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Die FDP und das Auto

Aus Liebe zur Heizung auf Rädern

Die FDP und das Auto: Aus Liebe zur Heizung auf Rädern
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Unter Fachleuten gelten E-Fuels als ineffizienter Unsinn. Doch die FDP lobbyiert energisch für die synthetischen Kraftstoffe und hängt am Verbrennungsmotor wie ein Junkie am Heroin. Längst nicht der einzige Abweg in der liberalen Klimapolitik.

Bundesfinanzminister Christian Lindner findet neben Dienstterminen, Partei-Events und Talkshow-Auftritten noch Zeit, ausgiebig die sozialen Medien zu bespielen. Am 21. Juni setzte der FDP-Chef einen Tweet zur EU-Entscheidung über Flottengrenzwerte beim Auto ab. Geht es nach dem Vorschlag der EU-Kommission, dürfen PKW-Flotten im Verkehr ab dem Jahr 2035 kein Gramm klimaschädliches Kohlendioxid ausstoßen. Dies würde bedeuten, dass dann kein Fahrzeug mit Benzin- oder Dieselmotor in Europa mehr zugelassen werden darf.

Die Regelung sei "leider nicht technologieoffen", klagte Lindner, während "synthetische Kraftstoffe eine klimaneutrale Option für den global noch lange eingesetzten Verbrennungsmotor" seien. Deshalb "müssen wir diese für unsere Arbeitsplätze erhalten", schrieb er seinen 630.000 Follower:innen. Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte er zuvor bereits angekündet: "Ich habe deshalb entschieden, dass ich in der Bundesregierung dieser europäischen Rechtsetzung nicht zustimmen werde."

Nach dem Nein zum Tempolimit, das russische Ölimporte verringern und Putins Kriegskasse schmälern würde, nach dem drei Milliarden Euro schweren Tankrabatt, der größtenteils die Taschen der Ölkonzerne füllt, und nach der Scheindebatte über Kernkraftwerke, eröffnete der Finanzminister mit dem Beharren auf synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) und auf Verbrenner eine weitere Kontroverse in Krisenzeiten.

Und damit ist er nicht allein in seiner Partei. Dass das EU-Parlament für Verbrenner-Aus und gegen E-Fuels votierte – ein wichtiger Teil des Klimapakets "Fit for 55", das eine Reduktion der europaweiten Treibhausgase um 55 Prozent bis 2030 zum Ziel hat –, nannte der Stuttgarter Landtagsabgeordnete Friedrich Haag einen "klimatologischen und wirtschaftspolitischen Schwachsinn". 

Noch plumper agierte Haags Fraktionschef im Stuttgarter Landtag. Am 20. Juni teilte Hans-Ulrich Rülke auf Facebook ein Bild von Greta Thunberg, auf dem der schwedischen Klimaaktivistin die Worte "Ich fordere, dass jetzt alle E-Autos fahren" in den Mund gelegt sind. Darunter angehängt ist ein Bild aus einer afrikanischen Mine. Ein Kind schaut in die Kamera: "Wir bauen den Kobalt für deine Akkus so schnell ab, wie wir können, Greta", so der Text dazu.

Stimmung machen mit gefälschten Zitaten

Allerdings hat Thunberg dies nie gesagt, recherchierte der Umweltblogger Jan Hegenberg, auch bekannt als der "Graslutscher". Die Behauptungen über die angeblich geforderte E-Auto-Pflicht kursieren mindestens seit 2019. Zudem zeigt das Kinderfoto einen Jungen, der in einer Gold- und nicht in einer Kobalt-Mine arbeitet. "Abgesehen davon, wie falsch und populistisch dieses Bild ist, finde ich es schockierend, dass der Fraktionsvorsitzende der FDP Baden-Württemberg so was teilt", kommentiert Hegenberg.

Wie weit sich einige FDP-Politiker:innen in Energie- und Klimafragen von der Realität verabschiedet haben, konnte man ebenfalls am 20. Juni in Freiburg erfahren. Auf Einladung der Students for Future sprach dort Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin) über "Zeitenwende und Klimakrise". In seinem Vortrag an der Albert-Ludwigs-Universität erläuterte der Professor für Regenerative Energiesysteme vor einem überfülltem Hörsaal, dass es wegen der Abhängigkeit vom russischen Kriegsverbrecher Putin und der rasanten Erderwärmung "jetzt eine richtige Energierevolution" braucht – und warum E-Fuels für Autos dafür keine Lösung sind.

Bei einem "Weiter so" beim Klimaschutz werde der Temperaturanstieg 3 bis 4 Grad bis zum Jahrhundertende erreichen. "Das ist die radikalste Klimaveränderung, die wir jemals gesehen haben werden", warnt Quaschning. "Da braucht man kein Klimaforscher sein um zu wissen, dass das nicht spurlos an uns vorbeigehen wird." Die Erwärmung sei aber nicht gottgegeben. Jede:r persönlich, jedes Land, jeder Kontinent könne und müsse jetzt seinen Beitrag leisten, um die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. So wie es das Pariser Klimaabkommen verlangt. "Da hat sich der Planet verändert, aber wir können die Folgen noch beherrschen", so Quaschning.

Für das 1,5 Grad-Ziel dürfen aber nur noch begrenzte Mengen an Kohlendioxid ausgestoßen werden. Laut Wissenschaftler:innen ist das weltweite CO2-Budget bereits im Jahr 2044 ausgeschöpft. Bei 1,7 Grad Erwärmung müsse die Welt 2054 klimaneutral sein, erläutert Quaschning. "In Deutschland haben wir aber das Problem, dass wir doppelt so viel CO2 pro Kopf ausstoßen wie der Weltdurchschnitt." Wenn jeder Mensch gleich viel zur Erderwärmung beitragen darf, sei der deutsche CO2-Anteil für das 1,5 Grad-Ziel bereits 2030 und für das 1,7 Grad-Ziel bereits 2035 verbraucht. Die Bundesregierung jedoch strebt Klimaneutralität erst ab 2045 an. "Das ist im Vergleich zu Vorgängerregierungen ambitioniert. Dennoch wird Deutschland seinen pariskonformen Klimaschutzbeitrag verfehlen und eher bei zwei Grad landen."

Atomkraft als Ablenkungsmanöver

Was ist zu tun? Den größten Hebel bietet die Energieversorgung, da sie für 80 Prozent der CO2-Emissionen steht. "Für derzeit 20 Prozent Erneuerbare am Gesamtenergieaufkommen haben wir 30 Jahre gebraucht", führt Quaschning aus. Jetzt sei die Herausforderung, in zwölf Jahren von 20 auf 100 Prozent zu kommen. Unmöglich? "Wir können eine Technologie von Null auf Hundert in zwanzig Jahren bringen", verweist er auf Smartphones, die es erst seit 2007 gibt. Seitdem wurden weltweit viele Milliarden in Hard- und Software für die mobilen Computer investiert. "Es ist keine Frage der Technik, nicht des Geldes, sondern schlicht des Willens", überträgt Quaschning dies auf Klimaschutz. Falsch sei dabei, auf Kernenergie zu setzen. "Für die Energiewende bräuchten wir 200 bis 300 neue Kernkraftwerke innerhalb der nächsten zehn Jahre", betont er. Allein dies zeige, wie absurd die von Union und FDP angefachte Diskussion sei: "Das sind Ablenkungsmanöver, die nicht weiterhelfen."

"Wir müssen vor allem runter mit dem Energieverbrauch", fordert er dagegen. Im Wärmebereich müssten Wärmepumpen Gasheizungen ersetzen. Dadurch lasse sich der Energieverbrauch selbst bei ungedämmten Häusern um zwei Drittel senken. Noch heizt etwa die Hälfte aller Deutschen mit Gas. Laut Koalitionsvertrag soll es ab 2025 ein Einbauverbot "light" geben: Neue Gasheizungen sind dann weiter erlaubt, wenn sie 65 Prozent erneuerbare Energien einkoppeln. Das reicht Quaschning nicht: "Wir brauchen ein Einbauverbot für Gas- und Ölheizungen und zwar sofort."

Wichtig sei auch eine echte Verkehrswende. Die Motoren seien zwar effizienter, CO2-Einsparung aber durch größere und mehr Autos zunichte gemacht worden. Inzwischen gibt es hierzulande 48 Millionen Kfz für 83 Millionen Einwohner. Für die gleiche Bestandsdichte weltweit bräuchte es drei Milliarden PKW zusätzlich, deren Herstellung den Planeten an Belastungsgrenzen bringen würde. "Wir können in Deutschland nur so viel Auto fahren, weil ein Großteil der Erdbevölkerung zu arm dafür ist. Das ist ja kein Zukunftsmodell", fordert er ein neues Mobilitätsverhalten. "Wir müssen die Anzahl der Autos hierzulande mindestens halbieren."

Keine Zukunft sieht Quaschning für Benziner und Diesel. "Verbrenner sind keine Fahrzeuge, sondern fahrende Heizungen. Weil deren Motoren 70 Prozent der Kraftstoffenergie in Abwärme und nur 30 Prozent zum Fahren umsetzen", erläutert er. Andere Antriebe seien da bedeutend besser: "Das Elektroauto hat Wirkungsgrade von 80 bis 90 Prozent." Umwandlungsverluste machen das Wasserstoffauto ineffizienter: "Um die gleiche Strecke wie mit dem E-Mobil zu fahren, braucht es hier zwei- bis dreimal so viel Solaranlagen oder Windräder", rechnet er vor. Die Energiewende werde so viel schwieriger.

Die "Bild"-Zeitung vermisst den Geruch von Benzin

Noch schlechter schneiden E-Fuels ab. Elektrolytisch wird zunächst aus Wasser, Windstrom und Kohlendioxid Wasserstoff erzeugt, dieser zu Methanol und dann zu einem Diesel-Ersatz synthetisiert. Bei dessen Verbrennung entweicht das zuvor aus der Luft entzogene CO2. "Das geht technisch alles, aber die Effizienz ist eben saumies", der Strombedarf des Verfahrens sei enorm. Im Vergleich zum Batterieauto brauche man fünfmal so viel Energie - die man irgendwo herkriegen muss. "Herr Lindner hat die Lösung dafür im windreichen Süden Chiles gefunden", erwähnt er. Dort baut der Stuttgarter Autobauer Porsche derzeit für 70 Millionen Euro eine Pilotanlage, die noch in diesem Jahr 135.000 Liter E-Fuels erzeugen soll. Ab 2026 sollen jährlich 550 Millionen Liter an synthetischem Treibstoff mit Tankern nach Deutschland verschifft werden.

Diese Menge deckt aber nur einen Bruchteil des Bedarfs. "Wenn wir die deutsche PKW-Flotte mit E-Fuels aus Chile antreiben wollen, braucht es siebenmal so viel Strom wie ganz Chile heute selbst verbraucht", so der Ingenieur. Billig wäre der Wundersprit ohnehin nicht: Der Liter E-Fuel kostet derzeit 4,50 Euro. "Das wird ein Rohrkrepierer", prognostiziert Quaschning.

Die FDP weiß es offenbar besser. Nachdem Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am vergangene Woche ankündigte, im EU-Umweltausschuss dem geplanten Aus von Verbrennern zuzustimmen, grätschte Lindner via Twitter dazwischen: "Verbrennungsmotoren mit CO2-freien Kraftstoffen sollen als Technologie auch nach 2035 in allen Fahrzeugen möglich sein." Nach hektischen Verhandlungen fanden die Ampel-Parteien einen – aus Sicht von Klimaschützer:innen faulen – Kompromiss: Zwar sprachen sich die 27 EU-Staaten dafür aus, die Flottengrenzwerte für Autos bis 2035 auf null zu senken, auf Drängen Deutschlands soll die EU-Kommission allerdings Vorschläge unterbreiten, wie mit E-Fuels betriebene Brenner auch nach 2035 zugelassen werden können.

Konservative Kommentare schäumten vor Wut. "Der Verbrenner ist tot. Die Ideologen, die als Trophäe der Klimapolitik seinen Skalp wollten, haben sich in der EU durchgesetzt", kommentierte etwa Markus Grabitz, Brüssel-Korrespondent der Stuttgarter Zeitungsnachrichten. "E-Autos kann jeder bauen – Verbrenner dagegen sind Hochkultur", behauptete "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt und unterstellte, dass die Politik den Verbrenner "canceln" wolle, weswegen die "grün dominierte Publizistik in Deutschland jubelt". Franz Josef Wagner, Kolumnist der "Bild"-Zeitung, verfasste eine Trauerelegie: "Möglich, dass es der Welt besser geht – mir nicht. Ich vermisse schon heute den Geruch des Benzins. War er süßlich? Er war ein Geruch, der auf der Erde nicht vorkommt. Benzin roch nach Freiheit." Twitter-User:innen vermuteten danach, dass Wagner zu oft an Benzindämpfen geschnüffelt habe.

Porschefahrer und Tankstellenbesitzer

Für Wissenschaftler wie Volker Quaschning kommt ein Verbrenner-Verbot in 13 Jahren dagegen zu spät. "Ein Auto lebt 18 Jahre. Dann hergestellte Fahrzeuge fahren bis zum Jahr 2053 noch herum." Deswegen forderte er in Freiburg ein sofortiges Verbrennerverbot.

Und was sagt die FDP? "Das Nein der EU zum Verbrenner-Aus ist richtig: CO2-freie Kraftstoffe in PKWs bleiben möglich, über ihre Chance werden der Markt und Ingenieurskunst entscheiden", twitterte Lindner, der wie "Welt"-Chef Poschardt einen Porsche 911 fährt. Für den Abgeordneten Haag bleiben Diesel und Benzin "weiterhin der am meisten verbreitete Antrieb. Mit E-Fuels schaffen wir es sofort und dauerhaft, den Verbrenner klimafreundlich zu betreiben", behauptete der Jungpolitiker, dem in Stuttgart zwei Groß-Tankstellen gehören.

FDP-Fraktionschef Rülke verteidigte seinen Thunberg-Post in der "Rhein-Neckar-Zeitung", denn er habe "den Beitrag nicht erstellt, ich habe ihn nur geteilt. Beiträge dieser Art sind immer Übertreibungen. Ziel war es, mehr Aufmerksamkeit auf die unmenschliche Kinderarbeit im Kongo zu lenken". Auf die Frage, warum er ein gefälschtes und falsch zugeschriebenes Zitat von Thunberg weiterverbreitet, antwortete Rülke, die Klimaaktivistin sei "in den USA mit Elektroautos gefahren", was "große mediale Aufmerksamkeit" erregt habe. Das Fake-Bild steht weiter auf seiner Facebook-Seite.


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6 Kommentare verfügbar

  • Gerald Wissler
    am 12.07.2022
    Antworten
    Viel Polemik, aber wenig Sachinformation in dem Beitrag.
    Wo sollen denn all die (teuren) Rohstoffe für die vielen E-Autos herkommen, wenn es keine Verbrenner mehr geben darf ?
    Wie groß und effektiv werden eigentlich die Batterien, die die Verbrennungsmotoren in LKW, Schiffen und Flugzeugen…
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