Ein Kind, das bei einem Gewitter mit einem Schirm unterm Baum sitzt und jauchzt, ist ein besonderes. Ein Mann, der bei Blitz und Donner mit einem Weizenbier im Garten herumspringt und darauf wartet, dass ihm ein Hagelkorn ins Glas fällt, ist besonders auffällig. In beiden Fällen handelt es sich um dieselbe Person, die bekennt, einen Vogel zu haben. Es ist Roland Roth, der im Oberland weltberühmte Wettergott, von allen nur Role genannt. Wenn der Role sagt, ein Sturm zieht auf, fahren sie die Markisen ein, und wer ihn nicht gehört hat, will später von ihm wissen, wann genau der Sturm war, damit er der Versicherung gemeldet werden kann. Mit Zertifikat. Aber das macht er inzwischen nicht mehr, weil sich nur noch sieben Prozent bedanken. "Die Leut", sagt er, "sind au nimme des". Früher haben sie ihm eine Flasche Wein oder einen Sack Kartoffeln auf die Treppe gestellt.
Role empfängt in kurzen Hosen. Es ist der 10. November, und man könnte die Beinkleider als Sinnbild des Klimawandels deuten, dem er in seiner Wetterwarte Süd in der Schussenrieder Konradstraße 3 längst auf der Spur ist. In seiner Hitparade der wärmsten 20 Jahre finden sich alle nach der Jahrtausendwende, in 2018 ist seit April jeder Monat zwischen zwei und fünf Grad zu warm. Das ist nicht gefühlt, das ist gemessen von ihm und seinen 200 ehrenamtlichen Helfern, die an 72 Wetter- und 130 Niederschlagsstationen Dienst tun. Es sei, sagt der heute 64-Jährige, das "engmaschigste Wetternetz der Welt", was nachvollziehbar ist, weil sein Beobachtungsgebiet ein begrenztes ist: vom Bodensee bis über die Alb, vom Allgäu in den Linzgau, vom Hegau bis zur Baar.
Kompagnon Oswald Metzger – ganz arg linksradikal
Wir sitzen draußen im Garten, im Boden hat's noch zehn Grad in einem Meter Tiefe, und Roth erzählt, wie alles angefangen hat. Mit 13 Jahren, am 7. Januar 1968. Da stand das erste Wetterhäuschen und bald ein Nachbarsjunge daneben, der auch Min-/Max-Thermometer checken wollte und später, zumindest eine Zeit lang, noch berühmter werden sollte: Oswald Metzger, dessen Ego so groß war wie die Bühne für seine Botschaften. Mal SPD, mal Grüne, mal CDU, Bertelsmann Stiftung, Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Ludwig Erhard Stiftung und so weiter halt. Damals, im Schussenried der Siebziger Jahre, war er "ganz linksradikal", viel linksradikaler als er, weiß Role. Der Oswald sei der politische Kopf weit über die Region hinaus gewesen. Sehr eloquent, aber auch sehr brutal.
1 Kommentar verfügbar
hellmut g. haasis
am 14.11.2018