Aubagne und der Landkreis Pays d'Aubagne et de l'Etoile haben den Nulltarif 2009 eingeführt und damit eine Verkehrswende eingeleitet. Pleite ging die von einem kommunistischen Oberbürgermeister regierte Stadt deshalb nicht. Mit dem Verzicht auf Tickets spart man die Kosten für Fahrscheinverkauf und Kontrolle. Das mache circa zehn Prozent der Gesamtkosten, sagt Marie Burdy vom Verkehrsverbund. 40 Prozent der verbleibenden Ausgaben würden über eine Nahverkehrsabgabe bestritten, die "versement transport", die die Firmen der Region abführen müssen. 60 Prozent steuerten die beteiligten Gemeinden aus ihrem Haushalt bei. Sie konnten deshalb teure Straßenbauprojekte einsparen, da der Autoverkehr zurückging.
Erfolg mit Nulltarif in Belgien
Auch in der belgischen Stadt Hasselt, 60 Kilometer von Aachen entfernt, hat man die Vorteile des Nulltarifs erkannt. Eigentlich hätte die Stadt in den Neunzigerjahren eine vierspurige Ringstraße bauen müssen, doch dafür fehlte das Geld. Stattdessen baute man unter dem populären Oberbürgermeister Steve Stevaert den ÖPNV aus und führte den Nulltarif ein. Statt einer Ringstraße ließ Stevaert für Fußgänger und Fahrradfahrer einen mit 400 Bäumen gesäumten Boulevard anlegen, die Einkaufsstraßen wurden Fußgängerzonen, die Innenstadt verkehrsberuhigt.
Schon nach zehn Jahren, im Jahr 2006, hatten sich die Fahrgastzahlen in der flämischen Stadt mehr als verzehnfacht. Mittlerweile befördern die Stadtbusse über vier Millionen Fahrgäste. Das Verkehrskonzept hat dazu geführt, dass bis zu 30 Prozent mehr Menschen aus dem Umland in die Stadt kommen, die Umsätze des Einzelhandels sind gestiegen. Auch die Zahl der Besucher in den Krankenhäusern nahm zu. Und die Diskussionen des städtischen Krankenhauses über einen neuen Parkplatz zu Lasten der Stadtkasse erübrigten sich. Pflegerinnen und Ärzte kommen nun überwiegend mit dem Bus. Auch für Oberbürgermeister Steve Stevaert hat sich der Einsatz gelohnt: Er wurde Verkehrsminister in der Hauptstadt Brüssel und Vorsitzender der Sozialistischen Partei.
Der Erfolg in Hasselt erforderte allerdings einen ständigen Ausbau der ÖPNV-Angebote. Vor einem Jahr sah sich die Stadt deshalb gezwungen, wieder die Fahrkarte einzuführen. Der Preis ist moderat: 60 Cent pro Fahrt. Jugendliche fahren frei.
In Aubagne gilt der Nulltarif dagegen nach wie vor. Als erste französische Stadt hatte ihn Châteauroux in Zentralfrankreich schon 2001 eingeführt. Mittlerweile gilt er in 23 französischen Verkehrsverbünden. Die politische Couleur spielt dabei keine Rolle.
In Frankreich zahlt die Wirtschaft
Im Gegensatz zu Deutschland darf in Frankreich jede Kommune mit mehr als 20 000 Einwohnern von den ansässigen Unternehmen mit mehr als neun Beschäftigten eine ÖPNV-Abgabe erheben, die sich aus der Lohnsumme errechnet. Mit diesem Geld werden in den französischen Verkehrsverbünden inzwischen im Durchschnitt 44 Prozent der kommunalen Ausgaben für Bus und Bahn finanziert.
Diskussionen über einen Nulltarif gab es auch in Deutschland immer wieder. Anfang der Siebzigerjahre forderten ihn Schüler und Studenten, später Teile der Umweltbewegung, die damit Straßenbahnen und Busse attraktiver machen wollten.
9 Kommentare verfügbar
Wolfgang Schmidt
am 23.02.2014Dann würden garantiert viele in der Stadt vom Auto auf die Bahn umsteigen.
Auf dem Land ist der öffentliche Verkehr wieder deutlich auszubauen statt immer…