzt Widerstände von denjenigen, die den Eindruck haben, dass ihnen alles zu schnell geht. Wir brauchen deswegen eine erneute Versicherung der demokratischen Parteien, dass die klimaneutrale Transformation keine Sonntagsreden-Veranstaltung ist, sondern die Lebensversicherung für die folgenden Generationen auf diesem Planeten. Das ist aus manchen Köpfen wieder verschwunden und muss erneut befestigt werden.
Man darf niemanden alleine lassen, weder den kleinen Bürger noch die Industrie. Aber ist es nicht auch ökonomisch vernünftig, heute vielleicht 100 Milliarden Schulden zu machen? Denn um das gleiche Ziel zu erreichen, müsste ich morgen wahrscheinlich 200 Milliarden in die Hand nehmen.
Nicht zu handeln ist die teuerste Option. Alle Studien auf nationaler, europäischer und auch globaler Ebene besagen, dass Investitionen in die Transformation zur Klimaneutralität in jedem Fall billiger sind als die Kosten, die wir zu erwarten haben, wenn wir nichts ändern. Nicht zu handeln ist die teuerste Option. Hätten wir vor 20 Jahren ambitionierter damit angefangen, wäre es uns billiger gekommen, als es heute der Fall ist. Wir müssen jetzt anspruchsvoll sein. Klimaschutz ist das Gebot der Stunde. Ansonsten schließt sich die Tür, um gefährlichen Klimawandel noch wirksam begrenzen zu können.
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