Als danach rund 50 Bürgerinnen und Bürger mit einer Energiegenossenschaft Nägel mit Köpfen machen wollten und zwei Rotoren auf dem Breitnauer Kopf oberhalb der Gemeinde planten, organisierte sich wie woanders auch Widerstand. Windkraftgegner:innen säten Angst und Misstrauen im Dorf – mit absurden Geschichten, wonach eine "profitgierige Windindustrie" nicht nur die Gesundheit der Bewohner, sondern auch deren Trinkwasser gefährden würde. Die Panikmache verfing. Bei einer zweiten, parallel zur Bundestagswahl 2017 durchgeführten Befragung wollten nur noch 52 Prozent der Wähler:innen Windkraft auf den Anhöhen, eine Mehrheit votierte sogar gegen den geplanten Standort auf dem Breitnauer Kopf. Das endgültige Aus kam Anfang 2019, als 54 Prozent der Abstimmenden in einem Bürgerentscheid das Projekt ablehnten. Im Gemeinderat hatte die CDU als stärkste Fraktion die Gegner:innen stets unterstützt, während sich SPD, Freie Wähler und auch Bürgermeister Ahlers stets für das Projekt stark gemacht hatten (Kontext berichtete hier und hier).
Vor über zehn Jahren bekundete mit der Bürger-Energie Münstertal eine zweite Gruppe ihr Interesse, vor Ort sauberen Windstrom zu erzeugen. Der bevorzugte Standort war von Anfang an das Haldenköpfle, in der Vergangenheit lehnte die Gemeinde die Verpachtung des Geländes dort aber ab. Die Suche nach einem Alternativstandort scheiterte. Erst nachdem sich die politischen Rahmenbedingungen auf Landesebene geändert hatten, etwa durch zusätzliche Ausweisung von Vorranggebieten für Windenergie, wagte die Bürger-Energie im vergangenen Jahr einen neuen Anlauf. "Die Chancen für eine mittelfristige Genehmigung für die beiden geplanten Windkraftanlagen schätzen wir hoch ein", schrieb Manfred Vohrer im Mai 2021 an Bürgermeister Ahlers. Voraussetzung für dieses "mit Abstand wichtigste Klimaschutzprojekt im Münstertal ist, dass die Gemeinde die Fläche am Haldenköpfle zur Verfügung stellt", so der Geschäftsführer der Gesellschaft, die von Mitgliedern des örtlichen Handels- und Gewerbevereins getragen wird.
Im Gegenzug wollen die Windparkbetreiber der Kommune und den Bewohnern großzügig entgegenkommen, wie Vohrer während der jüngsten Sitzung dem Ratsgremium und rund 30 Zuhörer:innen erläuterte. Man wolle eine marktgerechte Pacht zahlen, die pro Jahr zwischen 50.000 und 100.000 Euro je Anlage betrage, sagte er. Hinzu flössen etwa 60.000 Euro Gewerbesteuereinnahmen jährlich und 30.000 Euro Kommunalabgaben in die Gemeindekasse. Daneben will man auch die Bevölkerung einbinden. Alle Einwohnerinnen und Einwohner könnten sich mit einer Einzahlung ab 1.000 Euro an dem Projekt beteiligen und auf jährliche Gewinnausschüttungen hoffen. Jedem Stromkunden im Ort solle daneben der Bezug von Windstrom angeboten werden, zwei bis drei Cent je Kilowattstunde unter dem aktuellen Marktpreis. Vom Bau der Anlagen solle auch die lokale Wirtschaft profitieren, nicht zuletzt indem man die benötigten Darlehen bei örtlichen Geldinstituten aufnehme.
Plötzlich will der Schultes europaweit ausschreiben
Ein Angebot, das man eigentlich nicht ablehnen kann. Und erst sah es auch nach einer klaren Entscheidung des Münstertäler Rats aus, als Bürgermeister Ahlers den in drei Beschlussanträgen unterteilten Tagesordnungspunkt 4 aufrief. Mit 13 Ja-Stimmen und nur einer Enthaltung votierte das Gremium zunächst "grundsätzlich für die Verpachtung des Flurstücks Nr. 1269, damit dort Windenergieanlagen gebaut und betrieben werden können", wie es in der Beschlussvorlage heißt.
Auf Drängen des Bürgermeisters sollte das Gremium anschließend darüber abstimmen, ob die Verpachtung des Flurstücks im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung vergeben wird, also nicht direkt an die Bürger-Energie aus dem Münstertal. Dies wäre allerdings mit gravierenden Nachteilen verbunden, hatte deren Geschäftsführer zuvor die Gemeinderäte gewarnt. Zum einen könnte sich die Realisierung des Windparks um Jahre verzögern, da "ein anderer Projektierer bei Null anfangen, also Gutachten und Anträge, die wir bereits haben, erst erstellen muss", so Vohrer, der für die FDP von 1972 bis 1983 zunächst im Bundestag und von 1989 bis 1994 im Europaparlament saß. Zudem sei "bei einem maximalen Pachtgebot Bürgerbeteiligung und Bürgerbegünstigung, wie wir es versprechen, nicht machbar". Heißt: Die klamme Gemeinde Münstertal würde bei einer Ausschreibung auf zeitnahe Einnahmen in sechsstelliger Höhe verzichten, und die Hoffnung auf günstige Stromtarife könnte die Kundschaft in den Wind schreiben.
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