Gerüchteweise soll Putin seinen Freund Warnig im Badischen besucht haben. Bestätigen kann Bürgermeister Benitz dies nicht: "Als Kommunalpolitiker bin ich bei solchen Terminen nicht involviert." Doch hartnäckig hält sich das Gerücht, dass Russlands Präsident auch einen Abstecher ins benachbarte Münstertal machte, wo mit Klaus Mangold ein weiterer Russland-Fan lebt. Gesichert ist, dass der ehemalige Daimler-Vorstand und einstige Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft eng mit russischen Wirtschafts- und Politikeliten vernetzt ist. Über seine Beratungsfirma vermittelt der 79-Jährige Kontakte in Putins Reich. Zudem fungierte er bis vor Kurzem als Russischer Honorarkonsul in Baden-Württemberg. Nach früheren Recherchen ist die Mangold Consulting im russischen Atomsektor aktiv.
Doch mit dem Ukraine-Krieg haben sich die Zeiten geändert. Seither darf sich Matthias Warnig in schlechter Gesellschaft wähnen. Als Reaktion auf den Angriff verhängte US-Außenminister Anthony Blinken am 23. Februar gegen die NS 2 AG und ihr Führungspersonal weitreichende Sanktionen, vergleichbar jenen gegen zahlreiche russische Oligarchen aus Putins Umfeld. So sind alle Vermögenswerte und Beteiligungen in den Vereinigten Staaten seither gesperrt. Die Maßnahmen kommen mit einem Jahr Verzug. Bereits am 19. Mai 2021 hatte Blinken in einem Bericht an den US-Kongress festgestellt, dass sich "Herr Warnig wissentlich betrügerische oder strukturierte Transaktionen ermöglichte, um das Verlegeschiff Fortuna für den Bau von Nord Stream 2 bereitzustellen". Auf Sanktionen verzichtete die US-Regierung damals aus Rücksicht auf Deutschland. Anders als die USA, die Nord Stream 2 immer als geopolitisches Projekt Russlands ablehnte, das die Energieversorgung Europas gefährdet, wollte die damalige schwarz-rote Bundesregierung die zehn Milliarden Euro teure Pipeline um jeden Preis.
Statt auf Sanktionen einigten sich die USA und Deutschland am 21. Juli 2021 auf eine gemeinsame Erklärung zur "Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele". Heute klingt sie hohl: In dem Papier versichern Blinken und der damalige Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) "mit Nachdruck die Souveränität der Ukraine, deren territoriale Unversehrtheit, Unabhängigkeit und den von ihr eingeschlagenen europäischen Weg" zu unterstützen. "Wir bekennen uns heute erneut dazu, gegen russische Aggression und russische destruktive Aktivitäten in der Ukraine und darüber hinaus vorzugehen."
Nord Stream 2 AG sponserte Stiftung für Klimaschutz
"Das Dokument ist von anrüchigen Passagen über Russlands 'Aggression und destruktive Aktivitäten' erfüllt. Es wird gedroht, unser Land für die Nutzung von Energie als 'Waffe' zu bestrafen, indem neue Sanktionen verhängt und 'andere Instrumente' eingesetzt würden", beschwerte sich Russlands Botschafter, Sergej J. Netschajew, auf Facebook. Mit Erfolg: Am 24. September, zwei Tage vor der Bundestagswahl, lehnte die Merkel-Regierung "extraterritoriale Sanktionen, wie sie von den USA im Zusammenhang mit Nord Stream 2 angedroht und verhängt wurden", ab.
Über die blinde Unterstützung konnte sich NS 2 AG-Chef Warnig nur kurz freuen. Mitte November, die neue Ampel-Regierung war einen Monat im Amt, setzte die Bundesnetzagentur (BNAg) den Zertifizierungsprozess für die Pipeline vorläufig aus. Am 22. Februar, einen Tag nach Anerkennung der Separatistenrepubliken im Donbas durch Putin, wies Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die BNAg an, den Versorgungssicherheitsbericht der Vorgängerregierung für NS 2 zurückzuziehen. Ohne diesen kann die Leitung nicht in Betrieb gehen.
Für Wirbel sorgte Putins Krieg auch in Schwerin. Am 28. Februar verkündet Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) das Aus für die gemeinsam mit der Nord Stream 2 AG gegründete Landesstiftung Klima- und Umweltschutz. Das Stiftungskapital von 20 Millionen Euro hatte NS 2 AG-CEO Warnig beigesteuert. Für manche war die Stiftung ein Tarnkonstrukt, um Sanktionen gegen die Pipeline zu umgehen. Auf Twitter beklagt Schwesig, dass man ihre Landesregierung als "Putin-Freund" oder "Putin-Versteher" zu diskreditieren versucht habe: "Dies ist Unsinn." Bis heute fordert die Deutsche Umwelthilfe vergeblich, die Verquickung von Politik und Gaswirtschaft in der Stiftung zu untersuchen.
Die Pipeline als Milliardengrab
Am 1. März vermeldet der Schweizer Rundfunk SRF, dass die Nord Stream 2 AG "die Bilanz deponieren", also Konkurs hätte anmelden müssen. Einen Tag später berichtet der "Spiegel", dass der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea die Pipeline abschreibe und eine Milliarde Euro Finanzierungsanteil als Verlust verbuche. An dem Konzern hält die Ludwigshafener BASF 67 Prozent. Den Rest hält die Investmentholding LetterOne, hinter der die Alpha Group um den russischen Oligarchen Michail Fridman steht. Dieser zählt zu den einflussreichsten Wirtschaftsbossen Russlands. Das Vermögen des am 21. April 1964 im ukrainischen Lwiw geborenen Oligarchen wurde auf 12,4 Milliarden US-Dollar geschätzt. Friedman steht wie Warnig auf Sanktionslisten. Ebenfalls jeweils eine Milliarde Euro haben die Gaskonzerne Uniper - gehört zur finnländischen Fortum-Gruppe -, die französische Engie, die niederländische Gasunie, die österreichische OMV und die niederländisch-britische Shell in Nord Stream 2 investiert. Über fünf Milliarden Euro müsste Gazprom abschreiben, sollte die Pipeline nie in Betrieb gehen.
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Konrad Wanner
am 10.03.2022Die jahrelange Verzögerung der Gasleitung Nord Stream 2 und ihre voraussichtlich komplette Aufkündigung wird dazu beitragen, dass die…