Aber das sei heute nicht das Thema. "Sondern das Thema ist: Wie kriegen wir die Mobilität so faszinierend hin, dass wir sauberer werden, und dass wir die Klimaschutzziele einhalten?" Die Mobilität der Zukunft muss Spaß machen, sehr viel konkreter wird Scheuer nicht. "Technologieoffen" will er fördern, klar, Elektromobilität, aber nicht nur. Auch digitale Verkehrsmanagement-Systeme faszinieren ihn, ach ja, und dann hat er noch einen Mobilitätspreis vergeben für junge Start-Ups, ganz hoffnungsvoll sei er da, und sein Ministerium habe eine nationale Plattform eingerichtet, und da wolle er über die Mobilität der Zukunft reden, "mehr Mobilität bei weniger Verkehr", "mobil und digital zusammenbringen", da müsse man "pushy" sein. Die Floskeln der guten Absichten schießen wie Pfeile durch den Raum.
Der "liebe Eckart von Klaeden" ist im Laufe von Scheuers Kurzvortrag zu "Ecki" geworden. Bevor er spricht, ist aber noch Kemfert dran, die unter anderem eine Quote für Elektroautos fordert. Vielleicht auch, damit nicht zu deutlich wird, dass zwischen den Ecki und den Minister kaum ein Blatt passt. Von Klaeden kommt, trotz Jeans und Krawattenlosigkeit, längst nicht an Scheuers Lässigkeit und Rampensau-Qualitäten ran, er spricht eher monoton und abgehackt, und, wie PR-Berater wohl sagen würden, sein Wording ist auch nicht ganz so fresh. Aber sonst herrscht trautes Einvernehmen.
Die Ökonomie ist ja wohl kein Orchester!
Saubere Luft und Klimaschutz, das wollen beide. Und mehr E-Mobilität auch. Aber eine Quote für Elektroautos? Fahrverbote? Wollen beide nicht. "Eine Quote halte ich für falsch" (von Klaeden), "ich bin nicht so der fixierte, einzementierte, an Quoten oder Verboten orientierte Typ" (Scheuer). Vor "politisch-ideologischen Entscheidungen" solle man sich hüten, sagt Scheuer. Stattdessen müsse man durch Anreize für mehr E-Mobilität sorgen. Von Klaedens Paraphrase klingt etwas dröger: "Ich bin der festen Überzeugung, dass es ökologisch-marktwirtschaftlich und nicht ökologisch-dirigistisch funktioniert." Den Klimaschutzzielen müsse man "marktwirtschaftlich begegnen", sagt der Daimler-Lobbyist. Das klingt ein bisschen wie "den Klimaschutz autogerecht gestalten".
Den Staat will von Klaeden trotzdem nicht ganz abschaffen, der soll bitte für ausreichend erneuerbare Energien und eine gute Infrastruktur für E-Mobilität sorgen. Und er wünsche sich sogar "vorhersehbare, klare, als Staatsbürger auch scharfe Vorgaben", so der Daimler-Mann, "die aber im Einzelfall nicht so dirigistisch sind." Wie diese leicht an der Quadratur des Kreises erinnernde Forderung erfüllt werden soll, verrät von Klaeden nicht so genau. Aber die Formel "Anreize gut, Regulierung schlecht" vertritt praktischerweise ja auch Scheuer.
Nur einmal kommt es zu einem kleinen Dissens zwischen den beiden. Als von Klaeden mal wieder über den staatlichen "Dirigismus" gegenüber der Autoindustrie in Deutschland lamentiert, über "Zusatzauflagen", über "Tests, die uns die Planung und die Entwicklung der Fahrzeuge unglaublich erschweren", da wird es selbst Scheuer zu bunt: "Also Ecki, da muss ich aber echt sagen, dass die Messungen so kommen, das haben wir, das habt ihr Jahre im Voraus gewusst." Und die Autoindustrie habe "schon einen Riesenanteil daran, dass wir jetzt strenger unterwegs sind", legt der Bundesverkehrsminister nach. Baff. Da fühlte man sich gleich an den kalkulierten Wutausbruch Scheuers von vorvergangener Woche erinnert, als er Vertreter der Autoindustrie mit einer Missbilligung von deren Verhalten seit dem Dieselskandal verdutzte ("Ich ärgere mich echt"), um kurz darauf eine Einigung zu Hardware-Nachrüstungen zu präsentieren, die der Autoindustrie nicht weh tut.
Immerhin, indem Scheuer nach seiner Rüge von den Versäumnissen der heimischen Autoindustrie blitzschnell weiterspringt zu seiner Unzufriedenheit über das Fehlen einer einheitlichen europäischen Regelung, da verhindert er vielleicht unangenehme Nachfragen. Denn von Klaeden war in der Vergangenheit bei Abgastests ja überaus, wie man in Managementkreisen wohl sagt, "proaktiv": Im Jahr 2015 hatte der ehemalige Staatsminister im Kanzleramt, der 2013 nahtlos zu Daimler wechselte, das getan, was man sich von Lobbyisten, die eben noch Politiker waren, halt so erwartet: Er setzte sich erfolgreich im Kanzleramt gegen strenge Abgastests bei Dieselautos ein. Die strengeren Regeln wären eine Umsetzung von Plänen der EU-Kommission gewesen. Deren Fehlen wer gerade monierte? Ach hören wir auf, das wird zu kompliziert.
Immer nur dagegen: Scheuer will weder Tempolimit noch neue Steuern
Claudia Kemfert wirkt neben den beiden Freunden der Autoindustrie ein bisschen wie das wissenschaftliche und weibliche Feigenblatt. Dass Messwerte nicht eingehalten werden, dass Gerichte über Fahrverbote entscheiden, das hätten wir uns doch selber zuzuschreiben, betont sie. Und da gehe doch nicht um ideologische Programme, "es geht um saubere Luft, um unsere Umwelt, um unsere Gesundheit", und es sei doch klar, dass das mit der Wirtschaft zusammen gehen müsse. Scheuer sagt artig "Danke für dieses Plädoyer", um doch wieder zu betonen, dass man leider gerade nicht "die Mobilität von morgen" diskutiere.
In der offenen Runde für Publikumsfragen zeigt sich dann verstärkt, was der gemischte Applaus schon vorher nahelegte. Dass nämlich die IHK-Vertreter an diesem Tage offenbar doch keinen ganz so monolithischen Block bilden – die rebellische Kaktus-Initiative hat eifrig mobilisiert. Statt über den Klimawandel sei es heute vor allem um Fahrvergnügen gegangen, moniert ein Unternehmer, er würde gerne wissen, wie die Diskutanten denn zum Tempolimit stünden, das würde ja auch zu Einsparungen führen. Tempolimit, das ist natürlich der Gottseibeiuns der deutschen Autolobby, entsprechend nennt von Klaeden dies "eine Diskussion von gestern" und Scheuer sagt, die Richtgeschwindigkeit habe sich bewährt. Kemfert widerspricht, ein Tempolimit würde durchaus Unfälle vermeiden, den Schadstoffausstoß senken und auf lange Sicht für kleinere, sparsamere Autos sorgen.
6 Kommentare verfügbar
Fred Nagel
am 13.03.2019https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2019/_01/_09/Petition_89913.nc.html
Vielleicht können ja möglichst viele Unterschriften das Thema doch noch voran bringen. Also weitersagen...
Karl Krützmann
am 22.11.2018Ha noi. Da fehlt aber der lausige Jurist &Oberlobbyist Matthias Wissmann. Newahr.
Auf einer JurKonferenz stimmte mir ein RA zu - der erst Anwälten von Dieselgeschädigten zugearbeitet hatte & nunmehr selbiges für Audi-Anwälte macht.
“Klar über die Schiene Wissmann/Autolobby & Co.
Habense die EU-Richtlinien so gerissen hingeschustert.
Daß es bei dem wohl kalkulierten Dieselbetrug.
Eben gerade - NICHT - für eine Strafbarkeit wg Betruges nach § 263 StGB langt."
So geht das.
Reinhard Muth
am 21.11.2018https://www.spektrum.de/news/wie-ist-die-umweltbilanz-von-elektroautos/1514423
Walter Meier
am 21.11.2018Solange der liebe Ecki und Kompagnons da was mitzureden haben – im Leben nicht!!!
Ulrich Kurz
am 26.11.2018Rund 70 Prozent der CO2-Emissionen bei e-Autos rühren her aus der Stromerzeugung. Die restlichen 30% entstammen hälftig der Produktion der Lithium-Ionen-Batterie und der "Schwungnutzung" des Fahrzeugs selbst.
( https://www.transportenvironment.org/sites/te/files/publications/TE%20-%20draft%20report%20v04.pdf )
Ein Problem ist also tatsächlich - da gebe ich Ihnen recht - die Stromerzeugung: der CO2 Footprint bei der Energieerzeugung liegt in Deutschland bei 410 g/kWH (dank unserer Kohlekraftwerke also deutlich höher als der EU-Durchschnitt, der bei 300 g/kWH liegt).
Aber trotzdem liegen Sie falsch mit Ihrer Behauptung: Laut Umweltministerium liegen E-Autos bezüglich Emissionen bereits heute 16-27% unter verbrennungsmotorischen Vergleichsfahrzeugen. Mit klarer Jahr-für-Jahr Tendenz angesichts des technologischen Fortschritts - "klarer Vorteil 'e'" ( http://nationale-plattform-elektromobilitaet.de/themen/umwelt/ ).
Aber wie gesagt: das sind Zahlen Zahlen Zahlen...
Wichtiger ist: die Klimaziele sind unabhängig von der Frage des Antriebs nur zu erreichen bei gleichzeitiger Energiewende und einem völlig neuen Konzept von Mobilität (weg vom AutoBESITZdenken. Aber das ist ein ganz anderes Thema, wie auch die mit "e" zu diskutierenden Themen Kobaltabbau/Kinderarbeit/Kongo, chinesische Afrikapolitik, neue Wertschöpfungskette, 5G-Netz, neues Mobilitätskonzept...).
Egal - der Dieselantrieb ist für PKWs weltweit tot oder am Sterben (im Jargon Frank Zappas: "Diesel isn't dead. It just smells funny"). Das Dieselimage hat VW mitsamt dem nordamerikanischen Markt, dem zweitgrößten Exportmarkt deutscher Hersteller, kolossal vermasselt. Der (Auto)Zug ist bereits abgefahren - in Richtung e-Mobilität: Der weltgrößte Exportmarkt China dirigiert durch Quote und egoistische Industriepolitik und nötigt auch unsere erfolgsgewohnten Autohersteller zu Innovationen, wenn sie auch im Bereich "e" laut Innovationsindex hinterher hinken ( https://auto-institut.de/index_htm_files/CAM-Newsletter_2017-12.pdf ). Und die Zukunft, hier, bei uns, im Lande Daimler? Ist offen. Ob Daimler&Co sich mit ihrem schweren Rucksack bisher erfolgreicher Technologien, bestehender Kundenerwartungen (brummbrumm) und interner Besitzstandswiderstände erfolgreich wandeln angesichts frischer unbelasteter Konkurrenz, die über IT-Know-How, IT-Ressourcen und Daten Daten Daten verfügt (Tesla, Uber, Didi, Chuxing, Apple, google, Amazon, Alibaba, Baidu, ...) - ich hoffe, die Wende gelingt.
Zitat MP (vor ein paarTagen): "Es geht für die deutschen Automobilhersteller gerade um die WURSCHD!"
Charlotte Rath
am 21.11.2018Ob sich diese Mobilität dann zu Fuß, per Fahrrad oder Schiene abspielt, ist zwar fürs Klima bedeutsam, scheint aber die hier zitierten Diskutanten kaum beschäftigt zu haben.
Oder meinte Herr Schmalzl die Arbeitsplätze in und rund um die Automobilindustrie, wie es wohl dort das handverlesene Publikum und hier die geneigte Leserschaft verstehen sollen? Dann ist es tröstlich zu wissen, dass 100 % aller Erwerbstätigen ‚an einer guten Gesundheitsversorgung hängen'. Deswegen sind in Baden-Württemberg glücklicherweise auch mehr Menschen im Gesundheitswesen tätig als im Automobilbau und mit dem Auto verbundenen Gewerben. Oder zählt Herr Schmalzl gar die Versorgung derjenigen Verletzten und Kranken in seine "40 bis 50 %" mit hinein, welche jährlich zu Tausenden durch die exzessive automobile Nutzung in der Region Stuttgart zu Schaden kommen?