Andreas Scheuer ist ein Freund einfacher, griffiger Formulierungen. "Klimaschutz soll Spaß machen" ist eine davon, "Wir wollen mehr H2O und weniger CO2" eine andere. Wem sich Sinn und Kontext letzterer Aussage nicht gleich erschließen: Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) tätigte sie im Juli dieses Jahres, als er den Aktionsplan "Niedrigwasser Rhein" vorstellte. Der Hintergrund ist der durch extreme Trockenheit im Sommer 2018 verursachte niedrige Pegelstand des Rheins, der die Schiffstransporte weitgehend zum Erliegen brachte – und damit auch viele vom Frachtgut abhängige wirtschaftliche Aktivitäten. Industriebetrieben fehlten die Rohstoffe, Tankstellen hatten zu wenig Benzin und Diesel. Die Güter mussten über die Straßen transportiert werden und nicht – und nun sind wir beim Scheuer-Punkt "weniger CO2" – emissionsärmer per Binnenschiff.
Das sei die am wenigsten klimaschädliche Transportweise überhaupt, sagt Scheuer, und damit die auch bei Niedrigwasser funktioniere, müssten beim Rhein oder anderen Flüssen die Fahrrinnen tiefer gegraben werden. Eine Klimaschutzmaßnahme also. Wer kann da etwas dagegen haben, dass die auch so schnell wie möglich umgesetzt wird? Mit wem Scheuer den Aktionsplan präsentiert hat (mit Industrievertretern) und mit wem nicht (Umweltverbänden und Bürgerinitiativen), weist schon grob die Richtung. Umweltverbände beispielsweise haben etwas dagegen, denn die hier plakativ behauptete Klimaschutzmaßnahme ist nicht unbedingt ökologisch; viele negative, inakzeptable Folgen für die Umwelt habe eine Fahrrinnenvertiefung des Rheins, argumentierte der BUND Rheinland-Pfalz schon 2015 wegen des gleichen Ansinnens. Dass die angebliche Klagefreudigkeit solcher Umweltverbände Planungsprozesse großer Projekte in die Länge ziehe, ist eine besonders gern bemühte Argumentation, oder neudeutsch: ein Narrativ von Wirtschaft und ihr naher Politiker.
Das soll nun anders werden. Nachdem Scheuers Ministerium schon im letzten Jahr ein "Planungsbeschleunigungsgesetz" vorgelegt hat, das Bürgerbeteiligung und Klagemöglichkeiten einschränkt (Kontext berichtete – am 7. Dezember 2018 trat es in Kraft), geht sein nächster Streich noch weiter: Am 6. November beschloss das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf mit dem grotesk sperrigen Namen "Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz" – zuvor "Genehmigungsbeschleunigungsgesetz".
Von der Ausnahme zur Regel?
Das Gesetz gehört zum Klimapaket der Bundesregierung. Doch sein Inhalt erweckt den Anschein, als sollten im Windschatten eines behaupteten Klimaschutzes grundlegende Rechtsveränderungen vorgenommen werden, auf die viele Wirtschaftsvertreter lange nicht einmal zu hoffen gewagt hatten. Ein Prinzip, das bei Rechtsverschärfungen im Sicherheitsbereich nach Terroranschlägen nicht unbekannt ist. Denn das Gesetz bedeutet, wenn es in Kraft tritt, nichts anderes als eine komplette Wende im Planungsrecht. Statt üblicher gründlicher Planfeststellungsverfahren können Infrastrukturprojekte nun einfach per Gesetz beschlossen – man spricht dann von einem "Maßnahmengesetz" – und dadurch quasi unanfechtbar werden. Denn die Klagemöglichkeiten von Bürgern und Verbänden fielen fast vollkommen weg. Statt vor Verwaltungsgerichtsinstanzen wäre nur noch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht möglich.
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Lowandorder
am 02.12.2019