Herr Roth, Sie sind ein gefragter Mann. Das Wetter hat Hochkonjunktur. Alle wollen wissen, was es im wahrsten Sinne des Wortes "mit uns macht" und wie es zu solchen verheerenden Sturzfluten kommt wie in Nordrhein-Westfalen und in der Eifel. Was antworten Sie?
Zum einen ist dies der seit Wochen, ja Monaten außergewöhnlichen Wetterlage, aber sicher auch dem Klimawandel geschuldet. Als ich 1982, also vor beinahe 40 Jahren meinen ersten Vortrag zu diesem Thema gehalten habe, hätte ich mir so etwas nicht vorstellen können. In großer Höhe befinden sich immer noch die Reste der Polarluft aus dem Frühjahr. Gleichzeitig haben wir am Boden öfters schwül-warme bis richtig heiße Luft. So verzeichneten wir allein im Juni 20 Sommertage mit 25 Grad und mehr und fünf Hitzetage mit mindestens 30 Grad. In der Spitze waren es sogar 35 Grad! Für einen Juni ganz beachtliche Werte. Trifft nun diese Höhenkaltluft auf die feucht-labile, energiegeladene Luft, dann brodelt es in der Wetterküche und es bilden sich kräftige Schauer und Gewitter mit kaum berechenbaren Auswirkungen und hohem Unwetterpotenzial.
Nach zwei Jahren extremer Hitze und Trockenheit, nun sintflutartige Regenfälle. Wo bleibt die gemäßigte mitteleuropäische Großwetterlage, die uns doch alle sehr beruhigen würde?
Die wird es künftig kaum noch geben. Unwetter mit schweren Überflutungen, Sturmböen und Hagelschlag, wie dieses Jahr, allerdings auch öfters große Hitze und Trockenheit werden künftig das einst einmal gemäßigte Sommerwetter in Mitteleuropa prägen. In weiten Teilen auf der Nordhalbkugel herrschen seit Monaten überdurchschnittlich hohe Temperaturen. Vielerorts wurden neue Hitzerekorde verzeichnet, so unter anderem in der Türkei und in Kanada. Trockenheit und Waldbrände sind die Folgen. Beide Extreme – Dürre und sintflutartige Gewitterregen – sind Folgen des sich verändernden Klimas.
Das Wetter macht inzwischen vielen Menschen Angst – Ihnen auch?
Angst ist der falsche Begriff, aber Sorge, sogar große Sorge, vor allem auch im Hinblick auf die Gedankenlosigkeit vieler Menschen. Und dass es nach wie vor Leute gibt, welche den von uns hervorgerufenen Klimawandel leugnen, macht mich fassungslos. He, Jungs und Mädels, in den letzten fünfzig Jahre ist es hier, im südlichen Baden-Württemberg, um beinahe zwei Grad wärmer geworden, so viel wie nach dem Ende der letzten Eiszeit in Tausenden von Jahren! Also eine Erwärmung im Zeitraffertempo, die ohne Frage keineswegs nur natürlich bedingt sein kann. Vor 12.000 Jahren, erdgeschichtlich gesehen also gestern, lag der Bodensee noch unter einem mächtigen Gletscher, der wie eine überdimensionale Planierraupe unsere Landschaft formte. An dessen Nordrand schauten die Rentierjäger an der Schussenquelle auf das zurückweichende Eismeer, aus dem der Gipfel des Pfänders als Nunataker herausragte. Damals war es "lediglich" viereinhalb bis fünf Grad kälter als 1970. Da sollte eigentlich jeder kapieren, wie drängend die Klimaproblematik ist. Doch unter dem Einfluss der Verblödungssender RTL 2, SAT 1 und Pro 7, dümmlicher InfluencerInnen, schwachsinniger Fake News und selbst ernannter WunderheilerInnen sind Teile dieser Gesellschaft auf dem Wege zur totalen geistigen Umnachtung und nicht mehr in der Lage, Fakten anzuerkennen und daraus die dringend nötigen Schlüsse zu ziehen.
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Schwob vo dr Alb
am 13.08.2021