Kann gut sein, dass diese Entscheidung im Rückblick als wichtige Weichenstellung im kommunalen Kampf gegen die Erderwärmung gewertet wird. Jedenfalls hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg festgestellt, dass es nicht zu beanstanden ist, "wenn mit der Bewohnerparkgebühr – ebenso wie mit der Parkraumbewirtschaftung – erkennbar auch das Ziel einer Reduktion des Kfz-Verkehrs und der Verringerung des hierdurch bedingten CO2-Ausstoßes verfolgt wird". Ähnlich wegweisend sind die Einlassungen des VGH zur Gebührenerhöhung um das 16-fache sowie seine Gegenrechnung: Die Einrichtung eines öffentlichen Stellplatzes mit einem Kostenaufwand von 30.000 Euro entspricht gegengerechnet nicht weniger als 83 Jahre lang Anwohnerparken. "Daher kann keine Rede davon sein, dass die Bewohnerparkgebühr in einem Missverhältnis zu dem mit ihr verbundenen Vorteil stehe."
Sascha Fieck, der Freiburger FDP-Stadtrat, der eine Eilentscheidung des Gerichts gegen die Gebührenerhöhung erreichen wollte, kann sich den in 182 Punkte gegliederten Spruch hinter den Spiegel klemmen. Und all die anderen, die nicht akzeptieren können, dass sich viel ändern muss in den Städten und Gemeinden. Denn das durchschnittliche Auto ist laut jüngsten Berechnungen aus dem Verkehrsministerium erstens nur mit 1,4 Personen besetzt und steht zweitens 23 Stunden des Tages herum. Und das auch noch allzu oft auf öffentlichem Platz. Auf einem Platz, der so dringend gebraucht wird für mehr Lebensqualität und, wenn die Temperaturen weiter steigen, fürs Überleben in bisher zubetonierten Straßenzügen.
Vor bald 40 Jahren hat der Wiener Mobilitätswendepapst Hermann Knoflacher mit einem "Gehzeug", einer wackeligen Holzkonstruktion von den Ausmaßen eines Mittelklassewagens, getragen mit zwei Seilen über den Schultern, darauf hingewiesen, wie grotesk die Fehlentwicklung in der Stadt- und Verkehrsplanung zugunsten flächenfressender Autos ist. Und wie hartnäckig die öffentliche Meinung das Missverhältnis akzeptiert, weil sich so viele Menschen mit ihrem Wagen identifizieren. Knoflacher: "Es setzt sich im Stammhirn fest, wir glauben, wir sind das Auto und – weil es im Stammhirn ist – denken wir Auto und handeln Auto."
4 Kommentare verfügbar
Nina Picasso
am 13.07.2022Tweet bezieht sich auf Uni Vaihingen:
https://twitter.com/Rembrandt1405/status/1411665272688218121?s=20&t=VkgDKEOKU6HDgKdvaOKANQ