Autor Andreas Markowsky hat vor über drei Jahrzehnten die Ökostromgruppe gegründet und in dieser Zeit mit ihr 42 Windräder, rund 150 Solaranlagen und ein halbes Dutzend Wasserkraftwerke im Schwarzwald realisiert, überwiegend mit breiter Bürgerbeteiligung. Wie der Titel seines Buches vermuten lässt, könnten es viel mehr sein, wären ihm und seinen MitstreiterInnen nicht immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen worden. "30 Jahre lang habe ich erlebt und erlitten, wie Politik, Interessengruppen, Verwaltungen und sogar Gerichte den Ausbau erneuerbare Energien behindert und verhindert haben", sagt Markowsky. Die absurdesten Erlebnisse hat er in seinem Buch dokumentiert. Beispielsweise wie aus Beamtensicht ein Windrad optisch mit unsichtbaren Keltenscherben konkurriert:
"Der Schönberg ist ein rund 600 Meter hoher Berg südwestlich von Freiburg. Windmessungen hatten ergeben, dass dieser Berg für Windenergie geeignet ist. Auch alle anderen Prüfungen zeigten, dass von einer Genehmigungsfähigkeit auszugehen ist. … Der Bauantrag lag beim Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald – einer sehr windkraftskeptischen Behörde. Nach einiger Zeit kam ein Schreiben vom Landesdenkmalamt, in dem der Bau wegen der optischen Konkurrenz der Windenergieanlage zu einem Kulturdenkmal abgelehnt wurde. Das war insofern erstaunlich, als es zwar eine alte Burgruine gibt, diese aber nicht auf dem Schönberg, sondern auf einem Nachbarhügel steht und durch Bäume weitestgehend verdeckt war. … Zu unserem Erstaunen war diese Burgruine aber gar nicht gemeint. Vielmehr erläuterte das Landesdenkmalamt, dass es früher vermutlich eine Keltensiedlung auf diesem Hügel gegeben habe und der Verdacht bestehe, dass in etwa zwei Meter Tiefe unter der Erde noch Scherben dieser Siedlung liegen könnten. Wegen der optischen Konkurrenz der geplanten Windenergieanlage zu den im Boden befindlichen Keltenscherben sei deren Bau unzulässig.
Die Anlage wurde bis heute nicht gebaut, da das Landratsamt die Argumentation der Denkmalschützer begierig aufgriff und eine Baugenehmigung verweigerte."
Blockade mit allen Mitteln
"Ein amüsant geschriebenes Buch – auch wenn das Thema sehr ernst ist: Bei der administrativen Verhinderung regenerativer Energien glaubt man in Absurdistan zu sein. Aber in Anbetracht der wahren Geschichten ist dies leider die Realität", kommentiert Erhard Schulz, stellvertretender Landesvorsitzender des Bundesverband Windenergie (BWE) Baden-Württemberg. Nicht nur absurd, mehr noch skandalös agierte so auch die Freiburger Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt im Jahr 2017, nachdem vermutlich Windkraftgegner ein Stück Kot am Standort eines geplanten Windparks ausgelegt hatten:
"Die Genehmigung für den Windpark Gütschkopf im Ortenaukreis wähnten wir in trockenen Tüchern, nachdem uns das Fachplanungsbüro sowie die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) schriftlich bestätigt hatten, dass seit 2007 keine Auerwildnachweise vorliegen. Doch kurz vor der Erteilung der Baugenehmigung tauchte ein Losungsfund (Kotfund) am Rande des Parkplatzes in der Nähe einer der geplanten Windmühlen auf. Die FVA teilte mit, dass sie die Losung gesichert habe, um mithilfe einer Genuntersuchung zu klären, ob diese von Henne und Küken stamme. (Anmerk. der Red.: in diesem Fall wäre der Gütschkopf Aufzuchtgebiet und tabu für Windmühlen)
Neun Monate nach dieser Mitteilung der FVA, acht Monate nachdem sie zugesagt hatte, die gentechnische Untersuchung durchzuführen (was tatsächlich nicht erfolgte), einen Monat nachdem der Rechtsanwalt die Herausgabe der Losung zwecks Untersuchung bei einer Hochschule angefordert hatte und zwei Wochen nachdem der Anstaltsleiter das Ergebnis der Genuntersuchung veröffentlicht hat, behauptete die FVA, diese Losung habe ihr niemals vorgelegen. Diese "neue Erkenntnis" fand sich im Nebensatz eines Schreibens an unseren Anwalt.
Die Repräsentanten der FVA haben mehrfach die Unwahrheit gesagt und den vereinbarten genetischen Nachweis nie erbracht. Trotzdem entschied sich die höhere Naturschutzbehörde, der ablehnenden Haltung der FVA zu folgen und die Genehmigungsfähigkeit zu verneinen. Konsequenzen des Verwaltungshandelns: Für die Verwaltung: keine. Für den Projektierer: Das Windenergieprojekt ist gescheitert. Für den Klimaschutz: Nullnummer."
Chronologisch dokumentiert Markowsky auf vier Buchseiten die Verhinderungstaktik der FVA und ihres Leiters, Professor Konstantin Freiherr von Teuffel. Die gute Nachricht: von Teuffel ist Ende Oktober 2019 in Ruhestand getreten.
Doch Markowsky will nicht nur auf Missstände hinweisen. Sein Buch soll zum Umdenken anregen. "Kern der Botschaft ist die Frage der Priorität", betont er. Die Energiewende scheitere nicht an fehlendem Geld oder Fläche, glaubt der Praktiker. "Wir müssen uns entscheiden, was wichtiger ist: Artenschutz, Denkmalschutz, Landschaftsbild? Oder konsequenter Klimaschutz, um die Lebensgrundlagen für Menschen, Tiere und Pflanzen auf Dauer zu erhalten?" Seine Antwort ist klar. Das Ziel der grün-schwarzen Koalition, 1.000 Windräder im Lande zu bauen, verlange einschneidende Änderungen im Genehmigungsprozess, betont der Windenergieunternehmer. So sei etwa die Vorgehensweise beim Schutz des Auerhuhns grundlegend zu ändern. Der großflächige Ausschluss von Windmühlen beim Auftreten dieser Vogelart müsse durch punktuelle, zielgerichtete Maßnahmen abgelöst werden. Was sich ändern muss, beschreibt er in einer Maßnahmenliste. Umdenken sei lebensnotwendig, sagt auch Erhard Schulz. "Ohne eine effizientere Klimaschutzpolitik, ohne einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz werden die nächsten Generationen, wird die Gesellschaft scheitern", so der Windenergie-Vertreter.
Bund und Land wollen Einsprüche erschweren
Vergangene Woche verkündete der neue Bundesklimaminister Robert Habeck (Grüne), den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen zu wollen. Auf Landesebene hat die Stuttgarter grün-schwarze Koalition hierfür bereits im vergangenen Oktober eine Task Force gegründet. "Diese setzt sich mit vielen Hindernispunkten auseinander. Ziel und Aufgabe ist es, die Projektierungsdauer mindestens zu halbieren", sagt Matthias Schmid, Sprecher von Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne). Antrags- und Genehmigungsverfahren sollen durch Standardisierung, Digitalisierung und effizientere Organisation erleichtert und beschleunigt werden. Den Regierungspräsidien soll stärker als bisher eine Steuerungsfunktion im gesamten Genehmigungsprozess zukommen. Ein Monitoring-System wird die Einhaltung der Verfahrensdauern überwachen.
Zeitnah sollen auch mehr Flächen zur Verfügung stehen. "Dafür haben wir eine Vergabeoffensive von Staatswaldflächen gestartet, welche Flächen für mehrere Hundert Windenergieanlagen schaffen wird", erklärt Schmid. Daneben sollen auch Landschaftsschutzgebiete für den Bau von Anlagen geöffnet werden. Dafür bedarf es einer Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes: entweder durch Einfügen einer generellen Ausnahme oder einer Länderöffnungsklausel. "Wir haben uns dafür bei der neuen Bundesregierung bereits mit konkreten Formulierungsvorschlägen zur Gesetzesänderung eingesetzt", so der Ministeriumssprecher.
Wird nun alles besser?, fragt Kontext den Buchautor Markowsky. Der erzählt vom aktuellen Repowering-Projekt der Ökostromgruppe in der Schwarzwaldgemeinde Freiamt. Eine leistungsstarke Windmühle auf dem Schillinger Berg soll zwei 20 Jahre alte Anlagen ersetzen und künftig mit jährlich zehn Millionen Kilowattstunden doppelt so viel Strom als bisher erzeugen. Der Neubau droht laut Markowsky an Verhinderungs-Bürokratie zu scheitern. So befürchte die Untere Wasserschutzbehörde, die 230 Meter hohe neue Mühle könnte bei einem Unglück eine nahe gelegene Grundwasserquelle gefährden – wozu sie aber an ihrer Turmbasis umknicken und in voller Länge mit einer bestimmten Flügelstellung genau in Richtung der Quellfassung fallen müsste. Ein extrem unwahrscheinliches Szenario.
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Karl Heinz Siber
am 22.01.2022