Nein, sowas macht man einfach nicht: Dr. Z., den mächtigen Boss des Stuttgarter Autobauers mit dem Stern wie einen Schuljungen vorführen. Ihn zwei Mal innerhalb von vierzehn Tagen nach Berlin zitieren. Ihn durch den angeordneten Rückruf Hundertertausender Diesel mit dem Stern öffentlich abwatschen. Baden-Württembergs grünem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann wäre das im Traum nicht eingefallen. Das kriegt nur ein Niederbayer wie Andreas Scheuer hin. Wann knöpft sich der christsoziale Verkehrsminister eigentlich die weißblaue Münchner Konkurrenz vor?
Dieter Zetsche, der erfolgsverwöhnte Konzernlenker vom Neckar, machte jedenfalls keine besonders souveräne Figur, als er am vergangenen Montag in der Berliner Invalidenstraße vor die Kameras trat und kleinlaut von konstruktivem Gespräch faselte. Selbst Zetsches Alter Ego Eckart von Klaeden, bei Daimler Leiter der Abteilung "Politik und Außenbeziehungen", schaute an diesem denkwürdigen Tag bedröppelt drein. Klaeden war ab 2009 Staatsminister im Bundeskanzleramt, bevor er Ende 2013 als Cheflobbyist nach Stuttgart wechselte. Doch die einstige rechte Hand von Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte auch nicht weiterhelfen.
Und als ob ein amtlicher Rückruf von europaweit 774 000 Autos mit dem Stern, davon 238 000 hierzulande, nicht schlimm genug ist: Kurz darauf berichtete der "Spiegel", dass Daimler weiter eine Milliardenstrafe (genauer gesagt: 5000 Euro pro manipuliertem Fahrzeug, oder insgesamt 3,75 Milliarden Euro) droht. Muss Zetsche womöglich in den Knast? Wie der seit Anfang der Woche wegen Verdunklungsgefahr in Untersuchungshaft sitzende Audi-Chef Rupert Stadler, dem die Ermittler Betrug und Falschbeurkundung vorwerfen, weil Dieselfahrzeuge mit manipulierter Software zur Abgassteuerung auf den europäischen Markt gebracht worden seien.
Mit der Abwrackprämie die Autohersteller gerettet
Was waren das noch für Zeiten, als die Politik alles tat, damit sich die Autohersteller, allen voran Daimler, eine goldene Nase verdienen konnten. Nur will davon momentan, in der Kostendiskussion für die Nachrüstung von Dieselstinkern, niemand mehr etwas wissen. So erließ die erste Merkel-Regierung Ende 2008 im Rahmen des sogenannten Konjunkturpakets I als Reaktion auf die internationale Finanzkrise Käufern von Fahrzeugen der Emissionsklassen Euro-5 und Euro-6 zeitweilig die Kraftfahrzeugsteuer. Zunächst für ein Jahr, später sogar für die Dauer von zwei Jahren. Mit dem Gesetz zur Neuregelung der Kraftfahrzeugsteuer im Mai 2009 beschenkte die Regierung auch Diesel-Käufer (der Emissionsklasse Euro-6) mit einer Kraftfahrzeugsteuerbefreiung von maximal 150 Euro. Was sich wie ein Almosen anhört, summierte sich zwischen 2008 und 2013 zu Steuerausfällen von immerhin 590 Millionen Euro.
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Philippe Ressing
am 23.06.2018