Beispiele für verkürzte und irreführende Darstellungen hat das Netzwerk in einem offenen Brief an die Intendanten und Chefredaktionen der Sender dokumentiert.
Auch von anderen kassierten Illner & Co. heftige Klatschen. Im "Spiegel" wertete Christian Stöcker, Medienprofessor in Hamburg, die Trielle als "Ausdruck eines flächendeckenden journalistischen Versagens". Die Moderationsteams seien "einfach nicht auf der Höhe der Zeit" gewesen.
Grundkenntnisse fehlen
Tatsächlich scheint das komplexe Thema Klimawandel viele in der Medienbranche fachlich zu überfordern. "Zahlreiche Studien zeigen, dass die breite Masse der Journalisten nur über eine naturwissenschaftliche Grundbildung oder sogar nicht einmal über diese verfügt", nennt der Dresdner Medienwissenschaftler Sven Engesser als Grund für themenspezifische Wissensdefizite. Allerdings sei dies nur ein möglicher Faktor, der die Arbeit der Journalisten zur Klimaforschung präge, erläutert Engesser während eines Vortrags über Einflüsse auf Nachrichtenentscheidungen von Klimajournalisten.
So könne die redaktionelle Linie eines Medienhauses auf den Umgang mit dem Komplex abfärben, erwähnt er. Daneben werde die Berichterstattung auch durch persönliche Meinungen und Einstellungen beeinflusst. "Kognitive Frames bestimmen, wie über das Thema geschrieben wird", so Engesser.
Beispiele dafür finden sich weltweit. "In den USA ist es natürlich Fox News, die da hervorstechen. Erst recht in der Ära Trump", kommentiert der Medienwissenschaftler. Unter den amerikanischen Zeitungen habe etwa das "Wallstreet Journal" lange eine Art Speerspitze bei der Wissenschaftskritik gebildet. "Wahrscheinlich wegen einer gewissen Wirtschaftsfreundlichkeit", vermutet er. Die "New York Times" oder die "Washington Post" berichteten dagegen vorwiegend wissenschaftsfreundlich.
Laut Engesser sticht unter den deutschen Wissenschaftsjournalisten Axel Bojanowski heraus, der von 2010 bis 2019 in der Wissenschaftsredaktion von "Spiegel Online" arbeitete. Zum Oktober 2019 wechselte er für drei Monate als Chefredakteur zum Stuttgarter Konradin-Verlag, wo er "Bild der Wissenschaft" und "Natur" leitete. Seit August 2020 ist er Chefreporter Wissenschaft beim konservativen Springer-Medium "Welt". Während Bojanowskis Zeit beim "Spiegel" sei die Klimaberichterstattung des Hamburger Magazins sehr schwer zu verorten gewesen, formuliert es Engesser noch recht vage.
Deutlicher ist die Kritik an Bojanowski im Netz. "Seine Behauptungen zum Klimawandel sind nachweislich falsch", sagt etwa Stefan Holzheu vom Zentrum für Ökologie und Umweltforschung an der Uni Bayreuth. Zudem sei der Chefreporter auf Twitter reihenweise am Blockieren, wo Unzulänglichkeiten in seinen Artikeln moniert werden. Der Anfang Mai erschienene Artikel "Die unterschätze Macht der grünen Lobby" von Bojanoswski bildete im Vorfeld der Bundestagswahl den Auftakt zu einer Kampagne der Springer-Medien "Welt" und "Bild" gegen Greta Thunberg und deren Klimaschutzbewegung Fridays for Future.
Nicht einmal die AKW-Betreiber wollen noch Kernkraft
Aktuell rühren Bojanowski und konservative Medien die Werbetrommel für eine Wiederbelebung der Atomkraft. Vor der Weltklimakonferenz in Glasgow, die am Sonntag beginnt, werden die Meiler zu Klimarettern stilisiert. Am 13. Oktober veröffentlichte "Welt online" einen offenen Brief, überschrieben mit "Liebes Deutschland, bitte lass die Kernkraftwerke am Netz".
Unter den zwei Dutzend Unterschriften aus aller Welt sind auch Vertreter des hiesigen Atomkraft-Lobbyvereins Nuklearia. Der genießt zwar in Fachkreisen keine wissenschaftliche Reputation, wird von konservativen Medien aber oft als Kronzeuge für die Technologie präsentiert.
Wenige Tage darauf warnte Bojanowski in der "Welt", dass sich Deutschland mit "raus aus der klimaschonenden Kernkraft, rein in klimaschädliches Erdgas" auf einen "riskanten Sonderweg" begebe. Das Land mache sich abhängig von Putin, zahle hohe Energiepreise und produziere am Ende noch mehr Treibhausgase. "Eine kleine Chance für die Kernkraft gibt es noch, aber wieder traut sich niemand, darüber zu sprechen", forderte auch er längere Laufzeiten.
Zeitgleich sprangen Klimaskeptiker auf den Zug auf. Die Vereine "Vernunftkraft" und "Energievernunft Mitteldeutschland" warfen der Bundesregierung in einem Positionspapier einen "Irrweg in der Klima- und Energiepolitik" vor und machen das an hohen Energiekosten fest: "Die aktuelle Entwicklung der Gas- und Strompreise ist besorgniserregend und ein Alarmsignal." Die Deutsche Presseagentur (dpa), zu deren Kundenkreis alle größeren Medien der Republik zählen, verbreitete dies und ließ dabei auch den früheren Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) zu Wort kommen: "Explodierende Energiepreise und Versorgungsengpässe sind vor allem ein Zeichen des Mangels und vor diesem Hintergrund ist die Stilllegung der letzten sechs Kernkraftwerke in den nächsten 14 Monaten unverantwortlich."
4 Kommentare verfügbar
Johannes Frübis
am 30.10.2021M1 für Machtpolitik.
M2 für Monopolpolitik.
M3 für Mandatsmissbrauch.
M1 z.B. Es wird versucht, die Öffentlichkeit zu beeinflussen.
Frankreich möchte Subventionen von der EU für Ihre Atomkraft.
Gleichzeitig wir damit auch die…