Was für eine Paradoxie: Just als Verwaltungsgerichte Städten wie München, Düsseldorf und Stuttgart Fahrverbote zur Luftreinhaltung auferlegten, feierte Mercedes-Benz die Premiere seiner neuen X-Klasse. Seit Anfang November steht der Pick-Up mit Stern in den Autohäusern – und wirkt angesichts überhöhter Stickoxidwerte in Städten und steigender Erdtemperatur völlig aus der Zeit gefallen. Zwar soll der wuchtige Pritschenwagen, der rund 2,2 Tonnen auf die Waage bringt, unter 8 Litern Diesel auf 100 Kilometern schlucken, verspricht der Prospekt. Doch das ist Schönfärberei: Mit 190 PS bläst der Selbstzünder 209 Gramm CO2 pro Kilometer in die Luft – und damit mehr als das Doppelte des Grenzwertes von 95g, den die EU ab 2020 für neu zugelassene PKW vorsieht.
Tatsächlich dürfte die neue Nobel-Pritsche noch viel klima- und umweltschädlicher sein, glaubt man dem International Council on Clean Transportation (ICCT). Erst jüngst stellte die Organisation fest, dass Neuwagen real 42 Prozent mehr Kraftstoff verbrauchen als von den Herstellern angegeben. Besonders peinlich war das Ergebnis für Daimler: Mit mehr als 50 Prozent fielen gerade Mercedes-Modelle als Spritschlucker auf.
Daneben sprengt die X-Klasse größenmäßig jeglichen Rahmen. Mit fünfeinhalb Metern Länge und zwei Metern Breite passt sie weder in Parkhäuser noch auf Stellplätze am Straßenrand – ein Elefant selbst in autogerechten Innenstädten. "SUV-Fahrer repräsentieren den rücksichtslosen Konsum unserer Gesellschaft", sagt der Berliner Politologe Markus Wissen zur miesen Ökobilanz der kleineren Sport Utility Vehicles. Was sind dann erst X-Klasse-Besitzer? "Auto-Bild" jedenfalls vermutet bereits den Beginn eines neuen Hypes: "Wenn das Fahrzeug wirklich genauso gut funktioniert, wie es Mercedes sich vorstellt, dann geraten andere Hersteller wie Audi und BMW auch unter Zugzwang, einen Pick-Up auf die Beine zu stellen."
Umwelt-Offensive beim Daimler-Betriebsrat
Während Mercedes-Benz modelltechnisch auf dicken Maxe macht, sorgt sich der Betriebsrat im Untertürkheimer Stammwerk um das Umweltbewusstsein der Führungsebene. Daimler, mit 20 000 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber in Stuttgart, drohe ein folgenschwerer Imageschaden, sollte der Konzern nicht adäquat auf die Feinstaubalarme im Talkessel reagieren. "Zu einem Premiumhersteller gehören auch Premium-Mobilitätsangebote für Mitarbeiter. Nur dann bleibt Daimler ein Unternehmen, auf das die Bürger in und um Stuttgart stolz sind", sagt Wolfgang Nieke, Betriebsratsvorsitzender im Werk Untertürkheim.
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M. Stocker
am 11.12.2017Leider nein. Denn die Mitarbeiter, die lohnabhängig Beschäftigten, sind genauso Opfer der Innovationsverweigerer der Vorstandsetagen wie alle anderen auch. Als Kunden, die sich darauf verlassen haben, dass das, was im…