Zwei Jahre später stellt Daimler auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) den Elektro-Versuchsbus OE 302 vor. Eigentlich handelt es sich um einen Hybridbus, denn ein 65-PS-Dieselmotor im Heck lädt außerhalb der Stadtzentren den Akku nach. "Die Elektro-Traktion mit ihrer Emissions- und Geräuschfreiheit hat im städtischen Verkehr der Zukunft große Chancen", geben sich die Entwicklungsingenieure überzeugt. Vorgeführt werden die Zukunftschancen allerdings an einem Auslaufmodell, denn zur selben Zeit kommt der von mehreren Herstellern gemeinsam mit dem Verband öffentlicher Verkehrsunternehmen (VÖV) entwickelte neue VÖV-Standardbus auf den Markt. 1967 wurde er auf der IAA vorgestellt. Mit Elektroantrieb gibt es ihn erst neun Jahre später.
Hamburg, Baden-Baden und andere Städte testen die zwei Elektro-Versuchsbusse. 3,5 Tonnen wiegen die Bleibatterien. Da der Bus für ein Gesamtgewicht von nicht mehr als 16 Tonnen zugelassen ist, können statt 110 nur 65 Fahrgäste mitfahren. Nickel-Cadmium-Batterien hatten die Ingenieure ebenfalls in Erwägung gezogen. Sie waren zwar leichter, aber wesentlich teurer, und die Entsorgung des hochgiftigen Cadmiums blieb ungelöst.
Seit über hundert Jahren experimentiert Daimler mit Elektrobussen
Bei den Batterien haperte es noch, den elektrischen Antrieb aber gab es schon lange. Auch bei Daimler. Seit 1899 hatte die Motorfahrzeug- und Motorenfabrik Berlin, die drei Jahre später von Daimler übernommen wurde, Elektrobusse im Angebot. 1905 erfand Ferdinand Porsche einen elektrischen Radnabenmotor, der in Daimler-Fahrzeugen mit Hybridantrieb zum Einsatz kam. Ab 1907 fertigte das Unternehmen auch Oberleitungsbusse (auch Obus oder Trolleybus genannt). 40 Stück verkehrten vor dem Ersten Weltkrieg an verschiedenen Orten, unter anderem in Heilbronn, Berlin und Paris. Der Dieselmotor war dagegen erst 1924 serienreif.
Bis in die 1930er-Jahre stagnierte die Entwicklung. Erst dann machte der Obus eine steile Karriere. 1934 befanden sich in London bereits 1764 Fahrzeuge im Einsatz. In Osteuropa entstanden zahlreiche Linien, die häufig bis heute bestehen. Moskau besitzt mit 85 Linien noch immer das weltgrößte Obusnetz. In Deutschland kam die Entwicklung dagegen erst durch den Wunsch der braunen Machthaber, sich von den Erdölimporten unabhängig zu machen, in Gang. Daimler stellte 1936 einen mit dem Schweizer Elektrotechnikkonzern Brown, Boveri & Cie. entwickelten Obus vor und im folgenden Jahr eine ganze Baureihe. Doch von 246 Aufträgen kamen bis zum Krieg nur 26 zur Ausführung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bewarb sich Daimler um einen Großauftrag in Argentinien. Mit einem Zuschlag für die Hälfte der 700 ausgeschriebenen Fahrzeuge war das Untertürkheimer Unternehmen mit einem Schlag Deutschlands größter Obus-Hersteller. Auch hierzulande richteten viele Städte in den 1930er- bis 1950er-Jahren Obus-Linien ein. Die passten allerdings nicht ins Bild der bald propagierten autogerechten Stadt. Ab 1962 war in Deutschland kein serienmäßiger Obus mehr erhältlich.
Esslingen setzt voll auf Oberleitungsbusse
Esslingen hatte 1944 wie andere Städte seine Straßenbahnen durch Oberleitungsbusse ersetzt. Nur die Straßenbahn nach Nellingen und Denkendorf fuhr noch bis 1978 weiter. Um 1970 ist der Obus-Fuhrpark veraltet. Der städtische Verkehrsbetrieb kauft noch einige Gebrauchtfahrzeuge von Verkehrsbetrieben, die den Oberleitungsbetrieb eingestellt hatten. Schließlich ist Esslingen neben Solingen die einzige westdeutsche Stadt, in der noch Obusse verkehren. Just zu jener Zeit führen aber der Bericht des Club of Rome 1972 und die Ölkrise 1973 die Begrenztheit fossiler Rohstoffe vor Augen. Die Stadt will ihre Elektrobusse behalten. Aber Daimler-Benz liefert keine Ersatzfahrzeuge.
3 Kommentare verfügbar
Herr Wolle
am 04.08.2017Herr Müller
am 06.08.2017Man könnte also sagen, dass dies politisch gewollt war, aber nicht von der Stadt Esslingen, sondern vom Landkreis Esslingen.
Herr Blinki
am 03.08.2017Auf einer fast 34 Kilometer langen Strecke von Ruhrort über Homberg, Moers, Repelen, Kamp-Lintfort und Rheinberg nach Ossenberg verkehrte vom 18. Dezember 1954 bis zum 28. Mai 1967, zum Teil auf einer früheren Straßenbahntrasse, die längste Oberleitungsbuslinie Deutschlands. Die nach Duisburg führenden Oberleitungsbusstrecken waren dabei Teil des Oberleitungsbus Moers, an dem die DVG mit zwei Fahrzeugen und 1,35 Streckenkilometern beteiligt war.