KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Gaslobby

Fossil bleibt schmutzig

Gaslobby: Fossil bleibt schmutzig
|

Datum:

Wärmepumpen heizen klimaneutral – auf Kosten der Fossilkonzerne. Also beauftragte die britische Gaslobby eine Angstkampagne, die an die deutsche Heiz-Hammer-Hysterie erinnert. Bezahlt auch von der englischen Gasboiler-Tochter des Stuttgarter Bosch-Konzerns.

Die Nachfrage nach klimaschonenden Wärmepumpen ist hierzulande drastisch eingebrochen. Beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wurden im ersten Halbjahr 48.804 Anträge für die Förderung dieses Heizungssystems gestellt, berichteten die Zeitungen der Funke Mediengruppe. Im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres waren es noch 97.766 Anträge. "Die BAFA-Zahlen sind ein Zeugnis der enormen Verunsicherung, die das geplante Heizungsgesetz ausgelöst hat", kommentierte Frank Ebisch, Sprecher des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVHSK).

"Das ist so eine Kombination aus wahnsinnig vielen Falschannahmen und Falschbehauptungen, die in der Öffentlichkeit rumgeistern und die dazu führen, dass viele Leute das kritisch sehen", sagte der "Table Media"-Journalist Malte Kreutzfeldt Ende Mai im "Übermedien"-Podcast. Fehlende Fachkenntnis bei einem Teil der Politiker:innen und Journalisten:innen hätten die Empörungswelle über Wärmepumpen und den grünen Klimaminister mit aufgeschaukelt. Zudem wäre die übliche Kommunikationsstrategie Robert Habecks, alles ruhig und sachlich zu erklären, nicht aufgegangen. Denn hier gehe es um die finanziellen Interessen der Gasbranche, die um ihre Geschäftsmodelle fürchtet, so Kreutzfeldt. So erzielten allein die deutschen Gasanbieter im Jahr 2021 durch den Verkauf von Erdgas an Letztverbraucher einen Umsatz von 42 Milliarden Euro. Im vergangenen Krisenjahr erzielten die großen Energieversorger auch dank gestiegener Gaspreise Rekordgewinne.

Dass die Branche tatenlos zuschaut, wenn fossile Gasheizungen massenweise aus den Heizungskellern verschwinden, war nicht erwartbar. Stattdessen liegt es nahe, dass ihre Lobby alle Hebel in Bewegung setzt, um Reduktionsziele zu verwässern und die Wärmewende hinauszuzögern. Wie verwerflich die Gaslobby dabei vorgeht, zeigt sich in Großbritannien, wo die konservative Tory-Regierung die klimaneutrale Beheizung von Gebäuden sogar stärker forciert als die Berliner Ampelkoalition. Mit Strom betriebene Wärmepumpen sollen eine Schlüsselrolle beim Ersatz von Gaskesseln spielen, die derzeit rund 85 Prozent der britischen Haushalte heizen und landesweit für 15 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.

Die Regierung fördert seit dem vergangenen Jahr Wärmepumpen mit 5.000 Pfund, was im günstigsten Fall die Investitionskosten auf das Level einer neuen Gastherme drückt. Schmerzlich dürfte für die Branche auch sein, dass Herstellern von fossilen Heizkesseln ab 2024 eine Quote für die Installation von Wärmepumpen im Verhältnis zu ihren verkauften Gas- oder Ölkesseln auferlegt werden soll. Verkaufen sie nicht genügend Wärmepumpen, würden saftige Geldstrafen fällig. Bis zum Jahr 2028 sollen so jährlich 600.000 neue Pumpen installiert werden. Doch trotz höherer Subventionen als in vielen anderen europäischen Ländern wurden im Vereinigten Königreich 2022 nur 60.000 Wärmepumpen installiert, während es in Polen und Italien 200.000 waren.

Teuer, laut, sowjetisch

Warum die britische Wärmewende lahmt, deckte jetzt das britische Investigativ-Portal "DeSmog" auf. Demnach versuchte die Gaslobby nicht nur, die Gesetzgebung in öffentlichen Anhörungen zu beeinflussen. Sie schreckte auch nicht vor schmutzigen Methoden zurück: Geleakte Dokumente beschreiben eine intensive zweijährige Kampagne, die Wärmepumpen öffentlich in ein schlechtes Licht rücken sollte. Parallel dazu wurde bei Regierung und Oppositionsparteien für Wasserstoffheizungen geworben, obwohl der Weltklimarat IPPC sowie zahlreiche unabhängige Studien diesem Gas nur eine marginale Rolle bei der Dekarbonisierung von Heizungen zusprechen.

Laut "DeSmog" beauftragte der Lobbyverband Energy and Utilities Alliance (EUA), der britische Heizungshersteller und Gasproduzenten vertritt, die in Birmingham ansässige Werbeagentur WPR Agency für eine "integrierte PR- und Social-Media-Kampagne", um "die Richtung der Regierungspolitik zu ändern". In deren Zuge verbreitete WPR Hunderte von Artikeln und Interviews, in denen Wärmepumpen mit Halbwahrheiten und zweifelhaften Studien verteufelt und Wasserstoff als Brennstoff der Zukunft gepriesen wurden. Die Berichte erschienen in auflagenstarken Medien wie "The Sun", "Telegraph" und "The Express", übertitelt mit vernichtenden Schlagzeilen, die Wärmepumpen als "teuer und laut", "finanziell verrückt" oder "sowjetisch" geißelten. In populären Radioformaten wie "Newsnight" und "GB News" von BBC 2 wurden ähnliche Botschaften verbreitet.

Laut einer Google-Analyse von "DeSmog" vom April hat WPR im Laufe der 23-monatigen Kampagne zwei Drittel der negativen Berichte über Wärmepumpen generiert, die in britischen Boulevardzeitungen, im Rundfunk und in der Fachpresse erschienen sind. In ihrem Internetportal erklärte WPR offen, Ziel der Kampagne sei, "Outrage" ("Empörung") über Wärmepumpen zu entfachen. Was offenbar gelungen ist, wie die relativ geringen Installationszahlen nahelegen. Nachdem "DeSmog" die Agentur um Stellungnahme gebeten hatte, wurde das Kampagnenziel auf der Webseite in "Spark Conversations" (zu Gesprächen anregen) geändert.

Verunsicherung und Angst unter Haus- und Wohnungsbesitzern schüren: Die Parallelen zur hiesigen Wärmepumpen-Debatte sind frappierend. Nachdem Ende Februar ein Referentenentwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) an die "Bild"-Zeitung durchgestochen worden war, kochte die Diskussion hoch, wie Häuser und Wohnungen klimagerecht zu beheizen sind. Auch in Deutschland geschieht dies bislang vor allem durch Gas- und Ölheizungen, die laut Umweltbundesamt im Jahr 2020 insgesamt 144 Millionen Tonnen direkte und indirekte Kohlendioxidemissionen verursachten. Dies war rund ein Fünftel der gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands. Um den CO2-Ausstoß 2045 auf Null zu reduzieren, wie es das Klimaschutzgesetz verlangt, müssen auch in Deutschland fossile durch klimaneutrale Heizungen ersetzt werden.

Auf allen Kanälen: Hanebüchenes vom Hinterbänkler

Doch diese Mammutaufgabe ging in der Hysterie völlig unter. Allen voran polemisierten die Springer-Organe "Bild" und "Welt" gegen den "Heiz-Hammer" und Robert Habeck (Grüne) als zuständigen Klima- und Wirtschaftsminister. "Habeck führt uns in den Heiz-Kollaps", "Habecks Heiz-Hammer zerstört Altersvorsorge", "Habeck-Plan 'grenzt an Planwirtschaft'", lauteten die "Bild"-Schlagzeilen, die alle suggerierten, dass die grüne Wärmewende das Land dem Untergang weiht. Parallel dazu befeuerte die FDP auf der politischen Bühne den Streit. Wobei die Springer-Medien auffallend oft dem Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler als Sprachrohr dienten, der den bereits in der Ampelkoalition abgestimmten GEG-Entwurf mit teils hanebüchenen Behauptungen torpedierte. Von dem FDP-Hinterbänkler war bis dato nur wenig bekannt gewesen. Zum Beispiel, dass er den menschengemachten Klimawandel leugnet und das libertäre Prometheus-Institut gegründet hat, dem Verbindungen zur US-Klimaleugner-Szene nachgesagt werden.

Schäfflers Bekanntheitsgrad schoss in die Höhe, als er im April in "BILD" das Heizungsgesetz mit einer "Atombombe für unser Land" verglich. Fortan durfte er in Talkshows und Interviews über Technologieoffenheit philosophieren und Wasserstoffheizungen als Klimaretter preisen. Dass grüner (klimaneutral produzierter) Wasserstoff absehbar kaum verfügbar und relativ teuer ist, und dass es derzeit völlig unklar ist, ob und wie sich das 511.000 Kilometer lange Erdgasnetz in Deutschland überhaupt wirtschaftlich wie technisch umrüsten lässt, verschwieg Schäffler geflissentlich.

Zurück auf die Insel: Im Großteil der negativen britischen Medienberichte über Wärmepumpen wurde der ehemalige Labour-Abgeordnete Mike Foster als Experte zitiert. Foster ist Geschäftsführer der Energy and Utilities Alliance, deren Mitglieder nach eigenen Angaben für rund 98 Prozent der Heizungsinstallationen in Großbritannien stehen. Die Mehrheit der Unternehmen verkauft bislang ausschließlich fossile Gasthermen, einige jedoch auch Wärmepumpen. Zu Letzteren zählt der Marktführer auf dem britischen Heizungsmarkt: Worcester Bosch, die seit 1999 zum Stuttgarter Robert Bosch Konzern gehört. Kurios: In ihrem Internetportal wirbt die Firma für Wärmepumpen, die ihr schwäbischer Mutterkonzern produziert. Als gute Argumente für die Geräte dienen Effizienz, Leistung und Kosten – eben all das, was in der WPR-Kampagne stets bestritten wurde. Skurril auch: Worcester Bosch-Direktor Martyn Bridges ist Präsident des Gas-Lobbyverbands EUA – was ihn in die Zwickmühle bringt, im Hauptberuf Wärmepumpen anzupreisen, sie bei der EUA aber zu verdammen.

Bosch setzt auf den Wachstumsmarkt

Dabei setzt auch Mutterkonzern Bosch voll auf Wärmepumpen. "Wir rechnen in der EU in den kommenden Jahren mit einem überproportionalen Wachstum in diesem hochdynamischen Umfeld und haben uns das Ziel gesetzt, deutlich stärker als der Markt zu wachsen", so Jan Brockmann, CEO der Bosch Home Comfort Group. Schon heute sind Wärmepumpen ein wichtiger Wachstumstreiber für die Sparte, der Umsatz legte im globalen Wärmepumpen-Geschäft um 54 Prozent zu. Für den gesamten europäischen Wärmepumpenmarkt wird bis 2025 ein jährliches Wachstum von rund 20 Prozent prognostiziert. Während des laufenden Jahrzehnts sollen in der Europäischen Union 30 Millionen zusätzliche Wärmepumpen installiert werden.

Von Kontext angesprochen auf den Widerspruch – Negativ-Kampagne in Großbritannien, Produktionshochlauf in Europa – antwortet ein Bosch-Sprecher, dass "EUA-Mitglieder wie Bosch alle unterschiedliche Technologien herstellen und vertreiben, um die Dekarbonisierung des Gebäudesektors zu erreichen". Im Hinblick auf die GEG-Diskussion hierzulande betont er, dass der Gebäudesektor sofort Lösungen brauche, um sich klimaneutral aufzustellen. "Die GEG-Novelle ist ein richtiger Schritt für die Wärmewende. Wärmepumpen sind der Beschleuniger für die Wärmewende im Neubau und im geeigneten Bestand."

Und was macht der Wärmewendekritiker von der FDP? Vor Kurzem outete sich Frank Schäffler im ZDF-Talk bei Markus Lanz: Für die Beheizung seines Zuhauses habe er eine Wärmepumpe bestellt. Natürlich staatlich bezuschusst.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


1 Kommentar verfügbar

  • Peter Nowak
    am 19.08.2023
    Antworten
    Der in dem Artikel erwähnte FDP-Politiker Frank Schäffler machte vor mehr als 10 Jahren budedweit Schlagzeilen, als er sich an die Spitze derer setze, die gegen weitere Kreditef ür Griechenland agierten und sogar dagegen klagte.

    Einige seiner damaligen Mitstreiter*innen gründeten damals die AfD,…
Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!