Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über: Nach der Klausur seiner Fraktion zum politischen Jahresanfang überschlägt sich Manuel Hagel schier beim Lobpreis der umweltpolitischen Vergangenheit seiner Partei. In deren Grundsatzprogrammen hätten, beteuert der Fraktionsvorsitzende der CDU im Südwest-Landtag, grüne Themen schon vor Gründung der Grünen gestanden. Ökologie und Ökonomie zu versöhnen, das zählt er zur DNA, zum Markenkern "mit Ewigkeitsbestand", der jetzt "neu aufpoliert wird, um ihn strahlen zu lassen".
Die Fakten, mit denen der 33-Jährige sein Geschichtsbild zu untermauern versucht, halten einem Check nicht stand. Gerhard Weiser, dem Hagel als "sehr langem Gesundheitsminister" die "gesunde Ernährung als ersten Aufschlag" zuschreibt, war tatsächlich aber baden-württembergischer Landwirtschaftsminister von 1976 bis 1996 und stand als Bauer aus Mauer bei Heideberg in den Achtziger Jahren auf Kriegsfuß mit der neugegründeten Grünen-Partei. Beispielsweise hielt er nichts von deren Initiativen zur Verringerung von Schadstoffen in Böden oder Nahrungsmitteln, von ihren Plänen zur Ökologisierung der Landwirtschaft und erst recht nichts von der Kritik an der sozialen Abhängigkeit der Bäuerinnen von ihren Männern. "Wenn die so groß wäre, hätten sie uns nicht geheiratet", zählte zu Weisers Weisheiten.
Ebenfalls unzulänglich ist Hagels Kenntnis von der "Grünen Charta", mit der die Landes-CDU eine programmatische Vorreiterrolle in der Union einnahm. Allerdings nicht, wie der gelernte Bankkaufmann meint, schon vor Gründung der Grünen, sondern als Reaktion auf deren Einzug in den Landtag anno 1980. Zwei Jahre später hatte Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) sogar ein Monatsgehalt ge- und später verwettet, weil er mit seiner Politik die Grünen als parlamentarische Kraft entbehrlich machen und ihnen so bei der Landtagswahl 1988 den Wiedereinzug ins Parlament vermasseln wollte. Er griff Themen wie Luftreinhaltung oder Waldsterben auf, setzte aber entsprechend dem bis heute wirkenden "liberalen" Zeitgeist "nicht auf Einschränkungen, sondern auf Forschung und Entwicklungen".
CDU glaubt, sie sei schon immer grün
Zugleich machte sich die CDU Südbaden programmatisch auf den Weg. 1984 beschloss zunächst der Bezirks- und ein Jahr darauf ein Landesparteitag eben jene "Grüne Charta", ein für damalige Verhältnisse fortschrittliches 60-Seiten-Dokument mit dem Ruf nach einem Tempolimit und der Erkenntnis, dass regenerative Energie, darunter auch Sonne und Wind, "besonders förderungswürdig" seien. Zugleich wurde größter Wert auf die Abgrenzung zu den Grünen gelegt. Was sich in der heftigen Debatte beim entscheidenden Parteitag in Balingen zeigte, als es darum ging wie das Programm heißen sollte. Nur mit knapper Mehrheit wurde ein Antrag abgelehnt, "Umweltcharta" darüber zu schreiben, damit die CDU-Positionen nicht als "Konzession an grüne Ideologien missverstanden werden".
2 Kommentare verfügbar
R.Gunst
am 20.01.2022Aber welche Ideen,…