Auf den ersten Blick sieht Martin Herrenknecht aus wie der nette Opa von nebenan, dem man guten Gewissens seine Blagen in Obhut gibt, um abends ins Kino zu kommen. Doch wenn dem 77-jährigen Unternehmer aus dem badischen Schwanau etwas gegen den Strich geht, dann fährt er auch schon mal aus seinem Pullunder. Hat sich der Gründer und Vorstandsvorsitzende des gleichnamigen Weltmarktführers für Tunnelvortriebstechnik erst mal in Fahrt geredet, erinnert er in seiner Diktion an den aktuellen US-Präsidenten. Und recht hat nur einer, nämlich er.
In solchen Momenten ist selbst Hochtechnologie Made in Germany bestenfalls "Blödsinn". Oder ein "Krebsgeschwür". So wie die Handvoll Windräder, die sich weit oberhalb seines Firmengeländes in der Schwanauer Rheinebene auf den benachbarten Schwarzwaldhöhen drehen. Da werde "gebogen und gelogen", um noch mehr dieser schrecklichen Windmühlen mitten in die Natur zu stellen, klagt er. "Rettet den Schwarzwald!", beschwört der Ingenieur, dessen Bohrer alles klein kriegen, sei es den Anhydrit bei Stuttgart 21 oder einen Baumstamm, dessen durchlöcherter Rest vor der Firmenzentrale prangt.
Ein Appell, den die Zeitung mit den vier großen Buchstaben gern weiterverbreitet. Deren Chefreporter Peter Tiede reiste aus Berlin an, um Herrenknecht erste mediale Hilfe zu leisten – gegen die "scheiß Windrädchen", so der rustikale Konzernchef im O-Ton. Tiede lieferte. "Wir haben uns im Schwarzwald umgehört. In einer der schönsten Postkartenansichten, die Deutschland zu bieten hat", moderiert er das knapp fünfminütige Video auf "www.bild.de" an. Um gleich im nächsten Satz Ängste zu schüren: "Sie sollten herkommen, solange es noch so idyllisch ist". Denn auch durch die "Bild"-Brille gesehen, ist der Schwarzwald dem Untergang geweiht. Wegrotiert quasi.
Das ist neu: Windräder machen den Schwarzwald kaputt
Zwar sind sich Förster und Wissenschaftler einig, dass es der Klimawandel ist, der dem bekanntesten deutschen Wald zu schaffen macht. Im Sommer 2018 fiel monatelang kein Tropfen Regen, dazu herrschte eine Rekordhitze wie in Afrika. Beidem ist die Fichte, häufigste Wirtschaftsbaumart zwischen Pforzheim und Lörrach, nicht gewachsen. Bestände, die vergangenes Jahr nicht sofort den Dürretod starben, waren teilweise so geschwächt, dass Schädlinge wie der Borkenkäfer ganze Arbeit leisteten. Stürme und Schneebruch sorgten zusätzlich für Verwüstungen. "Die Befürchtungen haben sich bestätigt – Bäume aller Hauptbaumarten zeigen in 2019 enorme Schäden durch Trockenheit und sekundärem Schädlingsbefall", heißt es bei der Forstkammer Baden-Württemberg.
Der Klimawandel und seine dramatischen Folgen spielen für "Bild" und Herrenknecht freilich keine Rolle. Reporter Tiede sieht die größte Gefahr für den 1500 Quadratkilometer großen Naturpark in dreißig Windrädern, die klimafreundlichen Strom für Freiburg und Umgebung erzeugen sollen. Für das Boulevardblatt schlicht ein "Windkraftirrsinn im Schwarzwald"! Auch weil sich auf den Schwarzwaldhöhen angeblich kein Lüftchen bewegt. Die Windturbinen seien geplant "in einer der windärmsten Gegenden, die Deutschland zu bieten hat", behauptet Tiede.
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Dirk Winning
am 28.11.2019